Von: bba
Bozen – Das Haydn Orchester spielt eine Auftragskomposition von Matteo Franceschini, dazu Live Eletronics und eine kongeniale Choreografie: Das, und noch viel mehr ist Requiem (Sià Karà), das am 28. Juli im Rahmen von Tanz Bozen uraufgeführt wird.
Mit der Auftragsarbeit der Stiftung Haydn/Tanz Bozen für ein neues Requiem wollte man im vergangenen Sommer das 60-Jahr-Jubiläum des Haydn Orchesters, das am 24. Oktober 1960 mit Mozarts Requiem debütierte, feiern.
Corona hat diese Pläne bekanntlich durchkreuzt und so kommt das Werk des Komponisten Matteo Franceschini, „Associated Artist“ des Haydnorchesters und Preisträger des Silbernen Löwen der Musikbiennale 2019 und des Choreografen Radhouane El Meddeb erst heuer zur Aufführung. Ihr neues Stück Requiem (Sià Karà) widmen die Autoren allen Opfern der Pandemie und ihren Familien.
Nach der Uraufführung in Bozen ist Requiem am 21. November in der Grand Opéra in Avignon (Frankreich) und im Dezember im Gran Teatro Alicia Alonso in Havanna (Kuba) zu sehen.
Requiem (Sià Karà) ist eine Komposition für rund dreißig Orchestermusiker*innen des Haydn Orchesters unter der Leitung von Maestro Jean Deroyer und Live Electronics performt von TOVEL, alias Matteo Franceschini und dazu die Choreografie des Tunesiers Radhouane El Meddeb für das kubanische Tanzensemble MiCompañia. Begleitet werden die Tanzprofis von tanzbegeisterten Amateuren aus der Umgebung.
Siá cará, (tira pa’lante), was auf kubanisch so viel heißt wie „hör auf zu weinen, finde lieber eine Lösung“, ist ein Satz, den Radhouane El Meddeb in den Straßen von Havanna oft gehört hat, als Aufforderung, das eigene Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. El Meddeb war so begeistert von der Karibikinsel und der Begegnung mit der Tanztruppe unter der Leitung Susan Pous Anadon, dass er vor Ort sein neues Stück entwickeln wollte. Inspirieren ließ er sich dafür von alten Riten, dem Glauben an Mythen und Zauberei und nicht zuletzt vom kämpferischen Geist, der Kuba und seine Einwohner auszeichnet.
Musikalisch legte Franceschini seine Komposition weder als Imitation Mozarts noch als reine Totenmesse aus, auch wenn sein Requiem, das in dieser schwierigen Zeit entstanden ist, unweigerlich den Schmerz in sich trägt, den wir alle erlebt haben, vor allem jene, die einen geliebten Menschen verloren haben. „Was mich an Mozarts Requiem so fasziniert, ist seine Zeitlosigkeit. Es stößt ein Fenster auf, durch das man tief in die Seele des Lebens, der Musik und der Kreativität blicken kann. In meiner Partitur finden sich musikalische Anklänge an Mozart, harmonische Bezüge als eine Art Gedächtnisspiel, aber den Orchesterteil begleiten auch Live Electronics, die ich selber auf der Bühne performen werde.”
Ein unmittelbares Nachdenken über Leben und Tod, ein kollektives Fotogramm, ein Flashmob, der an einem öffentlichen Ort auf magische Weise konkret wird. So beschreiben Matteo Franceschini und Radhouane El Meddeb ihr Requiem (Sià Karà). „Es ist ein Nachdenken über die Essenz der Menschheit. Ein ewiges unumkehrbares, unsterbliches kollektives Ritual; ein Wunsch nach Aufschub, Innehalten, aber auch nach Leichtigkeit und Freiheit; ein Augenblick, in dem wir unsere Ängste überwinden und uns, wenn auch nur für kurze Zeit, von Lebensfreude inspirieren lassen können und das uns hilft, die Welt der Lebenden zu verstehen“, erklären die beiden Künstler.
Musiktitel “Kyrie” aus dem Requiem (Sià Karà): https://soundcloud.com/matteofranceschini/ii-kyrie-from-requiem
Radhouane El Meddeb:
Dem Tunesier Radhouane El Meddeb ist es gelungen, sich einen festen Platz am europäischen Tanzhimmel zu erobern. Der für seine einzigartigen Soli bekannt gewordene Choreograf hat auch einige berühmte Werke für Ensembles geschrieben, wie etwa Au temps où les Arabes dansaient (2014), Nous serons tous des étrangers (2015) oder das Trio AMOUR-S, lorsque l’amour vous fait signe, suivez-le (2019). Im Januar 2019 schuf er für das Ballett der Opéra national du Rhin ein Remake von Schwanensee. Im Rahmen von Tanz Bozen 2017 präsentierte er das gefühlvolle Stück À mon père, une dernière danse et un premier baiser, das in enger Zusammenarbeit mit dem tunesischen Keramikkünstler Malek Gnaoui entstand.
Matteo Franceschini:
Der in Trient geborene Komponist wuchs in einer Musikerfamilie auf, lernte erst Klarinette bei Mauro Pedron am Konservatorium von Trient und studierte später Komposition bei Armando Franceschini und Alessandro Solbiati am Konservatorium Giuseppe Verdi in Mailand. Gleichzeitig belegte er Kurse bei Luca Francesconi, Wolfgang Rihm sowie Pascal Dusapin und studierte Orchesterleitung bei Sandro Gorli. Die Ausbildung schloss er an der Accademia di Santa Cecilia bei Azio Corghi und am IRCAM in Paris ab. Der Preisträger des Silbernen Löwen für Musik bei der Biennale von Venedig 2019 schreibt Opern, Sinfonien, Choräle, Kammermusik, Performances und Multimedia-Installationen. Unter dem Pseudonym TOVEL schlüpft der Autor in die Figur des Interpreten, um von innen heraus mit neuen Klängen zu experimentieren. Der unmittelbare Kontakt zur Bühne und den anderen Musikern wird so zum konkreten Schöpfungsakt.
Micompaňia:
Das kubanische Ensemble wurde 2018 von der spanischen Tänzerin Susana Pous Anadon gegründet, die während eines Festivals in Barcelona die erste zeitgenössische Tanzkompanie der Karibikinsel, DanzAbierta, so faszinierend fand, dass sie in die Karibik übersiedelte und 1999 Teil des Ensembles wurde. 2008 avancierte sie zur Chefchoreografin von DanzAbierta, danach führte sie das Ensemble als künstlerische Leiterin an, bis sie 2018 beschloss, mit neun Tänzerinnen und Tänzern eine eigene Kompanie zu gründen: MICompañia.
Jean Deroyer:
Der französische Dirigent stand bereits am Pult vieler bedeutender Orchester: NHK Symphony Orchestra, Radio-Symphonieorchester Wien, SWR Baden-Baden, Deutsches Symphonie-Orchester, Philharmonieorchester von Luxemburg und Monte Carlo, Orchestre de Paris, Orchestre national de Lille, Orchestre national de Lyon, Orchestre national de France, Ensemble Intercontemporain, Ensemble Modern und Klangforum Wien. Im Opernfach dirigierte er 2010 Les Boulingrin, eine Oper von Georges Aperghis mit dem Klangforum Wien an der Opéra Comique, Pelléas et Mélisande an der Opéra di Rouen und das Orchestre Philharmonique de Radio-France in Ariane et Barbe Bleue von Paul Dukas. 2012 bringt er die Oper JJR von Philippe Fénelon unter der Intendanz von Robert Carsen auf die Bühne des Grand Théâtre in Genf. Im Rahmen des Festivals von Avignon dirigiert er Cassandre von Michael Jarrell mit der Schauspielerin Fanny Ardant in der Hauptrolle.
Tickets:
Stadttheater Bozen
Verdiplatz 40
Dienstag bis Freitag 11.00 – 14.00 und 17.00 – 19.00 Uhr
Samstag 11.00 – 14.00 Uhr
Montag, 26. Juli: 11.00 – 14.00 und 17.00 – 19.00 Uhr
Sonntag geschlossen