Von: pf
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Bozen – Die Faszination der sich neigenden Körper im Fresko „Das Staborakel“ von Giotto, ein Ausschnitt des Malzyklus der Cappella degli Scrovegni in Padua, erwecken in Ruth Gamper ein vollkommen neues
Bedürfnis: die figurative Darstellung. Wie ein Blitzschlag wirkt Giotto auf sie ein, als sie ganz zufällig ein Detail dieser Szene auf einer Zeitungsseite erblickt. Die Künstlerin beginnt so eine persönliche Erörterung dieses genialen Meisters, der in der Kunstgeschichte den Verlauf der Darstellungsart prägend verändert hat, indem er mit der byzantinischen Tradition bricht, eine neue figurative Formsprache entwickelt und als entscheidender Wegbereiter der Modernität gilt.
Die sich leicht nach vorne neigenden Köpfe, im Beten vertieft, werden zum erwähltem Subjekt, zum Raum von Denkprozessen und Empfindungen, Metapher der Menschheit, der universellen Bestrebungen, der emotionalen Zuwendung zum Wunder, Traum jedes Menschen. Der innere Drang von Ruth Gamper zu einer unermüdlichen Erforschung, zur Umwandlung des Objektes in ein neues Subjekt, prägnantes Merkmal ihres künstlerischen Schaffens, offenbart in diesen neuen Werken einen beinah umgekehrten Prozess: Das Subjekt bleibt sich selbst treu, wird jedes Mal wiederholt, dessen Linien erörtert, die vielen Denkanstöße und andauernden seelischen Mutationen tiefst erforscht bis es verschleiert und unscharf erscheint. Die Werke zeigen farblose evokative Schatten, verlieren jedoch nichts von der ursprünglichen Kraft, denn die Figuren versuchen bis zuletzt erkennbar zu bleiben.
Die Ausstellung ermöglicht dem Betrachter die Entwicklung einer Idee zu erkennen, die sich in gemessenen und konstanten Übergangen verkörpert, wo die Figuren in einem mysteriösen und notwendigen gemeinsamen Weg voranschreiten. Ein einziger Kopf wird manchmal ein Porträt mit weiblichem Profil oder man erblickt eine Hand, die sich sanft anlehnt. Die raue sandige Oberfläche kann durchscheinender Farbton werden und das Format vergrößert sich, anhand dass die Verwandlung erfolgt.
Ruth Gamper
Ist 1950 in Spera, Trient geboren. Sie lebt und arbeitet in Bozen und ist seit 1996 Mitglied im Südtiroler Künstlerbund. Neben traditionellen Techniken wie Aquarell, Tempera und Öl, aber auch Erfahrungen, gepaart mit Begegnungen und Studienfahrten haben ihren künstlerischen Werdegang beeinflusst. Schlussendlich ist sie bei der Recycling-Technik gelandet, sie sammel mit Begeisterung Müllprodukte, diese sind für Gamper kein Abfall, keine unvermeidliche Nebensache. Mittlerweile hat sie einen Kennerblick entwickelt für interessante, außergewöhnliche Materialien, diese befreit sie aus ihrer ursprünglichen Form. Gamper fasziniert dabei, dass trotz scheinbarer Wertlosigkeit jeder Gegenstand ein großes Potenzial zur Verwendung und, vor allem, zur Verwandlung in sich trägt. Der Verpackungsinhalt wird zum Abfall, zumindest zur Nebensache. Gamper kehrt das um, was in unserer Konsumgesellschaft das Wichtigste ist; Inhalt wird zu Abfall, vermeintlicher Abfall zu Inhalt.
Ausstellung in der Galerie Prisma vom 10.03.-31.03.2017. Vernissage am 10.03.2017 19.00 Uhr