Archäologie

Schneeschuh aus der Zeit vor dem Ötzi präsentiert

Montag, 12. September 2016 | 13:22 Uhr

Bozen – Es ist ein besonderer archäologischer Fund: Ein Schneeschuh aus der Zeit vor dem Ötzi, entdeckt am Gurgler Eisjoch, wurde am 12. September in Bozen präsentiert.

„Erst dachte ich, es handle sich bei dem Gerät, das ich in jenem warmen Sommer 2003 am Gurgler Eisjoch auf 3134 Meter Meereshöhe bei GPS-Untersuchungen gefunden habe, um einen etwa hundert Jahre alten Schneeschuh eines Bauern, der bei einem Viehtrieb verloren wurde und habe das Gerät als Erinnerung in meinem Büro aufbewahrt“, berichtete der Entdecker des Schneeschuhs Simone Bartolini, Kartograph am „Istituto Geografico Militare“ in Florenz. Erst Jahre später bei einem Gespräch mit der Direktorin des Südtiroler Archäologiemuseum Angelika Fleckinger wurde Bartoini bewusst, dass der Schneeschuh weit älter sein könnte und er übergab ihn dem Landesamt für Bodendenkmäler.

Zwei an verschiedenen spezialisierten Forschungsinstituten vorgenommenen Radiokarbondatierungen haben ergeben, dass der Schneeschuh aus der späten Jungsteinzeit stammt, und zwar aus der Zeit zwischen 3800 und 3700 vor Christus. Der Fund ist damit älter als Ötzi, der um 3200 vor Christus am Tisenjoch ums Leben kam.

Gemacht ist der älteste bisher bekannte Schneeschuh der Welt zur Gänze aus Birkenholz. Er wurde aus einem rund 1,5 Meter langen Ast zu einem rund-ovalen Rahmen mit einem Durchmesser von 32 Zentimetern gebogen. Im Inneren sind mehrere Stränge gespannt.

„Mit dem Schneeschuh haben wir einen Beleg, dass sich Menschen bereits in der Jungsteinzeit im Bereich des Alpenhauptkammes aufhielten und sich den Bedingungen entsprechend ausstatteten“, erklärte die Direktorin des Landesamts für Bodendenkmäler Catrin Marzoli. Gerade in den Gletschern gebe es ein ideales Mikroklima für den Erhalt von organischen Stoffen, sagte die Archäologin Marzoli. In nahezu identischer Machart hätten die Menschen solche Schneeschuhe, wie jenen gut erhaltenen vom Gurgler Eisjoch, bis vor wenigen Jahrzehnten noch getragen, berichtete Marzoli. Über die Gründe für den Aufenthalt der Menschen im Hochgebirge in der Urgeschichte, wie auch bei „Ötzi“ selber, gebe es allerdings nur Hypothesen – sie könnten auf der Jagd gewesen sein oder Vieh geweidet haben, Kultstätten besucht, Reisen gemacht oder auf der Flucht vor Feinden gewesen sein – es gebe keine gesicherte Antwort, so die Archäologin. Es werde nun weiter geforscht und der Schneeshuh sollte im Archäologiemuseum in Bozen ausgestellt werden, sagte Marzoli.

Infolge der Klimaerwärmung und des Rückzugs der Gletscher und Schneefelder eröffne sich der Archäologie ein neues Aufgabenfeld, sagte Ressortdirektor Valentino Pagani, der Landesrat Florian Mussner bei der Präsentation des Schneeschuhs vertrat. Es sei wichtig, dass die Entdecker archäologischer Funde diese, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend, dem Landesamt für Bodendenkmäler melden würden und es sei somit auch der Verdienst der Entdecker der Vorjahre, wenn sich die Kenntnisse um die Geschichte des hochalpinen Raumes erweitert haben, so Pagani. „Es ist wichtig, dass wir archäologische Funde und somit auch die Geschichte Südtirols möglichst vielen Menschen zugänglich machen“, unterstrich der Ressortdirektor, der auch den Vertretern des „Istituto Geografico Militare“ in Florenz für deren Beitrag zur Geschichte dankte. Generalleutnant Gianfranco Rossi, Kommandant am „Istituto Geografico Militare“ in Florenz unterstrich, dass er in den vielen Jahren, in denen er in Südtirol im Dienst war immer beobachtet habe, dass das Land sich gut um das Kulturerbe kümmere. Rossi erklärte die Aufgaben des bekannten „Istituto Geografico Militare“ in Florenz und hob hervor, dass das Institut mit der Entdeckung des Schneeschuhs nicht nur zur Vermessung der Landesgrenzen, geografischer Punkte und Höhen, sondern auch einen Beitrag zur Geschichte eines Landes geleistet habe.

Neben dem ältesten Schneeschuh und der gut erhaltenen Bekleidung des Ötzi, nämlich Leggings, Schuhe, Fellmantel, Kappe und geflochtenen Grasumhang konnten laut Marzoli 1994 am Gamsbichljoch in der Rieserfernergruppe auf 2850 Meter Meereshöhe erstmals auch Gamaschen sowie Socken aus Stoff nachgewiesen werden. Sie datieren in die Eisenzeit zwischen 800 und 500 vor Christus. Die geborgenen Reste der Schuhe bestanden aus Leder. „Unsere Vorfahren kannten auch Steigeisen – ein Grab aus der Windschnur in Niederrasen enthielt als Beigabe für den Verstorbenen ein Paar eiserne Steigeisen aus dem 6. Jahrhundert vor Christus“, erklärte Marzoli.

Vor einigen Jahren wurde dem Landesamt für Bodendenkmäler eine Fundstelle am Langgrubenjoch (3017 Meter über der Meereshöhe) im Schnalstal gemeldet. Dort wird nun ein kupfer-, bronze- und römerzeitlicher Fundplatz untersucht. Unter dem Fundmaterial sind vor allem Leder- und Fellreste, ein hölzerner Gürtelhaken der Kupferzeit sowie Reste eines bronzezeitlichen Gebäudes, darunter mehrere Dachschindeln aus Lärche.

Ein weiteres archäologisches Forschungsprojekt des Landesamts für Bodendenkmäler gemeinsam mit dem Südtiroler Archäologiemuseum und dem Institut für Botanik der Universität Innsbruck zielt darauf ab, die Besiedlung des Schnalstales sowie die weidewirtschaftliche Nutzung in der Vorgeschichte zu untersuchen.

Neben archäologischen Begehungen und Grabungen wurden Pollen aus Hochmooren einer Untersuchung unterzogen. Die erzielten Ergebnisse belegen laut Marzoli eine zunehmende Präsenz des Menschen erst ab der Bronzezeit (zweites Jahrtausend vor Christus). Aus dieser Zeit habe es auch im Hochgebirge mehrere archäologischen Funde und Funde von baulichen Strukturen gegeben, berichtete Marzoli. Im Finailtal konnte ein Brandopferplatz nachgewiesen werden. Ein erheblicher Anstieg von Weidezeigern in den Pollenprofilen dokumentiert den Einfluss der Tierherden auf die Umwelt.

Von: mk

Bezirk: Bozen