Von: mk
Bozen – Eine menschlichere Justiz, riskante Verhaltensweisen, die in Straftaten münden können, und das Leben im Gefängnis stehen heuer im Mittelpunkt der Schulbesuche im Rahmen der Initiative „Schule der Freiheit“, die heuer zum vierten Mal auf gesamtstaatlicher Ebene stattfindet. Sie beginnt offiziell am 15. November mit dem italienweiten “Tag der Schule der Freiheit” und dauert in Südtirol bis Ende Dezember. In dieser Zeit sind Mitarbeiter und Freiwillige des Caritas-Dienstes Odòs in verschiedenen Südtiroler Schulen zu Gast, um über Themen rund um die Justiz und den Strafvollzug zu diskutieren. Über 500 Schülerinnen und Schüler aus zehn Oberschulen in fünf Ortschaften nehmen an den Treffen teil. „Wir möchten ein neues, ein anderes Modell des Strafvollzugs aufzeigen und darüber diskutieren”, erklärt der Leiter des Caritas-Dienstes Odòs, Alessandro Pedrotti, „Es soll ein Modell sein, in dem die Bestraften als Menschen gesehen werden und nicht als wandelnde Straftaten”.
Bozen, Meran, Brixen, St. Ulrich und Auer: Bis Ende Dezember befassen sich Schülerinnen und Schüler von allgemeinbildenden und technischen Oberschulen, von Berufs- und Mittelschulen in ganz Südtirol mit Themen rund um die Justiz. Ins Auge gefasst wird auch ein neues Modell von Justiz, das nicht die Rache in den Vordergrund stellt, sondern die Versöhnung, die mit einer entsprechenden Art der Bestrafung einhergehen soll: Die Strafen sollte so organisiert sein, dass sie Täter motivieren, über ihr kriminelles Verhalten nachzudenken und zu erkennen, wie viel Leid und Schmerz sie damit verursacht haben.
Seit gestern besuchen Mitarbeiter und Freiwillige der Caritas gemeinsam mit früheren Häftlingen die verschiedenen Schulen. Am 17. November treffen sie von 8.30 bis 10.30 Uhr in der Mittelschule Segantini die jüngsten Schüler des Schulsprengels Meran 1. Am 24. November sind sie von 11.30bis 13 Uhr im Oberschulzentrum „J. Ph. Fallmerayer“ zu Gast. Im Dezember sind weitere Termine in anderen Schulen geplant.
„Im Mittelpunkt der Gespräche stehen heuer die Jugendlichen“, erklärt Alessandro Pedrotti vom Caritast-Dienst Odòs. Wie können Erwachsen Jugendliche motivieren, über ihr eigenes Verhalten nachzudenken? „Man muss als Erwachsener selbst glaubwürdig sein“, betont Pedrotti, „Nur wer einem Jugendlichen ehrlich begegnet und ihn kennenlernen will, ist glaubwürdig. Es geht darum, eine Beziehung aufzubauen, sich auf den anderen einzulassen“. Der italienische Schriftsteller und Lehrer Eraldo Affinati, der in Rom benachteiligte Kinder betreut, erklärt es so: „Ein glaubwürdiger Erwachsener bietet Halt, weil er sich für etwas entschieden hat und das auch lebt.“
Um Justiz und Strafvollzug geht es in den nächsten Monaten auch außerhalb von Südtirols Schulen: Im Rahmen der Kulturinitiative „Le vie del sacro“ stehen an verschiedenen Terminen die Barmherzigkeit und die Vergebung im Mittelpunkt. Am 26. November sind im Bozner Cristallo-Theater zwei Mütter zu Gast, die durch ihre Söhne schicksalshaft verbunden sind: Am 25. April 2011 stirbt Antonio, der Sohn von Claudia, nach einer Rave-Party durch die Hand von Matteo, dem Sohn von Irene. Beide Frauen stehen durch diese Tat vor dem Abgrund. Ihren Schmerz haben sie schließlich gemeinsam aufgearbeitet, indem sie einen Weg der Versöhnung beschritten haben, der erbeten und gewährt wurde und den beide Frauen weiter gehen.