Eurac Research untersucht Abschussdaten seit Ende des 19. Jahrhunderts

Was Abschusszahlen über unsere Landschaft aussagen

Freitag, 17. Mai 2019 | 12:34 Uhr

Brixen – Nicht nur Rothirsch, Auerhahn und Fuchs: In einer dreijährigen Studie haben Umweltforscher von Eurac Research die Abschussdaten aller 28 jagdbaren Wildtiere in Südtirol erhoben. Das Ergebnis sind Karten und Diagramme, die Aufschluss geben über die räumliche Verteilung der Wildarten und deren Abschuss in Südtirols Revieren – zusammengetragen in einer Broschüre. Am heutigen Freitag wurden die Ergebnisse in Brixen vorgestellt und die Entwicklungen mit Experten diskutiert. Die Studie ist eine Zusammenarbeit von Eurac Research mit dem Südtiroler Jagdverband, dem Amt für Jagd und Fischerei und der Universität Innsbruck.

Südtirols Landschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert: Alm- und Waldweiden sowie Ackerflächen wurden vielerorts aufgegeben, intensiv bewirtschaftete Grünlandflächen, Obst- und Weinbaukulturen haben sich ausgebreitet. Wälder wurden dichter, Siedlungen sind gewachsen. Wandelt sich die Landschaft, verändert sich auch der Lebensraum der Wildtiere. Im Extremfall verschwinden Habitate ganz – folglich auch die Tierarten, die darauf spezialisiert sind. Manche Arten werden seltener, andere Populationen wachsen.

„Arten wie etwa Wachtel und Rebhuhn sind seit den 60-er Jahren stark zurückgegangen. Im Gegensatz zu heute wurde in den Tälern vor einigen Jahrzehnten noch vielfach Ackerbau betrieben. Feldvögel fanden genügend Nahrung, Hecken und Sträucher am Feldrand schützten sie außerdem vor Raubtieren aus der Luft“, erklärt Erich Tasser von Eurac Research. Anders verhält es sich beispielsweise mit Gämsen, die noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in Südtirol recht selten waren. „Aufgrund der verschärften Abschussregulierung, aber auch, weil die Landwirtschaft weniger geworden ist und natürliche Beutegreifer fast vollständig fehlen, konnte sich die Art auf das gesamte Landesgebiet ausbreiten“, stellt Tasser fest.

Die Forscher haben die Abschusszahlen außerdem mit den Veränderungen der Landnutzung in Verbindung gebracht, aber auch mit Klimaänderungen, Dünger- und Pestizideinsatz, der Schnitthäufigkeit auf Grünlandflächen, Siedlungsbau und Zersiedelung in offenen Flächen. Ihr Ziel ist es, zu verstehen, wie sich der menschliche Einfluss auf die ökologische Vielfalt auswirkt. Sie wollen außerdem herausfinden, ob es Tierarten gibt, die sich aufgrund ihrer Ansprüche als Indikator eignen, um die Qualität der Landschaft zu messen und deren Veränderungen zu beschreiben. So sind etwa alte und lichte Nadelwälder der ideale Lebensraum für das Auerhuhn. In den vergangenen Jahren wurde die Almwirtschaft vielerorts aufgegeben, was zu einer Verdichtung der Wälder und folglich zu einem Lebensraumverlust für das Auerhuhn geführt hat. Weil bestimmte Tiere sensibel auf Landschaftsveränderungen reagieren, gelten sie als gute Indikatoren dafür. Das von den Forschern entwickelte Analysemodell kann auch auf andere Alpenregionen angewendet werden.

Die Daten für die Studie lieferte der Südtiroler Jagdverband. „Von manchen Ergebnissen waren auch wir überrascht, vor allem aber gefiel uns, wie hier mit streng wissenschaftlichen Kriterien an Fragestellungen gearbeitet wird“, meint Heinrich Aukenthaler, Direktor des Südtiroler Jagdverbandes. „Was in der Landschaft passiert, kann uns nicht gleichgültig sein. Sie ist Grundlage für alles Leben, ob Mensch, Tier oder Pflanze. Die Ergebnisse bringen mehr Wissen, mehr Einblick und am Ende wohl auch mehr Sensibilität für die Thematik“, so Aukenthaler.

Die Broschüre ist frei verfügbar unter: https://bit.ly/2HmkKie

Von: mk

Bezirk: Eisacktal