Von: luk
Südtirols Wissenschaft zu Gast in Japan – wie die Gesellschaft in Südtirol mit der eigenen belasteten Geschichte umgeht und welche erinnerungspolitischen Strategien es hierzu gibt: Darüber sprach der Historiker und Mitarbeiter der Südtiroler Landesmuseen, Hannes Obermair kürzlich bei einer Tagung in Japan.
Debatten und überarbeitete Erzählungen von Geschichte und Erinnerung am Beispiel Südtirols, Taiwans und Kroatiens. Diesen Titel trug eine internationale Tagung, die am 29. und 30. Juni an der japanischen Konan University in Kōbe, einer Großstadt auf der südjapanischen Insel Honshū, stattfand. „Es ging dabei um erinnerungspolitische Konflikte und um kluge Lösungsstrategien für gespaltene oder schwierige Öffentlichkeiten,“ erklärt Hannes Obermair, Historiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Südtiroler Landesmuseen und einer der Referenten. Im Mittelpunkt der Konferenz stand die Frage, wie ein problematisches historisches Erbe, abgelegt vor allem in totalitären Denkmalen, in demokratischen Kontexten neu gelesen und produktiv umgenutzt werden könne. Der Vergleich Südtiroler, taiwanesischer und kroatischer Fallbeispiele machte den transnationalen Charakter belasteter Erinnerungskulturen sichtbar. Die Konferenz lieferte auch Argumente für weitergehende Aufarbeitungsbemühungen und ermutigte zu selbstkritischen, dynamischen und auch subversiven Aneignungen von konfliktbeladenem historischen Erbe.
Obermair zeigte die besondere Herausforderung von Südtirols doppelter Diktaturerfahrung (Faschismus und Nationaloszialismus) und seiner Relikte auf: Er präsentierte die auf internationale Aufmerksamkeit gestoßenen Historisierungen des Bozner Siegesdenkmals und des faschistischen Monumentalreliefs am Bozner Gerichtsplatz und erläuterte die Leitprinzipien, aber auch die Mühsal der jüngeren Südtiroler Erinnerungskultur. Damit stellte er eine Art dritten Weg der Vergangenheitsbewältigung vor: „Dieser könnte über den fruchtlosen und unversöhnlichen Gegensatz von unwiderruflichem Abriss und naiver Konservierung produktiv hinausführen,“ meint der Historiker.
Die Konferenz fand im Rahmen eines Japanischen Projekts zur nationalen Geschichte und kollektiven Erinnerung (National History and Collective Memory Project) statt und wurde von der Japanischen Akademie der Wissenschaften finanziert.