Von: mk
Meran – Mit der Ouvertüre zu Richard Wagners Oper „Tannhäuser” beginnt am 2. September um 20.30 Uhr das mit Spannung erwartete Gastspiel des Hong Kong Philharmonic Orchestra im sinfonischen Programm des südtirol festival meran.
Am Pult des Orchesters aus der früheren britischen Kronkolonie und heutigen Sonderverwaltungsregion der Volksrepublik China, das im Kursaal zum ersten Mal auftritt, steht sein Musikdirektor Jaap van Zweden, der auch das New York Philharmonic Orchestra als Chefdirigent leitet. Darauf folgen Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 und der Musikstrom der 7. Sinfonie. Kein anderes Beethoven-Werk ist so sehr vom Rhythmus beherrscht. Wagner, der von einer „Apotheose des Tanzes“ sprach, soll zu Liszts pianistischer Interpretation selbst getanzt haben. Am treffendsten hat wohl Romain Rolland diese Sinfonie beschrieben – als „Orgie des Rhythmus“. Am Klavier sitzt an diesem Abend mit Rudolf Buchbinder ein legendärer Pianist mit einer mehr als 65-jährigen Karriere.
Das Hong Kong Philharmonic (HK Phil) zählt heute zu den führenden Sinfonieorchestern Asiens und blickt auf eine beeindruckende künstlerische Entwicklung zurück. Gegründet wurde es 1957 zunächst als halbprofessionelles Ensemble unter dem Namen Sino-British Orchestra. In den folgenden Jahren wuchs der Klangkörper kontinuierlich und wurde 1974 zu einem professionellen Orchester – ein entscheidender Schritt, der auch mit der Umbenennung in Hong Kong Philharmonic einherging.
Die künstlerische Entwicklung des Orchesters ist eng mit einer Reihe herausragender Chefdirigenten und Musikdirektoren verbunden. In den 1980er- und 1990er-Jahren prägten Dirigenten wie David Atherton die Klangästhetik des Orchesters und führten es zunehmend an ein internationales Niveau heran. Atherton, der das Orchester von 1989 bis 2000 leitete, war besonders für seine Programme mit britischer Musik und für die Förderung zeitgenössischer Werke bekannt. Ein weiterer bedeutender Abschnitt begann mit Edo de Waart, der von 2004 bis 2012 als Musikdirektor wirkte. Unter seiner Leitung wurde das künstlerische Profil des HK Phil weiter geschärft, insbesondere durch groß angelegte Zyklen von Werken Gustav Mahlers sowie durch die stärkere Präsenz auf internationalen Konzertbühnen. Mit der Berufung des niederländischen Dirigenten Jaap van Zweden zum Musikdirektor im Jahr 2012 begann eine neue Ära für das Orchester. Van Zweden verlieh dem Ensemble neue Energie, führte es zu klanglicher Präzision und musikalischer Tiefe – Eigenschaften, die besonders bei der Aufführung und Aufnahme von Wagners „Der Ring des Nibelungen” unter seiner Leitung zum Tragen kamen. Dieser Zyklus, zwischen 2015 und 2018 in Hong Kong live aufgeführt und anschließend beim Label Naxos veröffentlicht, wurde international hochgelobt und markierte einen Höhepunkt in der Geschichte des Orchesters.
Der niederländische Dirigent Jaap van Zweden wurde am 12. Dezember 1960 in Amsterdam geboren. Seine musikalische Laufbahn begann als Geiger: Bereits mit 18 Jahren wurde er Konzertmeister des Royal Concertgebouw Orchestra – der jüngste in der Geschichte des Orchesters. Später wandte er sich dem Dirigieren zu, wobei Leonard Bernstein ihn maßgeblich förderte. Van Zwedens Dirigentenkarriere begann in den 1990er-Jahren. Zu seinen ersten wichtigen Stationen zählen die Positionen als Chefdirigent des Residentie Orkest Den Haag (2000–2005) sowie des Radio Filharmonisch Orkest der Niederlande (2005–2012). Internationales Renommee erlangte er durch sein Engagement als Music Director des Dallas Symphony Orchestra (2008–2018), wo er für seine energiegeladenen Interpretationen und die programmatische Erneuerung gelobt wurde. Seit 2018 ist Jaap van Zweden Chefdirigent des New York Philharmonic Orchestra, das er durch herausfordernde Zeiten – inklusive der Pandemie – leitete und mit ambitionierten Projekten prägte.
Der Beethoven-Spezialist Rudolf Buchbinder ist ein weltweit gefeierter Pianist. Seine Interpretationen der Werke Beethovens gelten als Referenz. Er war der erste Pianist, der 2014 in Salzburg alle Klaviersonaten Beethovens in einem Festival aufführte. Kürzlich hat Buchbinder alle Klavierkonzerte Beethovens eingespielt, ein außergewöhnliches Projekt, an dem herausragende Dirigenten und Orchester beteiligt waren: das Gewandhausorchester Leipzig mit Andris Nelsons, die Wiener Philharmoniker mit Riccardo Muti, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, die Münchner Philharmoniker und die Staatskapelle Dresden. Zum 250. Geburtstag Beethovens initiierte Buchbinder das „Diabelli Project”, das in Zusammenarbeit mit den weltweit führenden Konzerthäusern zeitgenössische Komponisten beauftragte, Beethovens Diabelli-Variationen zu bearbeiten. Buchbinder misst der Quellenforschung große Bedeutung bei. Er besitzt eine umfangreiche private Notensammlung, darunter neununddreißig verschiedene Ausgaben der Klaviersonaten von Beethoven. Sein Engagement für die historische Forschung und die Innovation machen ihn zu einer einzigartigen Persönlichkeit in der zeitgenössischen Musikszene. Seit 2007 ist Buchbinder künstlerischer Leiter des Grafenegg Festivals, eines der einflussreichsten und wichtigsten Konzertfestivals in Europa.
www.meranofestival.com
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