Viennale-Direktorin Eva Sangiorgi

Deneuve-Gala in Wien ohne Star: “Gute Besserung, Catherine!”

Freitag, 27. Oktober 2023 | 11:57 Uhr

Wohl kaum jemand im Saal war überrascht, als am Donnerstagabend Viennale-Chefin Eva Sangiorgi ohne den Stargast vor die große Leinwand trat: Dass Catherine Deneuve ihren geplanten Besuch wegen einer Erkrankung kurzfristig absagen musste, war am Vortag kommuniziert worden. “Catherine Deneuve schickt ihre Grüße”, sagte die Festivalleiterin und wandte sich an die abwesende 80-Jährige: “Gute Besserung, Catherine!”

Der Direktor des Filmmuseums, Michael Loebenstein, der noch bis Jänner eine Retrospektive über den Regisseur Raul Ruiz (1941-2011) zeigt, war erfreut über den vollen Saal (in dem freilich sehr wohl etliche Sitze freigeblieben waren) und spendete den Anwesenden “eine Runde Applaus”: “Man macht ein Special Event, dann fällt das Event aus, und trotzdem sind Sie alle da!” Das zeige das große Interesse am Werk von Ruiz und dem Film des Abends, die 1999 veröffentlichte Verfilmung von Marcel Prousts Abschluss seines vielbändigen Opus magnum “À la recherche du temps perdu”, “Le temps retrouvé” (“Die wiedergefundene Zeit”). Er nannte das fast dreistündige Werk “ein wunderbares Stück Kino”, in dem Ruiz meisterhaft mit Bewegung und Zeit umgegangen sei.

Vor den Vorhang wurde Ruiz-Witwe Valeria Sarmiento geholt. Die 75-Jährige Regisseurin und Cutterin ist in der Retrospektive mit einigen Filmen als Co-Regisseurin vertreten und schnitt rund zwei Drittel der Filme ihres Mannes, zeigte bei der Viennale aber mit “Un sueno como de colores” (A dream as in Colours”) und “Huellas” (Traces”) auch zwei eigene Filme. An “À la recherche du temps perdu” sei sie zwar nicht beteiligt gewesen, sagte sie, sei aber überzeugt: “Er hat einen guten Job gemacht, vor allem bei der Aufgabe, Zeit aus dem Roman auf die Leinwand zu transferieren.”

Wie aus der Zeit gefallen wirkte dann auch der Film, der 1999 bei den Filmfestspielen von Cannes seine Premiere feierte. Ruiz setzte auf breiteste Opulenz. Starparade und Ausstattungsorgie sorgen dafür, dass er sich dem vertrackten Seelenleben der vielen Protagonisten einer untergehenden Gesellschaft vor allem über das Äußere nähert und so ein Paradoxon schafft: einen nicht oberflächlichen Film über die Oberflächlichkeit.

Dramaturgisch ist der Film als Erinnerung des kranken und bettlägerigen Marcel Proust (Marcello Mazzarella) an die Begegnungen mit seinen Roman-Vorbildern aufgebaut, die Ruiz in ständigen Kamerafahrten einfängt und umkreist. Im Pariser Adel herrscht Stillstand, aber die Kamera ist unentwegt in Bewegung. Catherine Deneuve spielt als Odette de Crécy an der Seite von Emmanuelle Béart, Vincent Perez, Pascal Greggory und John Malkovich übrigens nur eine Nebenrolle. Im Rahmen der Ruiz-Retrospektive wird der Film noch einmal gezeigt: am 30. Dezember um 17 Uhr im Filmmuseum.

Von: apa