"Haben nicht viel gelernt"

Dialoge Meran: Hubert Messner – Neonatologe und Extremsportler

Donnerstag, 23. Juli 2020 | 15:42 Uhr

Von: luk

Meran – „Als Arzt bin ich Verteidiger des Kindes an der Grenze der Überlebensfähigkeit“, sagt Hubert Messner, Neonatologe und Extremsportler, im Rahmen der Dialoge Meran „aber dabei muss ich mich immer fragen, was ein lebenswertes Leben ist. Für mich ist die entscheidende Voraussetzung die, dass ein Mensch kommunizieren kann.“

Hubert Messner, der vor kurzem in den Ruhestand getretene Primararzt der Neonatologie in Bozen, war vor wenigen Tagen Gast der „Dialoge Meran“. Anlass für das Gespräch in der Akademie Meran war sein jüngst erschienenes Buch „Der schmale Grat“. Darin beschäftigt sich Messner mit seinem Leben am Limit. Als Arzt und als Extremsportler hat er die Grenzen des für den Menschen Machbaren ausgelotet.

In der kritischen Corona-Phase kehrte Messner vorübergehend in den Sanitätsbetrieb zurück, um seine Erfahrung in den Dienst der Patienten zu stellen. Die Virus-Hochphase war eine Zeit der Entbehrungen, der neuen Erkenntnisse. Doch was haben wir daraus gelernt? „Ich fürchte, nicht sonderlich viel“, sagt Hubert Messner, „aber vielleicht erkennt die Menschheit doch noch, dass ein ständiges Wachstum weder notwendig noch möglich ist.“

Die Frühchen-Abteilung am Bozner Krankenhaus hat Messner gemeinsam mit seinem Team zu einer weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Einrichtung gemacht. Nicht nur in medizinischer, sondern auch in menschlicher Hinsicht hat er dabei neue Maßstäbe gesetzt. „Wenn der Tod des Patienten nahe war, schickte man früher die Eltern vor die Tür; das ist reiner Zynismus.“ Hubert Messner hat das geändert.

„Als Arzt bin ich Verteidiger des Kindes an der Grenze der Überlebensfähigkeit“, sagt Messner im Gespräch mit Eberhard Daum, „aber dabei muss ich mich immer fragen, was ein lebenswertes Leben ist. Für mich ist die entscheidende Voraussetzung die, dass ein Mensch kommunizieren kann.“

Im weltbekannten „Hospital for sick children“ im kanadischen Toronto hat Hubert Messner nach seinen eigenen Worten eine laizistische Einstellung zu Leben und Tod entwickelt. „Ich musste das erst lernen, denn in der Medizin geht es immer darum, Leben zu retten, der Tod kommt in den Köpfen vieler Ärzte nicht vor. Doch man muss auch wissen, wann man loslassen muss, wann man ein Kind gehen lassen muss.“

Hubert Messner ist aber nicht nur Arzt, sondern auch Extremsportler. „Der schmale Grat“ ist die Dokumentation eines Lebens am Limit. Mehrere Male brach er gemeinsam mit seinem Bruder Reinhold zu Expeditionen auf: 1986 zum Lhotse, 1993 nach Grönland, 1995 zum Nordpol. „Der Nordpol war eine absolute Grenzerfahrung“, erinnert sich Messner. Als er auf einer Eisscholle ausrutscht und ins kalte Wasser fällt, glaubt er sich für kurze Zeit verloren. „Dann versuchte ich mich zu beruhigen und schwimmend zur nächsten Eisscholle zu gelangen. Dabei hörte ich Reinhold, der mich nicht sehen konnte, verzweifelt nach mir rufen. Doch er rief nicht meinen Namen, sondern den von Günther“ (der 1970 am Nanga Parbat von einer Lawine verschüttet worden war). „Dass Reinhold in dieser lebensbedrohlichen Lage den Namen meines Bruders rief, hat mir deutlich gemacht, wie sehr ihn dieses Trauma auch noch viele Jahre später gefangen hält.“

 

Bezirk: Burggrafenamt