Reinhold Messner steht zum Alterungsprozess

Hinterm Horizont nach oben: Reinhold Messner ist 80

Dienstag, 17. September 2024 | 10:10 Uhr

Von: apa

Denkmal, Ikone, Legende: Superlative pflastern seinen Erfolgsweg. In den 1970er- und 1980er-Jahren stand er als erster Mensch auf den Gipfeln aller 14 Achttausender, jeweils ohne Flaschensauerstoff. Den Abstieg vom Gipfel kennt er nur vom Bergsteigen, seine Weltkarriere hält er bis heute ganz oben. Dem Horizont entgegen – und dann weiter nach oben. Am heutigen 17. September wird Reinhold Messner 80 Jahre alt.

Extrembergsteiger, Abenteurer, Museumsbetreiber, Politiker, Autor von über 50 Büchern (“Alle ohne Ghostwriter!”), Vortragender, Filmemacher usw. usw. Wie viele Leben passen in ein Leben? Doch im Prinzip war Reinhold Messner in erster Linie stets “Reinhold Messner” von Beruf. Positionen, Funktionen und Berufsbezeichnungen – alles Schall und Rauch für und bei einem wie ihm, nicht angemessen.

Der Lehrersohn aus dem Südtiroler Villnöß, der mit acht Geschwistern aufwuchs, stand und steht für sich. Er war gefühlt immer schon da, immer präsent, die personifizierte beinahe weltweite Eingemeindung. Seit er sich als Bub auf seine ersten Wege in die heimischen Dolomiten machte, verfuhr der sich selbst als “Horizontsüchtiger” Bezeichnende nach dem Motto: “The sky is the limit”. Das hat den Südtiroler reich und berühmt gemacht.

Er blieb stets streitbar, eigenwillig, egoistisch, querdenkend, unkonventionell, einzelgängerisch, charismatisch. Selbstbestimmung und Freiheit waren und sind seine Lebensmaximen. “Die Freiheit aufzubrechen, wohin ich will”, nannte er das. Das könne einmal auf seinem Grabstein stehen, meinte er im APA-Interview.

Und er halte wenig von einem “gelungenen Leben”, sondern vielmehr von einem “gelingenden Leben.” Das Leben als Prozess, als stetige Suche nach neuen Horizonten, neuen Abenteuern. Aufbruch und Bewegung statt Stillstand. Immer weiter. Und in seinem Fall: Immer nach oben.

Zu internationaler Berühmtheit gelangte der 1944 geborene Messner im Mai 1970. Damals bezwang er gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Günther den Himalaya-Riesen Nanga Parbat (8.125 Meter) nicht nur erstmals über die gefürchtete Rupal-Wand, sondern schaffte auch eine Überschreitung, indem er auf der Diamir-Flanke abstieg. Bei dieser riskanten Unternehmung kam Günther unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen ums Leben. Lange schwelte ein Streit, was damals am Nanga Parbat geschah. Messner sagte, sein Bruder sei beim gemeinsamen Notabstieg von einer Lawine verschüttet worden. Seine Ex-Kameraden zweifelten das an und brachten dafür Argumente. Gerichtsprozesse über mehrere Instanzen erzeugten weder Klarheit noch Frieden.

In den 1970er- und 1980er-Jahren setzte Messner als Extremalpinist Maßstäbe: Als erster Mensch stand er auf dem Gipfel aller 14 Achttausender; auf einigen sogar mehrmals. Bei keiner einzigen Expedition verwendete er Flaschensauerstoff. Eine bemerkenswerte Leistung, die noch 1978, als Messner gemeinsam mit Peter Habeler den Mount Everest (8.848 Meter) bezwang, für unmöglich gehalten wurde.

Nachdem Messner Mitte der 1980er-Jahre alle Achttausender erklommen hatte, begab er sich in die Ebene und suchte dort das ultimative Abenteuer. Fortan baute er seinen Ruhm mit Durchquerungen von Eis- und Sandwüsten aus. Mit Arved Fuchs etwa legte er in 92 Tagen 2.800 Kilometer zu Fuß über den Südpol zurück, ohne Hunde- oder Motorschlitten. Expeditionen wie die Grönland-Längsdurchquerung und jene der Wüste Gobi bildeten weitere Highlights in Messners langer Abenteuer-Liste.

In den 1990er-Jahren, als der Südtiroler wegen einer Fußverletzung weitere extremalpinistische Ambitionen begraben musste, widmete sich Messner, dem seine Heimat stets zu eng war, verstärkt der Politik. Höhepunkt seiner Politlaufbahn war die Europawahl 1999, wo er als Parteiloser auf der Liste der Grünen einen Sitz im EU-Parlament errang.

Mit dem Projekt “Messner Mountain Museum” mit mittlerweile sechs Museen in Südtirol und Belluno erfand sich der findige Geschäftsmann Messner neu. Zahlreiche Bücher und Multivisions-Vortragstourneen in großen Hallen, vor allem im deutschsprachigen Raum, bilden bis heute weitere Eckpunkte im Messner’schen Gesamtkunstwerk. Die Bergsteiger-Legende wusste sich stets zu inszenieren, das Wort Medienprofi scheint für ihn erfunden worden zu sein.

Ein Anruf bei ihm genügt – und schon nimmt er Stellung zu buchstäblich “Gott und der Welt”. Das Wort “inflationär” fällt in Sachen Messner kaum. Das Lebenswerk, die Legende überstrahlt alles – auch unschöne Schlagzeilen wie zuletzt im Zuge des familiären Erbschaftsstreits. Die Marke Reinhold Messner leidet auch nach mehreren Jahrzehnten nicht an Abnützungserscheinungen.

Denn Messner ist schon beim Aufschlagen neuer Lebenskapitel – sei es mit der Etablierung seines “Messner Mountain Heritage” in Sexten, neuen Büchern wie dem aktuellen “Gegenwind” (“Ich habe den Gegenwind benutzt, um abzuheben”) oder geplanten weiteren Filmen, wie einem über den Tiroler Hermann Buhl und dessen Erstbesteigung des Nanga Parbat im Jahr 1953, wie er der APA verriet.

Immer an seiner Seite: Die um 36 Jahre jüngere Ehefrau Diane, eine gebürtige Luxemburgerin, die er im Jahr 2021 heiratete. Mit zunehmendem Alter auch eine Lebensstütze. Mit ihr will der Mann, der aus einer früheren Ehe drei Kinder hat und aus einer vorangegangenen, nicht-ehelichen Beziehung eine Tochter – auch den “80er” nur zu zweit auf einer Almhütte verbringen. Bevor er wieder irgendwohin aufbricht. Mutmaßlich nach oben.

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