Campino mit Gerhald Polt und Christoph Well

“Kulturelle Zumutung” mit Toten Hosen in Wien

Donnerstag, 10. August 2023 | 12:02 Uhr

Gstanzln und Alphörner sind nicht unbedingt Bestandteil der Rockshows der Die Toten Hosen. Wenn die deutsche Band allerdings mit den Well-Brüdern und Gerhard Polt ein gemeinsames Programm gestaltet, darf man sich sogar Bauchtanz und Dudelsack erwarten. Am Mittwoch gastierte die bereits mehrmals erfolgreich erprobte Zusammensetzung in Wien. Es war ein launiger Abend mit bissigem Humor, einer Melange aus Stubenmusik und Punk-Anarchie sowie (zwangsweise leiseren) Rock-Hymnen.

Das Wetter ließ nach Regen tagsüber dann doch noch “eine kulturelle Zumutung” im Theater im Park am Belvedere ungestört zu, wie Die Toten Hosen das Programm “Forever” mit den bayrischen Brüdern, vormals auch als Biermösln Blosn bekannt, und dem Münchner Polt (“Man spricht deutsch”) beschreiben. “Langeweile wird nicht aufkommen. Ich hab’ schon die Trompete rausgeholt und blase zu Hause immer darauf herum – wenn niemand da ist”, hat Hosen-Sänger Campino bei der Ankündigung der Tour im Gespräch mit der APA angekündigt – und nicht zu viel versprochen.

Ein Gstanzl eröffnete den bunten Reigen, der Text (wie viele Elemente in der Darbietung) auf Österreich zugeschnitten. Die “Excel-Panne” der SPÖ und Herbert Kickl (FPÖ) werden durch den Kakao gezogen, in Niederösterreich grüße man bald wieder “mit erhobener Hand”, spotten die Well-Brüder in ihrem Gesang. Man nimmt sich kein Blatt vor den Mund: Urgestein Polt, schonungslos mit seinen Pointen, macht den Tiroler Sprecher des Tourismusverbandes in einer Doppel-Conference mit Campino als Radioreporter. Frage nach einem Erdrutsch: “Es sind doch Menschen umgekommen?” – “Ja, aber auch Touristen.” Die Hosen-Musiker und die Well-Brüder stimmen ein: “Klimawandel scheißegal, Alpinismo tropical.”

“Wir bitten um Entschuldigung” intonierte Die Toten Hosen akustisch, unterstützt vom Wellschen Bläser-Sound, als ihren ersten Songs. Dem Ambiente geschuldet musste man die Lautstärke einschränken, aber “Laune der Natur”, “Liebeslied” oder “Wünsch dir was” wurden auch als Art Punk-Kammermusik von den Fans abgefeiert. “Ich möcht glei sogn, das i mi net entschuldigen werd”, betonte Polt. Der mitunter bitterböse und sarkastische Humor traf ins Mark. Für den Song “Dong Dong Dong” gab der 81-Jährige einen Fernfahrer: “Horst mit dem Sattelschlepper ist unterwegs von Ost nach West, er kennt jede Raststätte zwischen Brest und Bukarest, die Ladung voll mit Wildlachs und Südtiroler Speck, und 70 Asylanten hot er a no drin versteckt”, trällerten dazu die Well-Brüder mehrstimmig.

Campino konnte mit einem euphorischen “You’ll Never Walk Alone” seiner Liebe zum FC Liverpool frönen, seine Bandkollegen sich am Hackbrett und an der Zither beweisen. Drummer Vom in Lederhose gab den Takt an der Percussion vor, bis man völlig ausgelassen nach einem subversiven Crossover von Volks- und Blasmusik, “Mundart-Wahnsinn” (Eigendefinition der Akteure) und deutschem Punkrock völlig ungeniert und ebenso ausgelassen den “Eisgekühlten Bommerlunder” hervorholte. Heute folgt die Zugabe im Park.

Von: apa