Von: apa
Rebekka Bakken hat die Idee zu ihrem neuen Album 20 Jahre herumgetragen. Auf “Nord” interpretiert sie religiöse Volkslieder aus Norwegen neu und ergänzt diese mit eigenen Songs. Entstanden sind weite Klanglandschaften. “Mich beschäftigte die Frage, wie ich diese traditionellen Lieder performen kann, sodass sie nicht wie eine Präsentation von etwas Altem klingen, sondern wie etwas Reales in der Jetztzeit. Das war die Herausforderung”, sagt die 55-Jährige im APA-Interview.
Es war ein langer Weg zum am Freitag (14.11.) erscheinenden “Nord”: “Ich erinnere mich noch, wie ich seinerzeit einen meiner Musiker gefragt habe, ob er so ein Album mit mir einspielen möchte. Er sagte zu, aber es wurde einfach nichts daraus”, erzählt Bakken. “Ich benötigte das richtige Setting und Zeit. Ich bin froh, dass ich mir die genommen habe. Denn so fand ich nun meinen Weg, diese Songs auf meine Art auszudrücken.”
“Ich musste in die Kirche gehen”
Vorgenommen hat sich Bakken mit ihrer Band traditionelle Lieder aus ihrer Heimat, die in der Kirche gesungen werden. “Meine Versionen werden sie dort wohl nicht spielen”, lacht sie. “Ich habe diese Stücke zu etwas komplett Neuem gemacht.” Die Volkslieder begleiten die Sängerin, deren Stimme über drei Oktaven reicht, schon ein Leben lang. “Meine Mutter hat sie immer gesungen. Sie war Theologin. Ich musste in die Kirche gehen und hasste das. Ich nahm diese christlichen Texte sehr ernst. Ein Kind versteht die Botschaften nicht. Es war verstörend.”
Mit den Jahren fand Bakken aber neuen Zugang zu den Stücken. “Manchmal braucht man Abstand. Diese Lieder sind ja eigentlich ein Teil von mir – auch ein Grund, warum ich dieses Album nicht früher gemacht habe, weil sich diese Songs so nah anfühlten. Aber dann hatte ich den Mut, ihnen neues Leben einzuhauchen und jene Aspekte hervorzuheben, die ich durch sie ausdrücken will.”
“Man braucht in Norwegen keinen Nachbarn”
Eine melancholische Grundstimmung kann man “Nord” nicht absprechen. Bakken: “Ich wurde so oft gefragt, ob Melancholie etwas typisch Nordisches sei. Ich selbst höre sie nicht heraus, weil ich aus Norwegen stamme. Das ist so ein weites Land. Wer ein Haus bauen will, sucht sich einen Platz weit weg vom nächsten Haus. Man braucht in Norwegen keinen Nachbarn. Wir mögen unseren privaten Raum. Das hat Auswirkung auf die Musik. Wir sind gerne alleine. Ich bin gerne alleine. Ist das melancholisch?”
Wie würde die Künstlerin “Nord” selbst beschreiben? “Das Album erzeugt Bilder im Kopf, Atmosphären und ganze Welten”, antwortet Bakken. “Es nimmt mich selbst mit auf eine Reise zu Plätzen, an denen ich nie zuvor gewesen bin.” Eigene Kompositionen fügen sich nahtlos zwischen den traditionellen Liedern ein. Der einzige Song mit englischem Text, “My Choisest Hours”, sticht heraus, basierend auf einem Sufi-Text aus dem 8. Jahrhundert und mit Gastsänger Saleh Mahfoud. “Ich habe seine Stimme gehört und wusste, er muss auf das Album”, betont Bakken. “Ich habe mich immer von arabischer Musik angezogen gefühlt.”
Erschienen ist das Album auf dem Wiener Label Supreme Music von Harry Gruber, einst bei einem Branchenriesen tätig. “Er hat meine Karriere gestartet, gab mir meinen ersten Plattenvertrag”, so Bakken. “Ich wollte Harry als Freund anrufen und seine Meinung zum Album hören. Als ich erfahren habe, dass er ein eigens Label gestartet hat, war meine erste Frage: Willst du mich?”
(Das Gespräch führte Wolfgang Hauptmann/APA)




Aktuell sind 0 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen