Ray Weber, Marco Wanda und Manu Poppe schauen in die Zukunft

Wanda wollen “nicht spalten, sondern zusammenbringen”

Mittwoch, 05. Juni 2024 | 12:26 Uhr

Von: apa

Die Wiener Rockband Wanda hat schwierige Monate hinter sich. Im Herbst 2022 starb Keyboarder Christian Hummer, im Vorjahr musste sich Sänger Marco Wanda zudem von seinem Vater verabschieden. Verarbeitet haben das die Musiker in neuen Songs: “Ende nie” heißt das sechste Studioalbum, das trotz der traurigen Thematik durchaus hoffnungsvoll geworden ist. Mit der APA sprach Marco Wanda über die Entstehung, seinen Filterprozess und die alles überdauernde Liebe.

APA: Wie notwendig war das neue Album für die Band, um mit den Verlusten umzugehen?

Marco Wanda: Ich bin damals regelmäßig mit der Vision ins Studio gegangen, dass die Welt außerhalb brennt und vollkommen vernichtet ist. Mit jeder Stufe, die ich da tiefer und tiefer in diesen Kellerraum gegangen bin, habe ich Gewicht auf meinen Schultern verloren, habe gespürt, wie ich leichter werde. Das Studio war in gewisser Weise fast der einzige Safe Place für mich in dieser Zeit; der einzige Ort, an dem mich vieles nicht eingeholt hat, was in meinem Leben passiert ist, in unserem Leben als Band – und auch in der Welt.

APA: Gab es nach diesen Schicksalsschlägen keine andere Alternative als weiterzumachen?

Wanda: Wir haben uns gegenseitig motiviert. Wir haben gar nicht klar oder ausführlich darüber gesprochen, ob und wie es weitergeht. Ich habe den Anfang gemacht, indem ich Songs hatte. Die habe ich Manu (Poppe, Gitarrist, Anm.) geschickt, der begonnen hat, sie zu produzieren. Und Ray (Weber, Bassist, Anm.) hat immer wieder gesagt, er will einfach nur auf die Bühne und Menschen eine Freude bereiten. Jeder hat sein Mosaiksteinchen dazugelegt. Daraus ist letzten Endes eine Platte entstanden.

APA: Schon die erste Single “Bei niemand anders” hat es deutlich gemacht: Trotz der Schwere der Themen, steckt in diesem Album etwas Hoffnungsvolles. War das ein natürlicher Prozess, das musikalisch zum Ausdruck zu bringen?

Wanda: Es war jedenfalls ein Filterprozess schon beim Schreiben bei mir. Ich hatte in der Zeit auch ganz viel düsteres Material, habe das aber für mich schon gefiltert, bevor ich es dem Manu geschickt habe. Ich wollte ihn nicht belasten mit so tagebuchartigem, finsteren Material. Ich habe sehr darauf geachtet, dass ich den großen Themen, die mich beschäftigt haben, gerecht werde – wollte aber auf keinen Fall entmutigen oder nur eine Schockstarre porträtieren. Das war ein persönlicher Verarbeitungsprozess. Ich habe mich eher auf das zentrale Thema Liebe konzentriert. Ich wollte meine Liebe zum Ausdruck bringen.

APA: Musik schafft es, dass wir uns an bestimmte Dinge erinnern – schöne wie schlimme Momente. Darum dreht sich auch der Song “Fuck YouTube”. Gibt es Lieder, die Sie nicht mehr hören können, weil sie zu schmerzhaft für Sie sind?

Wanda: Ich wollte in dem Songtext nicht verraten, was für ein Lied das für mich persönlich ist (lacht). Es gibt natürlich auch bei mir Lieder, die mich an schmerzliche Lebensphasen erinnern. Umgekehrt aber auch an gute Lebensphasen! Für mich nimmt generell der Popsong die Rolle eines Artefakts in unserer modernen Welt ein. Wir laden Songs mit ganz vielen persönlichen Bedeutungen auf. Das ist für mich etwas sehr Archaisches, etwas sehr Wertvolles, etwas sehr Wichtiges. Ich erfahre meine Seelenleben größtenteils im Dialog mit Musik, oder mit der Natur. Das sind die zwei stärksten Kräfte in meinem Leben, wo ich mich wirklich beginne zu spüren – körperlich wie geistig.

APA: Musikalisch sind die Songs sehr auf den Punkt gebracht. Bei all der Reduzierung gibt es etliche Details, die ein Wiederhören spannend machen. Und in “Kein Ende nie” wird sogar gepfiffen…

Wanda: Wir wollten generell gerne auf den Punkt kommen. Wir wollten nicht zu viel machen, um einem gewissen Gefühl, das die Platte trägt, nicht im Weg zu stehen. Bei der Arbeit und den Aufnahmen haben wir uns immer wieder dazu ermutigt, weniger zu zeigen was wir können, sondern eher in der Reduktion die Musik zu unterstützen. Und das Pfeifen hat sich auch aus dieser Philosophie ergeben. Es gibt nichts Urigeres als Singen und Pfeifen. (lacht)

APA: Ein Stück wie “Immer OK” mit seinem großen Finale scheint geradezu nach der Bühne zu verlangen, nach der großen Geste. Wie stark hat man das selber vor Augen?

Wanda: Daran haben wir diesmal tatsächlich gar nicht gedacht. Aber wir vertrauen schon seit Jahren auf die gefestigte Beziehung zwischen uns und unserem Publikum. Wir fühlen uns immer noch in derselben Mission, Menschen zusammenzubringen, um ihnen eine Möglichkeit zu geben, sich – auch anonym – zu begegnen. Deswegen haben wir diese Band gegründet. Wenn man die Geschichte dieser Band verfolgt, hat sie eigentlich genau begonnen 2014 mit dem Rechtsruck, mit der großen Spaltung Europas. Unsere Antwort auf all das war schon vor zehn Jahren nicht spalten, sondern zusammenbringen! Das hat sich nicht verändert.

APA: Ist Musik die beste Therapie?

Wanda: Ich weiß nicht, ob es Therapie ist, was wir machen. Ich weiß nur, dass es alternativlos ist. Es gibt nichts, das mich so stimuliert und auch aufwühlt wie das Musikmachen. Weil es größtenteils auch ein nonverbaler Prozess ist. Wir leben ja in einer sehr vergeistigten und verbalisierten Welt. Meine Antwort ist der Rückzug in die Musik. (lacht)

APA: Es ist ein Neustart für Wanda, die Band ist eine andere. Haben Sie sich als Gruppe wieder gefunden?

Wanda: Wir sind sehr zufrieden im Moment, nicht zuletzt weil wir von drei fantastischen Livemusikern unterstützt werden, die sich diesem Projekt wirklich mit ihrem ganzen Leben verschrieben haben. Das sind Florian Holoubek am Schlagzeug, Georg Gabler am Keyboard und Zebo Adam an der zweiten Gitarre. Damit war nicht zu rechnen, das ehrt und rührt mich. Vor einem Jahr hätte ich mir das so nicht gedacht.

APA: Wie blicken Sie dem restlichen Jahr entgegen?

Wanda: Einfach schauen, was kommt und sich persönlich weiterentwickeln. Vor allem die Liebe zu dieser Welt nicht zu verlieren, egal wie schwer das im Moment scheint. Nicht hetzen, nicht verurteilen, nicht spalten. Und unbedingt zur Wahl gehen! Und schauen, dass man keine Parteien wählt, die sich durch Hass definieren und durch Ablehnung.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E – Wanda live: 19. Juli Graz, 20. Juli Burg Clam, 2. August Lustenau, 30. August Kufstein, 21. Dezember Wien; www.wandamusik.com)

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