Von: apa
Dass Übergewicht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht, ist weithin bekannt. Das Wissen, dass es sich auch gewichtig auf die Wahrscheinlichkeit, an diversen Tumorarten zu erkranken, auswirken kann, ist weniger verbreitet, erklärten Forscher am Rande einer Konferenz zum Thema “Genetische Toxikologie” in Wien. Neuere Studien zeigen nun, dass sich die Erbgutschädigung infolge von Übergewicht wieder etwas reduzieren lässt – durch Abnehmen, auch nach einer Magen-OP.
Krebsforscher warnt vor “Adipositas-Pandemie”
Rund 50 Prozent der österreichischen Bevölkerung gelten als übergewichtig, rund zehn Prozent sind stark übergewichtig bzw. adipös. Letzteres Krankheitsbild beginnt bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 und darüber. Man habe es in vielen Teilen der Welt gewissermaßen mit einer Art “Adipositas-Pandemie” zu tun und eine Umkehr des Trends sei nicht in Sicht, sagte Siegfried Knasmüller vom Zentrum für Krebsforschung der Medizinischen Universität (Meduni) Wien.
Weniger bekannt, als beispielsweise die dadurch erhöhte Gefahr, etwa einen Herzinfarkt zu erleiden oder Diabetes zu entwickeln, ist das Faktum, dass eine Reihe an Krebserkrankungen mit steigendem Körpergewicht ebenfalls zunehmen. Knasmüller: “Heute schätzt man, dass ungefähr 40 Prozent aller Krebserkrankungen durch Lifestyle und Ernährung verursacht werden.” Bei Übergewicht erhöht sich etwa die Wahrscheinlichkeit von Pankreas- und Leberkrebs vorrangig bei Männern, beispielsweise Brust- oder Uteruskrebs nimmt bei Frauen zu, u.a. die Dickdarmkrebs-Zahlen steigen bei beiden Geschlechtern in ähnlichem Ausmaß.
Chronische Mikro-Entzündung stresst
Der Mechanismus dahinter ist – sehr vereinfacht ausgedrückt -, dass das Immunsystem quasi gegen das im Übermaß vorhandene Fettgewebe ins Feld zieht. Das führt zu niederschwelligen Entzündungen in weiten Teilen des Körpers. Dadurch entstehen erbgutschädigende sogenannte “Radikale”. Treiben diese in größerer Zahl ihr Unwesen, kann das in allen Zellen enthaltene Erbgut in Mitleidenschaft gezogen werden.
Dass Mehrgewicht zu mehr DNA-Schädigung und mehr Tumoren führt, konnte in vielen Studien mit stark übergewichtigen Mäusen oder Ratten gezeigt werden. “Diese Tiere hatten in allen Organen Schäden in der Erbsubstanz. Das ist ein Schlüssel zum Krebs”, so Knasmüller: “Übergewicht per se ist ein dramatischer Krebsrisikofaktor in verschiedensten Organen.”
Was passiert nach starkem Gewichtsverlust?
Helga Stopper von der Universität Würzburg und ihr Team wollte in Studien herausfinden, ob die Erbgutschädigung bei Menschen, die viel Gewicht verlieren, auch wieder reduziert wird. Die dahinterliegende Frage ist, ob sich die Problematik überhaupt wieder ein Stück weit zurückdrehen lässt.
Das Ergebnis einer Studie mit massiv adipösen Menschen mit einem BMI von im Schnitt 51, die eine operative (bariatrische) Magenverkleinerung durchliefen, weist darauf hin, “dass jede Gewichtsabnahme schon eine Abnahme des Genomschadens bringt”, sagte Stopper im Gespräch mit der APA. Mittlerweile scheint sich in weiteren Studien die Annahme zu erhärten, dass damit auch das Krebsrisiko sinkt.
Wiener Studie zeigt Effekt auch
Eine sehr ähnliche Untersuchung hat kurz danach auch ein Team um Knasmüller am Wiener AKH bzw. der Meduni Wien durchgeführt. Mit sehr ähnlichen Ergebnissen: Sechs bis zwölf Monate nach der OP hatten die Patienten nicht nur stark an Gewicht verloren, die Hinweisgeber auf Genomschädigungen im Blut reduzierten sich ebenso. In der Wiener Studie war der Effekt sogar rascher statistisch aussagekräftig – auch weil die Teilnehmer hier etwas schneller abnahmen, wie Knasmüller ausführte.
Insgesamt verlieren Menschen nach derartigen OPs stark an Gewicht und der Effekt hält in der Regel länger an, so die beiden Experten: Ein Viertel bis ein Drittel des Körpergewichts wird oft recht rasch abgenommen. So ein Effekt lässt sich mit Lebensstiländerungen bei massiv übergewichtigen Menschen kaum erzielen. Bei Mäusen oder Ratten aber schon: Bei jenen Tieren, die viel Gewicht verloren, zeigten sich ähnliche Abnahmen der DNA-Schäden.
Auswirkungen von Abnehm-Medikamenten auf Krebs noch offen
Fragezeichen gebe es nun auch zu neuen Abnehm-Medikamenten, die in den vergangenen Jahren auf den Markt gekommen sind. Hier nehmen viele Menschen bis zu 20 Prozent ihres Körpergewichts ab, so lange das Mittel genommen wird. Ob der Effekt aber länger anhält, sei vielfach fraglich. Wie sich das längerfristig auf Erbgutschädigung und Krebsrisiko auswirkt, könne man ebenso noch nicht wissenschaftlich fundiert sagen, erklärte Stopper.
Übergewicht hin oder her, mit einer ballaststoffreichen, pflanzenreichen Ernährung, die viele Radikal-Fänger oder Antioxidantien beinhaltet, könne man nicht nur abnehmen, sondern höchstwahrscheinlich auch Erbgutschäden entgegenwirken, erklärte Knasmüller. Insgesamt wäre ein Wechsel von der modernen, hochkalorischen Ernährung mit vielen industriell gefertigten Lebensmitteln mehr in Richtung der “alten Getreideküche” von Vorteil.
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