Von: Ivd
Paris – Nachhaltigkeit und ethisches Bewusstsein sind die Schlagworte unserer Zeit. Besonders die herkömmliche Fleischproduktion in Massentierhaltung gerät dabei unter Beschuss: Ganze 15 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen werden ihr laut Umweltbundesamt zugeschrieben. Dazu kommen laut WWF etwa vier Milliarden Hektar Weide- und Ackerland, die den Tieren als Nahrung dient. Das sind etwa 80 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche.
Im DACH-Raum und darüber hinaus bahnt sich daher eine revolutionäre Veränderung an: Laborgezüchtetes Fleisch und Insekten als Alternative zum Fleisch vom Tier. Aber sind diese Alternativen wirklich die Lösung für all unsere ökologischen und ethischen Probleme? Wir bringen euch die beiden Konzepte ein bisschen näher
Gänsestopfleber ohne Tierleid
Das französische Start-up Gourmey aus Paris hat vor wenigen Tagen als erstes Unternehmen in der EU eine Vorabzulassung für im Labor gezüchtete Gänsestopfleber beantragt – sogenanntes In-vitro Fleisch. Bereits vor einigen Jahren berichteten erste Tester, dass sich kein geschmacklicher Unterschied zwischen dem gezüchteten und dem natürlich gewachsenen Produkt feststellen lässt.
CEO Nicolas Morin-Forest ist optimistisch: „Das Premium-Segment steht immer an der Spitze der Lebensmittelinnovationen.“ Gourmeys zellbasierte Entenprodukte werden aus Entenzellen in einer tierfreien Nährlösung hergestellt und sollen nicht nur ethisch vertretbar, sondern auch für Vegetarier und Veganer attraktiv sein. Zur Herstellung wird nämlich erstmals kein fetales Tierserum verwendet – ein Serum, das ungeborenen Tieren zur Zellkultivierung bislang entnommen wurde.
Insekten: Kleine Krabbler, große Zukunft?
Eine weitere erfolgversprechendes und umweltfreundliches Konzept sind Insekten. In weiten Teilen der Welt gehören Insekten längst zum Speiseplan. Auch in der EU sind seit 2021 Lebensmittel aus Insekten zugelassen. In Deutschland sind Mehlwürmer, Heuschrecken, Grillen und Büffelwürmer nun als Burger, Müsliriegel oder Nudeln erhältlich. „Insekten benötigen weniger Fläche, Energie und Wasser als traditionelle Fleischproduktion“, erklärt Prof. Dr. Guido Ritter von der Fachhochschule Münster.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Insekten sind proteinreich, enthalten wertvolle ungesättigte Fettsäuren und haben einen kleineren ökologischen Fußabdruck. Während Rinder etwa acht Kilogramm Futter benötigen, um ein Kilogramm Fleisch aufzubauen, schaffen Insekten dies mit nur zwei Kilogramm. Zudem stoßen sie keine Treibhausgase aus und leben auch in der Natur auf engem Raum zusammen, was sie unempfindlicher gegenüber Massentierhaltung macht. Außerdem benötigen sie nur einen Bruchteil der Fläche, die für eine Kuhherde nötig wäre.
Herausforderungen und gesellschaftliche Akzeptanz
Dennoch sind insektenbasierte Lebensmittel nicht unumstritten. Die Verbraucherzentrale bemängelt, dass viele Produkte lange Zutatenlisten und einen hohen Zucker- und Salzgehalt aufweisen. Auch der Preis ist ein Thema. „Insekten sollten nicht als billige Alternative zu tierischen Proteinen verstanden werden“, mahnt Ritter. Zudem sind die krabbelnden Proteinquellen zwar in weiten Teilen der Welt gängig, aber bislang wenig erforscht. Man weiß also noch nicht genau, welche Mengen von welchen Tieren sich empfehlen.
Trotz der vielversprechenden Vorteile von Laborfleisch gibt es auch dabei einige Bedenken und Nachteile. Einer der größten Kritikpunkte ist der hohe Produktionsaufwand, der teure und komplexe Technologien erfordert. Dabei entstehen hohen Kosten, die derzeit nicht mit herkömmlichem Fleisch konkurrieren können. Zudem sind die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen von In-vitro Fleisch noch nicht ausreichend erforscht, was bei Verbrauchern zu Unsicherheit führen kann. Schließlich gibt es auch ökologische Fragen, da die Energieintensität der Produktion und die Nachhaltigkeit der verwendeten Ressourcen kritisch betrachtet werden müssen.
Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist in beiden Fällen noch ein Hürdenlauf. Zwar stehen jüngere Menschen, Insekten und Laborfleisch als Nahrungsmittel allgemein offener gegenüber, doch der „Ekelfaktor“ und die Abneigung gegen künstlich hergestellte Lebensmittel bleiben eine Herausforderung. Ritter betont: „Ernährung ist Gewohnheitssache.“ Ein geschickter Umgang mit Medienberichten und der Fokus auf den Geschmack könnten helfen, Vorurteile abzubauen. Ritter meint, dass man die Tiere einfach in Mehl einlegen und frittieren soll, dann schmecke schließlich alles. Der Geschmack von Insekten wird allgemein als nussig beschrieben.
Ausblick
Die Zukunft des Fleischkonsums könnte vielfältiger und nachhaltiger sein, als wir bis vor Kurzem noch geahnt hätten. In-vitro Fleisch hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt und auch die Forschung nach gesundheitlichen Folgen gibt immer grüneres Licht. Insekten sind bereits in weiten Teilen der Welt ein wichtiger Bestandteil der Ernährung, rufen aber in westlichen Ländern häufig Ekel hervor. Am Ende können beide Konzepte dazu beitragen, ethische und ökologische Probleme zu lösen und gleichzeitig ausgewogen zu leben. Würdet ihr euch auf das Experiment einlassen und Insekten oder Laborfleisch probieren?
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