Von: Ivd
Lissabon – Unser Gehirn ist ein Meisterwerk der Anpassungsfähigkeit, nicht nur in der Gegenwart, sondern auch, wenn es darum geht, uns auf die Zukunft vorzubereiten. Statt nur ein einziges Zukunftsszenario zu berechnen, erstellt unser Gehirn mehrere unterschiedliche Optionen möglicher Zukünfte, die je nach Situation angepasst werden. Diese Strategie hilft uns dabei, bessere Entscheidungen zu treffen.
Eine kürzlich im Nature-Journal veröffentlichte Studie, geführt vom Champalimaud Centre for the Unknown in Lissabon, wirft einen neuen Blick auf den Anpassungsprozess des Gehirns. Das Gehirn wird nicht als Rechenmaschine betrachtet, die lediglich eine Durchschnittslösung für die Zukunft berechnet. Stattdessen konstruiert es gleichzeitig eine Vielzahl von Szenarien – die Pläne A bis Z praktisch gleich mitgedacht – und wählt dann das geeignetste Szenario je nach den aktuellen Umständen aus.
Mäuseexperiment gibt Aufschluss
Um ihre Theorie zu testen, führten die Forscher unter der Leitung von Joe Paton, einem Hirnforscher an dem Institut in Lissabon, ein Experiment mit Mäusen durch. Den Tieren wurden verschiedene Gerüche präsentiert, die sie mit Belohnungen verknüpfen mussten, die entweder sofort oder später verfügbar waren.
Die Ergebnisse waren verblüffend: Verschiedene Neuronen im Gehirn der Tiere reagierten auf unterschiedliche Arten der Belohnung. Einige Neuronen waren ungeduldiger und bevorzugten sofortige Belohnungen, während andere auf längerfristige Belohnungen setzten.
Doch noch faszinierender war die Erkenntnis, dass das Gehirn nicht nur unterschiedliche Reaktionen auf Belohnungen hatte, sondern auch unterschiedlich optimistisch oder pessimistisch war. Einige Neuronen erwarteten größere Belohnungen und reagierten weniger auf Enttäuschungen, während andere eher vorsichtig agierten und Enttäuschungen stärker beachteten.
Die Theorie der “vielfältigen Zukunftsplanung”
Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass unser Gehirn in der Lage ist, die Karten für verschiedene Zukunftsszenarien gleichzeitig zu erstellen und diese flexibel an die Umstände anzupassen. Dieser Mechanismus könnte nicht nur unser Verhalten erklären, sondern auch Parallelen zu modernen KI-Technologien aufweisen. Denn auch in der Entwicklung von künstlicher Intelligenz wird inzwischen versucht, diese Art von mehrdimensionaler Vorhersage zu integrieren.
Diese Erkenntnisse könnten nicht nur die Funktionsweise des menschlichen Gehirns besser erklären, sondern auch die Entwicklung von Maschinen vorantreiben, die sich in unsicheren und komplexen Umfeldern genauso geschickt zurechtfinden wie wir. Der Ansatz, verschiedene Zukunftsmodelle gleichzeitig zu entwickeln und diese bei Bedarf anzupassen, könnte eine Schlüsselstrategie für die Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen sein.
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