Manchmal sollte man über den eigenen Schatten springen

Warum Alleinsein manchmal wichtig ist

Mittwoch, 20. September 2017 | 07:37 Uhr

Bozen – Wahrscheinlich kennt ihr das Gefühl: Obwohl es diesen neuen Film im Kino gibt, den man unbedingt sehen möchte, hat niemand Zeit, mitzukommen. Viele Menschen scheuen sich vor dem Kauf des Einzelticket. Doch es gibt gute Gründe dafür, um über den eigenen Schatten zu springen.

„Wenn man mal allein unterwegs ist, muss man sich keineswegs einsam fühlen. Natürlich braucht man manchmal wirklich andere Menschen, aber im Kino, Tanzkurs oder im Restaurant kann man auch gut allein klar kommen und Spaß mit sich selbst haben“, erklärt Sonia Lippke, Professorin für Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin an der Bremer Jacobs University laut einem Bericht von ze:tt.

Obwohl es zunächst vielleicht nicht so angenehm ist, die eigene Komfortzone zu verlassen, gewinnt man bei Unternehmungen im Alltag ein Stück Unabhängigkeit zurück. Vor allem wenn man sonst überwiegend in der Gruppe oder mit dem Partner unterwegs ist, ist es am Anfang nicht so einfach.

Überwindet man die Scham und verzichtet bewusst auf Gesellschaft, ist es empfehlenswert, an das Gefühl danach zu denken. Man hat Ängste hinter sich gelassen und Vertrauen in sich selbst aufgebaut.

„Menschen werden viel selbstbewusster, wenn sie allein unterwegs sind. Sie kennen sich selbst besser und wissen, wie sie sich bei Problemen helfen können”, bestätigt auch die Theologin und Buchautorin Dorothee Boss aus Aachen. Für sie ist Alleinsein Arbeit an der eigenen Persönlichkeit.

Bewusstes Alleinsein habe viel mit Selbstpflege zu tun, die Kraft spende – nicht nur im Alltag, sondern auch in Krisensituationen. „Wenn man bestimmte Dinge ganz allein unternimmt, muss man keine Kompromisse eingehen, man kann das tun, worauf man Lust hat, sich selbst fühlen und gleichzeitig weiterentwickeln“, betont Boss.

Wer Zeit allein verbringen will, sollte sich aber nicht unbedingt mit Smartphone, Laptop oder Fernseher Ersatz für Gesellschaft schaffen. Wenn man mal allein ist, sollte man das auch akzeptieren und vor allem genießen können, erklären die Experten.

Das bedeutet auch, dass man auch Mal einige Stunden auf Facebook, Twitter oder am Handy nicht erreichbar ist, um sich auf eine Sache zu konzentrieren.

Laut Karl-Heinz Ladwig, Psychotherapeut und Professor für Psychosomatische Medizin im Münchner Helmholtz Zentrum, ist für viele ein Dinner allein in einem Restaurant deshalb ein Problem, weil man Angst davor hat, dem Gespött anderer ausgesetzt zu sein, die in Begleitung da sind. Wenn man aber die Situation objektiv betrachte, erkenne man schnell, dass es andere im Restaurant herzlich wenig interessiert, ob sich jemand allein dort aufhält.

Ladwig rät dazu, das Alleinsein nie unreflektiert zu erproben, sondern bewusst darüber nachdenken.

Für Franziska Muri, Lektorin und Autorin des Buches „21 Gründe, das Alleinsein zu lieben“, bietet das Alleinsein Chancen auf Freiheit, etwas wirklich ganz so zu tun, wie und wann man es möchte. Das gelte etwa auch fürs Reisen. Zudem schulen diese persönlichen Auszeiten auch die Aufmerksamkeit für die kleinen Dinge im Alltag, die man dann bewusster wahrnimmt und genießt.

Letztendlich steht aber fest: Nur, wer sich selbst ausprobiert, findet heraus, was Alleinsein bedeuten kann und wie man die eigene Balance aus Gesellschaft und Alleinsein für sich schafft.

Verlagsgruppe Random House

Von: mk