Von: idr
Bozen – Kerzenschein statt elektrischer Lichterketten, selbst gebackene Kekse statt Schokoweihnachtsmänner und Bräuche, die ihre Wurzeln teils in vorchristlicher Zeit haben – so sah Weihnachten in Südtirol früher aus. Viele dieser Traditionen haben sich bis heute erhalten, auch wenn sich manches gewandelt hat.
Der Advent begann in früheren Zeiten nicht mit Shoppingtouren, sondern mit stiller Vorbereitung. Familien banden ihre Adventskränze selbst aus Tannenreisig, Weinreben oder Weißtannenzweigen. Besonders war die Farbgestaltung der Kerzen: Drei sollten violett sein – die liturgische Farbe des Advents – und eine rosa für den dritten Adventssonntag, den sogenannten Freudensonntag. Diese Tradition ist vielerorts in Vergessenheit geraten, wurde früher aber streng eingehalten.
Traditionen in Küche und Stube
In den Bauernhöfen duftete es wochenlang nach Zimt, Honig und Vanille. Weihnachtskekse zu backen hatte ursprünglich einen ernsten Hintergrund. In vorchristlichen Zeiten backten die Menschen zur Wintersonnenwende am 21./22. Dezember sogenannte Opferbrote, um Dämonen zu vertreiben. Als dieser Brauch ins christliche Weihnachtsfest überging, entstand daraus über Jahrhunderte der Christstollen – allerdings nur für jene, die sich teure Zutaten wie Trockenfrüchte leisten konnten.
Die ärmeren Bauern behalfen sich mit einfachen Keksen aus Mehl, Zucker und Butter. Besonders beliebt waren Spitzbuben und Vanillekipferl. Daneben backten die Südtiroler das traditionelle Zelten, ein Früchtebrot aus Hefe, Roggenmehl, Rosinen, Nüssen, Muskatnuss, Zitronat, Orangeat, Rum und Honig.
Der Christbaum wurde nach Bauernart geschmückt: mit roten Bändern und Fäden, an denen rote Äpfel hingen, dazu Strohsterne, Holzanhänger und selbstverständlich echte Kerzen. Erst an Heiligabend wurde der Baum angezündet.
Raunächte und Wintergeister
Besonders mystisch waren die Raunächte, jene zwölf langen Winternächte zwischen Weihnachten und Dreikönig. Der Volksglaube besagte, dass in diesen Nächten die Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits besonders durchlässig waren und sich Wintergeister unter die Lebenden mischten. Die bäuerliche Bevölkerung hielt sich deshalb streng an Schutzrituale.
Das Wichtigste war das Räuchern: Der Hausvater ging mit dem Räuchergefäß, gefüllt mit Weihrauch und traditionellen Räucherkräutern wie Salbei, durch alle Räume, den Stall und die Scheune. Die warme Glut vom Holzofen erzeugte den wohlriechenden Rauch, der jeden Winkel reinigen und Haus, Mensch und Tier vor Unheil schützen sollte. Die Familie folgte mit Weihwasser und Zweigen. Früher galt es als ratsam, in diesen Nächten den Stall zu meiden – man glaubte, die Tiere könnten sprechen.
Weihnachten im Sarntal
Ein besonders urtümlicher Brauch hat sich bis heute im Sarntal erhalten: das Klöckeln. An den drei Donnerstagabenden vor der Wintersonnenwende ziehen vermummte Männer mit handgefertigten Masken, Glocken und Bockhorntuten von Haus zu Haus. Sie machen gewaltigen Lärm, singen das traditionelle Klöckellied und bitten um Gaben – früher Speck und Würste, heute oft Geld für wohltätige Zwecke. Zwei Männer sind als Ehepaar verkleidet – die sogenannten Zussler.
Der Brauch ist seit dem 16. Jahrhundert nachweisbar und vermutlich vorchristlichen Ursprungs. Man vermutet Verbindungen zu germanischen Fruchtbarkeitsriten – die Zaubersprüche und der Lärm sollten Wintergeister vertreiben und eine gute Ernte sichern. Ein alter Sarner Glaube besagt: Je mehr Gruppen am Klöckeln teilnehmen, desto besser gedeiht das Korn im nächsten Jahr.
Die Weihnachtszeit früher war geprägt von Entschleunigung, Gemeinschaft und der Auseinandersetzung mit uralten Traditionen, die christliche und heidnische Elemente verbanden. Viele dieser Bräuche haben sich über die Jahre gewandelt oder sind in Vergessenheit geraten, doch sie sind immer noch in der Südtiroler Seele verankert. Welche Traditionen kennt ihr noch? Schreibt es in die Kommentare!




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