Von: mk
Bozen – Konventionell bzw. integriert erzeugte Äpfel weisen in den meisten Fällen Rückstände von mehreren Pestiziden auf. Dies ist das Ergebnis eines Pestizid-Tests der Verbraucherzentrale Südtirol. Auch wenn die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden, fordert die VZS weitere Schritte zur Verringerung der Pestizidbelastung.
Die Verbraucherzentrale Südtirol hat zwischen Ende September und Ende November 2018 insgesamt 20 Proben von Tafeläpfeln und sechs Proben von Apfelsäften in verschiedenen Supermärkten und Geschäften im Raum Bozen eingekauft. Gut ein Drittel der Proben, sieben (von 20) bei den Äpfeln und zwei (von sechs) bei den Apfelsäften, stammten aus biologischer Landwirtschaft. Laut den Angaben zu den einzelnen Produkten (Etikette, Schild am Verkaufsregal oder Aufkleber auf den Früchten) handelte es sich bei 16 Apfelproben um Äpfel aus Südtirol. Für vier Apfelproben wurde als Herkunftsort Italien – ohne nähere Angaben – angegeben. Vier der gekauften Apfelsäfte wurden aus Südtiroler Äpfeln hergestellt, auf zwei Säften fanden sich keine Angaben zur Herkunft der verwendeten Äpfel.
Die Proben wurden von einem akkreditierten Labor auf Pestizidrückstände hin untersucht. Mit der Pestizid-Mehrfachmethode lässt sich ein breites Spektrum an verschiedenen Pestiziden und deren Abbauprodukten nachweisen, konkret wurde nach knapp 280 Wirkstoffen gesucht.
Gute und weniger gute Nachrichten
Die gute Nachricht zuerst: Frei von Pestizidrückständen waren alle untersuchten Apfelsaftproben, sechs Apfelproben aus biologischem Anbau und eine Apfelprobe aus konventioneller bzw. integrierter Produktion. Dagegen wurden in zwölf Apfelproben aus konventioneller bzw. integrierter Produktion und in einer Bio-Apfelprobe Rückstände von Pestiziden, wenn auch deutlich unterhalb der zulässigen Höchstwerte, nachgewiesen.
Bis zu fünf Wirkstoffe in einer Probe
Bei der Mehrzahl der Proben handelt es sich um so genannte Mehrfachrückstände, also Rückstände von mehr als einem Wirkstoff pro Probe: bis zu fünf verschiedene Wirkstoffe wurden in den einzelnen Proben gefunden. Dabei handelt es sich um zehn verschiedene Substanzen, davon vier Insektizide (Acetamiprid, Etofenprox, Indoxacarb, Methoxyfenozid) und sechs Fungizide (Boscalid, Captan und dessen Abbauprodukt THPI, Dodin, Fluazinam, Fludioxonil und Pyrimethanyl). Am häufigsten wurde das Fungizid Captan gefunden (in zehn Proben), am zweithäufigsten das Fungizid Dodin (in acht Proben), es folgen Boscalid und Fludioxonil (in je vier Proben). Alle nachgewiesenen Wirkstoffe sind laut den Agrios-Richtlinien 2018 für den integrierten Obstanbau in Südtirol zugelassen.
Grenzwerte werden eingehalten
Der Vergleich mit den in der EU für Äpfel zulässigen Rückstandshöchstwerten zeigt, dass die nachgewiesenen Wirkstoffe nur in sehr geringen Konzentrationen in den Proben enthalten sind. Die nachgewiesenen Konzentrationen erreichen in einem Fall (Indoxacarb) 12 Prozent des zulässigen Höchstwertes, in allen anderen Fällen bleiben die gefundenen Mengen unterhalb von 10 Prozent des zulässigen Höchstwertes.
In einer Bio-Apfelprobe wurden Rückstände von Captan nachgewiesen, obwohl chemisch-synthetische Pestizide in der biologischen Landwirtschaft nicht zum Einsatz kommen dürfen. Hier wäre zu klären, ob gegen die gesetzlichen Regelungen verstoßen wurde oder ob die Rückstände durch Abdrift verursacht wurden. Die Verbraucherzentrale hat die zuständige Obstgenossenschaft informiert und die Rückstellprobe für weitere Analysen zur Verfügung gestellt.
Pestizide sind nicht harmlos
Trotz der geringen Konzentrationen der Pestizidrückstände will und kann die Verbraucherzentrale Südtirol keine Entwarnung geben. „Neun der zehn nachgewiesenen Pestizide scheinen auf der Schwarzen Liste der Pestizide (2016) von Greenpeace auf und werden als besonders gefährlich eingestuft“, erläutert Silke Raffeiner, Ernährungswissenschaftlerin bei der VZS. „Vier der Wirkstoffe sind toxisch für die Umwelt, also für Algen, Wirbellose, Fische, Bienen oder andere Nützlinge. Captan kann vermutlich Krebs erzeugen, auf der Etikette findet sich der entsprechende Gefahrenhinweis H351.“
Nach wie vor ist nicht bekannt, wie sich Mehrfachrückstände, also Rückstände von mehreren Wirkstoffen in einer Probe, auf die menschliche Gesundheit oder auf andere Organismen auswirken. „Auch wenn die Konzentration eines jeden einzelnen Wirkstoffes unterhalb der jeweiligen zugelassenen Höchstmenge liegt, kann eine mögliche Potenzierung der Wirkung im Gemisch und damit ein gesundheitliches und ökologisches Risiko nicht ausgeschlossen werden“, stellt Walther Andreaus, Geschäftsführer der VZS, klar. Er fordert: „Solange die Auswirkungen von Pestizid-Cocktails nicht klar sind, müssen deutlich mehr Anstrengungen als bisher unternommen werden, um die Pestizidbelastung für Mensch und Umwelt zu reduzieren.“