Von: luk
Bozen – Der Vorsitzende des Autonomen Südtiroler Gewerkschaftsbundes (ASGB), Tony Tschenett, und der Sekretär der Fachgewerkschaft Gesundheitswesen im ASGB, Andreas Dorigoni, warnen vor einem Kollaps des Südtiroler Gesundheitssystems. Schönfärbereien seien nicht mehr angebracht.
Die beiden Gewerkschafter sind von vielen geimpften Pflegekräften kontaktiert worden, die ein düsteres Bild der Lage in den Krankenhäusern zeichnen: „Während von den Führungskräften in Dauerschleife das Mantra, die Situation in den Spitälern und im Territorium sei unter Kontrolle, wiederholt wird, sieht die Situation aus der Warte der Pflegekräfte komplett anders aus. Es ist nicht nur der Fall, dass diese die suspendierten Arbeitskollegen ersetzen müssen, auch andere Umstände machen ihnen derzeit zu schaffen. Covid-19-Patienten werden in den Abteilungen ziellos hin- und hergeschoben, auf Ärzte wird Druck ausgeübt, sie sollten schnellstmöglich Patienten mit anderen Pathologien als Covid-19 nach Hause schicken, um Betten freizumachen, und die Pflegekräfte selbst wissen oft bis am Abend nicht, wie ihr Pflegeplan am nächsten Tag aussieht.“
Das größte Problem sei die Planlosigkeit der zuständigen Stellen: „Wie viele Pfleger werden noch suspendiert? Muss man Abteilungen schließen? Wie sieht meine Schicht aus? Auf all diese Fragen antworten die Verantwortungsträger erst unmittelbar, sobald die Situation eintritt und verstärken somit die Stresssituation für die Bediensteten zusätzlich. Ein geregeltes Familienleben ist für die Pfleger aktuell sowieso nicht mehr drin und bei Beschwerden wird – wie effektiv geschehen – ein lapidares ‚Ihr könnt ja gehen!‘ zur Antwort gegeben. Zudem ist bislang immer noch ungeklärt, wie man heuer bei geöffneten Skipisten die Verletzten versorgen will, oder ob für die geplanten Testungen von Nichtgeimpften für den Green Pass weiteres Personal abgezogen wird. Dies ist kein Umgang mit dem Personal. Aber auch die Patienten werden im Stich gelassen. Die Wartezeiten für Visiten haben schon lange ein erträgliches Maß überschritten und viele Dienste sind in einigen Strukturen gar nicht mehr vormerkbar“, so Tschenett und Dorigoni unisono.
„Angesichts dieser Umstände fordern wir ein Aufwachen der Verantwortlichen. In erster Linie müssen mittelfristige Pläne geschmiedet werden, die für das Personal gelten und diesem auch die Planbarkeit des Privatlebens ermöglichen. Genauso wichtig ist es aber, dass über eine spürbare Aufwertung des Pflegeberufes gesprochen wird. Eine angemessene Lohnerhöhung für die Betroffenen ist unabdingbar, um eine wahrscheinliche Kündigungswelle zu verhindern und die Qualität des Südtiroler Sanitätssystems, welche letzthin arg gelitten hat, weiter zu garantieren. Sollte auf diese Forderungen nicht reagiert werden, behalten wir uns in allerletzter Konsequenz auch den Ausruf eines Streiks vor“, so Tschenett und Dorigoni.