Von: luk
Bozen – Als verzweifelten Versuch für die öffentliche Delegation die Kohlen aus dem Feuer zu holen, wertet Tony Tschenett, Vorsitzender des Autonomen Südtiroler Gewerkschaftsbundes (ASGB), den Vorwurf des Generaldirektors Alexander Steiner, die Gewerkschaften hätten das Maßnahmenpaket des Landes nicht quittiert.
„Der Volksmund sagt: Angriff ist die beste Verteidigung. Diesem Gedankengebäude scheint Steiner wohl zu folgen, wenn er den Gewerkschaften anlässlich des Abbruchs der Verhandlungen für den bereichsübergreifenden Vertrag vorwirft, sie wären am Status quo schuld. Fakt ist, dass das Maßnahmenpaket der öffentlichen Delegation nicht annehmbar war. Das Maßnahmenpaket folgt nämlich nicht nur in der Art und Weise, möglichst wenig Leistungen an das Gehalt zu koppeln, dem nationalen Usus, sondern hält sich auch wirtschaftlich an nationale Indikatoren. Ein Beispiel: als Grundlage für die Anpassung der Gehälter im Dreijahreszeitraum 2019-2021 wurde der Verbraucherpreisindex ‚IPCA‘ herangezogen, dessen Inflationsberechnung keinesfalls der lokalen Realität entspricht. Ich frage mich, warum als Berechnungsgrundlage nicht die effektive lokale Inflation, die in regelmäßigen Abständen vom ASTAT für Bozen ausgerechnet wird, herangezogen wird. Damit kämen wir auf andere Prozentsätze, als auf die angebotenen 4,1 Prozent im Dreijahreszeitraum, die der effektiven Inflation überhaupt nicht Rechnung tragen“, kritisiert Tschenett, der anmerkt, dass das Landesgesetz vom 19. Mai 2015, Nr. 6 unter Artikel 4, Absatz 6, Buchstabe a folgendes vorsieht: „Bei der Erneuerung der Verträge und der Festlegung der Entlohnung werden folgende grundsätzliche Aspekte berücksichtigt: der Schutz der Kaufkraft der Gehälter, unter Berücksichtigung der allgemeinen Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes sowie der grundlegenden Bestimmungen der wirtschaftlich–sozialen Reformen.“
Wenn das Land also, so Tschenett, seine eigenen gesetzlichen Bestimmungen einhalten wolle, und nicht blindlings dem nationalen Trend folgen wolle, dann müsse es einen erlittenen Kaufkraftverlust auch angemessen kompensieren. Während in der Privatwirtschaft Abschlüsse von territorialen Zusatzverträgen gefordert werden, um die geringere Kaufkraft in Südtirol den nationalen Standards anzupassen, gehe das Land den entgegengesetzten Weg, nämlich jenen, die Kaufkraft zu schwächen, indem nationale Standards angewandt werden. Dieses unverständliche Vorgehen würde nicht nur einen bitteren Beigeschmack hinterlassen, sondern sei absolut nicht nachvollziehbar.
Bezüglich des Vorschlages, flächendeckend im öffentlichen Dienst Essensgutscheine für sieben Euro täglich einzuführen, zeigt Tschenett eine ablehnende Haltung: „Einerseits wird den Bediensteten suggeriert, sie hätten im Monat damit Netto 140 Euro mehr in der Tasche, was nicht stimmt, da es bereits – wenn auch geringer bezifferte – Essensgutscheine gibt, andererseits wollen die Leute das Geld auf dem Lohnzettel haben, auch weil sich dies dann rentenmäßig rechnet. Vor allem aber ist diese Maßnahme höchst ungerecht, weil viele öffentlich Bedienstete, die in Teilzeit arbeiten – vor allem Frauen, von dieser Maßnahme nicht profitieren würden, da sie aufgrund ihres reduzierten Stundenplans kraft Gesetz kein Anrecht auf Essensgutscheine haben. Und Herr Steiner selbst wird wohl von höher bezifferten Essensgutscheinen nicht abhängig sein, konnte er doch eine Gehaltserhöhung von 60.000 Euro im Vergleich zu seinem Amtsvorgänger erwirken“.
Ein negatives Zeugnis stellt Tschenett auch dem Plan, stärker auf Leistungsprämien zu setzen, aus. Es gelte zu bedenken, dass damit Freunderlwirtschaft gefördert werde und weniger beliebten Mitarbeitern, auch bei angemessener Leistung, keine Prämie gewährt werden könnte.
Über die weiteren Vorschläge – so der ASGB-Chef – könne man durchaus diskutieren. Aber erst, nachdem über effektive Lohnerhöhungen gesprochen worden ist – und diese verbindlich festgeschrieben werden.