Eurac Research hat Entwicklungsplan für das Val di Seren im Belluno

Aussterbende Bergtäler: Mit Landwirtschaft einen Neuanfang machen

Freitag, 07. April 2017 | 16:18 Uhr

Bozen – „Früher waren wir hier im Tal an die zweitausend Menschen, kaum eine Familie hatte weniger als fünf Kinder. Man lebte von dem, was der Boden hergab, hielt Vieh. Jetzt sind nur noch ein paar Alte übrig, und der Wald hat sich die Hänge zurückgeholt.“ So fasst Maria, eine der wenigen Bewohnerinnen des Val di Seren, eine Veränderung zusammen, die exemplarisch ist für viele abgelegene Alpentäler: Niedergang der Bauernwirtschaft, Entsiedelung. Diese Entwicklung umzukehren und wieder Leben ins Val di Seren zu bringen ist Ziel einer Strategie, die die Regionalentwicklungsexperten von Eurac Research im Auftrag der Stiftung Val di Seren entwarfen. In enger Zusammenarbeit mit den Menschen im Tal entwickelt, setzt der Plan vor allem auf eine Reaktivierung der Landwirtschaft. Am Samstag wird er im Beisein von Giuseppe Pan, Assessor für Landwirtschaft der Region Venetien, in Seren del Grappa vorgestellt. Bei dieser Gelegenheit wird auch der Versuchsweinberg in Col dei Bof eingeweiht, eines der ersten umgesetzten Projekte der Strategie.

Die Geschichte beginnt fast zufällig, mit einem Fußpfleger aus Bozen, der in Seren del Grappa ein Haus erwirbt; ihr vorläufiger Endpunkt ist ein Entwicklungsplan für das gesamte Tal. Der Fußpfleger Oskar Unterfrauner wollte die Entvölkerung des Gebiets nämlich nicht als unumkehrbar hinnehmen: Um neue Wege für ein Leben am Berg zu erproben, gründete er die „Fondazione Val di Seren“. Die Stiftung , deren Präsident Unterfrauner heute ist, zog die Regionalentwicklungsexperten von Eurac Research zu Rat und gemeinsam mit den Talbewohnern erarbeiteten die Forscher einen Plan.

„Die Menschen im Tal sind die wahren Protagonisten des Wandels. Wir haben ihre Beteiligung angeregt und versucht, ein Klima des Vertrauens zu schaffen, in dem wir gut zusammenarbeiten konnten“, erklärt die Forscherin Federica Maino von Eurac Research. In Workshops, Arbeitsgruppen, Diskussionsrunden und auf Besichtigungstouren machten die Forscher sich ein Bild von den Bedürfnissen der Bevölkerung und sammelten Vorschläge. So entstand ein mittel- und langfristiger Plan, der die wirtschaftliche Entwicklung fördern und damit wieder Menschen ins Tal bringen soll.

„Mit Hilfe der Forscher haben wir erkannt, dass der wichtigste Weg über die Landwirtschaft führt“, erklärt Andrea Bona, Architekt und Stiftungsmitglied. „Wenn wir die Wiesen nicht mähen, es uns nicht gelingt, das Vordringen des Waldes zu bremsen und die Straßen instand zu halten, dann ist es auch nicht möglich, die Orte wieder zu beleben.“ Um den Wald zugunsten landwirtschaftlicher Nutzung zurückzudrängen, entstand die Idee, einen Versuchsweinberg mit kälte- und krankheitsresistenten Rebsorten anzulegen. „Mit diesen Sorten könnte es möglich sein, aufgegebene Flächen zurückzugewinnen. Wenn es uns gelingt, gute Weine zu produzieren, könnten wir den Anbau auf andere Gebiete bei Feltre und Belluno ausweiten“, erklärt Marco de Bacco, der den Weinberg pflegt.

Neben dem Versuchsweinberg wurden auch andere konkrete Initiativen schon umgesetzt, etwa die Restaurierung des Hauses, in dem die Stiftung ihren Sitz hat, ein Webmarketingkurs für lokale Betriebe und ein „Bergfestival“, an dem sowohl Experten teilnahmen wie auch Menschen, für die die Rückkehr in die Berge eine bewusste Lebensentscheidung darstellt.

Die nächsten Ziele sind schon gesteckt. Nach dem Konzept der „ospitalità diffusa“ will man durch Renovierung und Vernetzung verlassener Häuser Übernachtungsmöglichkeiten schaffen, eine Neuordnung des Grundbesitzes soll zerstückelte und verstreute Grundstücke zusammenlegen. Auch eine Genossenschaft der Talbewohner ist geplant.

Der Strategieplan wird am Samstag, 8. April um 11.30 in Seren del Grappa vorgestellt (Sala degli Alpini – Pian della Chiesa), nach Einweihung des Versuchsweinbergs in Col dei Bof (10.30).

Von: mk

Bezirk: Bozen