An der Führungsspitze tobt ein Richtungsstreit

Chef-Karussell bei ChatGPT-Entwicklerfirma OpenAI dreht sich

Montag, 20. November 2023 | 14:35 Uhr

Von: APA/dpa/Reuters

Wenige Tage nach seinem überraschenden Rauswurf bei OpenAI hat der Ex-Chef des ChatGPT-Machers einen neuen Job gefunden. Sam Altman werde künftig bei Microsoft ein Team zur Entwicklung Künstlicher Intelligenz leiten, teilte der Chef des US-Softwarekonzerns, Satya Nadella, auf dem Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter, mit. Parallel dazu kündigte der frisch gekürte OpenAI-Interimschef Emmett Shear eine unabhängige Untersuchung der turbulenten Vorgänge vom Wochenende an.

Die überraschende Freistellung von Altman von seinen Aufgaben bei OpenAI am Freitag hatte neben Verwirrung über die Beweggründe auch große Sorgen über die Zukunft des KI-Spezialisten ausgelöst. Einige Investoren und Beschäftigte hatten am Wochenende versucht, dem 38-Jährigen eine Rückkehr auf den Chefsessel zu ermöglichen. Sie befürchteten einen Massen-Exodus von Mitarbeitern und eine Beeinträchtigung des geplanten Verkaufs von Aktienanteilen, bei dem eine Unternehmensbewertung von 86 Mrd. Dollar (79 Mrd. Euro) angepeilt wurde.

Das Unternehmen habe eine mangelnde Kommunikation mit dem Verwaltungsrat als Grund für Altmans Entlassung genannt. Pflichtverletzungen finanzieller oder sicherheitsrelevanter Art habe es nicht gegeben. Sein Nachfolger Shear betonte, in der Frage der Sicherheit leistungsstarker KI-Modelle seien die Parteien einer Meinung gewesen. Die Vorgänge müssten dennoch aufgearbeitet werden. “Der Prozess und die Kommunikation rund um Sams Absetzung wurde sehr schlecht gehandhabt”, schrieb er auf X. Dadurch sei das Vertrauen in OpenAI beschädigt worden. Abhängig vom Ausgang der geplanten Untersuchung stellte er einen Umbau der Firma in Aussicht.

Verwaltungsratschef und OpenAI-Mitgründer Greg Brockman hatte wegen des Altman-Rauswurfs am Freitag hingeworfen. Er geht Nadella zufolge ebenfalls zu Microsoft. Auch einige hochrangige Entwickler reichten inzwischen ihre Kündigung ein. Medienberichten zufolge hätten Dutzende weitere Beschäftigte ähnliche Schritte angekündigt.

Am Sonntag hatte Altman ein Bild von sich mit einem Besucherausweis von OpenAI auf X gepostet. “Das ist das erste und letzte Mal, dass ich so etwas tragen werde”, schrieb er dazu. Am Montag kommentierte er Nadellas Ankündigung des Wechsels mit den Worten: “Die Mission geht weiter.” Der Microsoft-Aktie gab die Personalie Rückenwind. Sie stieg im vorbörslichen US-Geschäft zeitweise um 2,4 Prozent auf ein Rekordhoch von 378,82 Dollar.

Altman gilt als das menschliche Gesicht der sogenannten Generativen Künstlichen Intelligenz (KI), die menschliche Kommunikation simulieren und auf Basis weniger Stichworte komplette Texte, Videos oder Bilder generieren kann. Vor knapp zwei Wochen hatte Altman noch die erste Entwicklerkonferenz des Unternehmens geleitet. Der OpenAI-Mitgründer genießt darüber hinaus den Ruf eines Meisters der Geldbeschaffung. So hatte er fast im Alleingang Microsoft-Chef Nadella davon überzeugt, zehn Milliarden Dollar in sein Start-up zu investieren. Mit der Veröffentlichung von ChatGPT vor rund einem Jahr hatte OpenAI den aktuellen KI-Hype ausgelöst.

Sein Nachfolger Shear ist einer der Gründer von Twitch. Der 40-Jährige hatte sich im März bei der vor allem bei Videospiele-Enthusiasten beliebten Livestreaming-Plattform, die inzwischen zu Amazon gehört, zurückgezogen. Am Freitag hatte OpenAI zunächst Technologiechefin Mira Murati an die Firmenspitze gehievt.

OpenAI war 2015 als eine Non-Profit-Organisation gegründet worden mit der Mission, künstliche Intelligenz im Interesse aller zu entwickeln. Als jedoch klar wurde, dass mit Spenden die nötigen Milliarden-Investitionen nicht aufzutreiben wären, wurde zusätzlich eine gewinnorientierte Firma mit Altman an der Spitze gebildet. Dieser holte unter anderem Microsoft als Großinvestor an Bord und sicherte OpenAI damit den Zugang zur nötigen Rechenleistung. Der Konflikt zwischen den beiden Ansätzen wurde aber immer tiefer.

Der Chatbot ChatGPT kann Sätze auf dem sprachlichen Niveau eines Menschen formulieren. Seine Veröffentlichung vor rund einem Jahr löste einen KI-Hype aus. OpenAI wurde damit zu einem Vorreiter bei der Technologie. Microsoft ging einen milliardenschweren Pakt mit der Firma ein, um deren Technologie in Produkte des Konzerns zu bringen. Andere Tech-Schwergewichte wie Google, Amazon und der Facebook-Konzern Meta stellten Konkurrenz-Software vor.