Von: Ivd
Latsch – Die 36-jährige Erntehelferin Marcella kommt ursprünglich aus Rumänien, verbringt aber die meiste Zeit des Jahres in Südtirol. Seit sechs Jahren unterstützt sie einen Bauern aus Latsch bei der Apfelernte und dem Kräuteranbau. ORF Südtirol Heute begleitete Marcella und einige weitere rumänische Frauen bei ihrer Arbeit.
Neues Leben im fremden Land
Zehn Monate lang steht Marcella neun Stunden am Tag von Montag bis Samstag auf den Feldern, Blumenwiesen und Apfelfeldern des Bauern Hansjörg Oberdörfer, und das bereits im sechsten Jahr. In stressigen Zeiten sogar sonntags. Eine Freundin hatte ihr damals von der Stelle bei Hansjörg Oberdörfer erzählt. Oberdörfer ist sich sicher: Ohne die tatkräftige Unterstützung aus dem europäischen Ausland müsste er dichtmachen. Vielen Südtirolern ist die Arbeit für einen Stundenlohn von gerade einmal acht Euro zu anstrengend.
Für Marcella und ihre Kolleginnen sind die rund 1.700 Euro im Monat ein echter Gewinn. In ihrer Heimat würden sie nur einen Bruchteil davon verdienen. Anders als viele der anderen Frauen hat Marcella keine Kinder, das macht den Abschied leichter. Lediglich ihre Eltern vermisst sie manchmal. Ansonsten gefällt es ihr in Südtirol besser als in Rumänien: Die Leute seien ehrlicher und das Leben weniger stressig. Zudem sind die Frauen meist unter sich. Nur selten haben sie Kontakt zu Einheimischen.
Ihre Unterkunft teilt sie sich die 36-Jährige mit zwei anderen rumänischen Frauen in einem kleinen Zimmer mit zwei Doppelstockbetten. Es ist im Gehalt inbegriffen. Privatsphäre ist hier Fehlanzeige, allerdings sei sie laut eigener Aussage zum Geld verdienen dort und nicht für den Luxus oder Unterhaltung.
Die Herausforderung der Erntearbeit
Der Alltag auf den Feldern ist hart. Sechs Tage die Woche arbeitet Marcella mit rund 20 anderen Frauen auf den Feldern des Bauern, der Kornblumen, Kräuter und Apfelwiesen bestellt. „Die Kräuterernte ist die schlimmste Arbeit. Den ganzen Tag müssen wir uns bücken, das ist sehr anstrengend“, erzählt sie. Im Gegensatz dazu empfindet sie die Arbeit an den Apfelbäumen und in den Blumenfeldern als erträglich, da sie dabei aufrecht stehen kann.
Marcellas Geschichte ist ein Paradebeispiel für die vielen ausländischen Arbeitskräfte, die in Südtirol einen bedeutenden Beitrag zur Landwirtschaft leisten. Sie lassen ihre Familien zurück, um in einem fremden Land mit besseren Chancen mehr Geld zu verdienen und sorgen für ein stabiles Preisniveau in den lokalen Supermärkten.
Traurige Realität
Dass viele Arbeitskräfte in Italien nicht die gleichen Erfahrungen wie Marcella machen, zeigten Untersuchung nach dem Tod eines Erntehelfers in Latina. Demnach sind viele Saisonarbeiter ohne gültigen Arbeitsvertrag angestellt und arbeiten für Hungerlöhne. Zudem werden sie unter prekären Umständen von mafiösen Strukturen und unter falschem Vorwand angeworben.
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