Darum ist Nachhaltigkeit manchmal so schwer

Drastischer Preisunterschied

Mittwoch, 30. November 2022 | 06:57 Uhr

Bozen – Global denken, lokal handeln, lautet die Devise von Susanne S. Anstatt ihr Geld anonymen Onlinekonzernen in den Rachen zu werfen, zieht sie es vor, regionale Kreisläufe zu fördern und im Geschäft in der Nähe einzukaufen. Doch als sie bemerkt, dass ihr neues Blutzuckermessgerät im Internet um rund 80 Prozent billiger angeboten wird, verschlägt es ihr die Sprache.

Susanne S. (Name von der Redaktion geändert) hat keine Diabetes, allerdings mahnt ihr Arzt sie zur Vorsicht: Ihre Blutzuckerwerte seien im Graubereich. Neben regelmäßiger Bewegung und einer Ernährungsumstellung beschließt die 55-Jährige, mit einem Blutzuckermessgerät ihre Werte selbst zu überwachen.

Prompt holt sie sich ein entsprechendes Gerät samt Teststreifen um rund 72 Euro aus der Apotheke ihres Vertrauens in Brixen. Mehr aus Neugier surft sie einige Tage später im Internet und findet auf amazon.it dasselbe Set. Dort kostet das Gerät samt Zubehör allerdings 14 Euro und 18 Cent. Susanne S. bleibt die Spucke weg.

Das ist ein Preisunterschied von 81 Prozent. In der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) wird darauf verwiesen, dass das Gesundheitsgerät steuerlich absetzbar sei, wenn man es in der Apotheke kauft. Das ist im Internet nicht der Fall. „Falls ein Problem auftritt, bietet die Apotheke zudem eine bessere Gewährleistung“, erklärt VZS-Geschäftsführerin Gunde Bauhofer gegenüber Südtirol News. Trotzdem sei der Preisunterschied eklatant.

Vorsicht vor Betrügern

Im Internet gelte es allerdings stets, doppelt Vorsicht walten zu lassen. „Klingt das Angebot zu gut, steckt nicht selten ein Betrug dahinter“, warnt Bauhofer.

Wichtig sei es herauszufinden, mit wem man im Internet das Geschäft abschließt. „Oft bieten Online-Konzerne das Produkt nicht selbst an, sondern stellen Händlern nur eine Plattform zur Verfügung und übernehmen den Versand“, so Bauhofer. Bei Amazon ist es außerdem möglich, dass das Produkt von einer dritten Firma angeboten wird und die Post den Versand übernimmt.

„Häufig werden Fake-Shops eingerichtet, die ein paar Monate lang abkassieren und dann wieder von der Bildfläche verschwinden“, warnt Bauhofer. In so einem Fall bekomme man sein Geld meist nur zurück, wenn man mit Kreditkarte bezahlt hat und einen Chargeback beantragt.

Ein Online-Kauf kann auch weitere Nachteile implizieren. „Wird das Produkt außerhalb der EU verkauft, fallen Konsumentenrechte weg, die im Binnenmarkt gelten“, erklärt Bauhofer.

Blick auf Mehrwertsteuernummer und Rezensionen

Ob es sich um einen Drittanbieter handelt, ist nicht immer sofort ersichtlich. Bei Amazon scheint dies oft erst auf, wenn die Ware bereits im virtuellen Einkaufswagen liegt.

Im Fall des Blutzuckermessgeräts auf Amazon ist die „Farmacia Greca“ die eigentliche Verkäuferin, die laut eigener Homepage bereits seit 1947 existiert. Die Angabe der Mehrwertsteuernummer wirkt vielversprechend, obwohl es auf Amazon keinen direkten Link zur Webseite der Apotheke gibt. Um einen Schwindel im Vorfeld zu erkennen, hilft immer auch ein Blick auf die Rezensionen: Beim Blutzuckermessgerät fallen diese positiv aus.

Der freie Markt

Damit sie Produkte günstiger anbieten können, machen sich Internethändler mehrere Vorteile zunutze. „Online-Anbieter müssen keine Filiale eröffnen und benötigen kaum Personal. Sie kaufen sich die Logistik bei Firmen wie Amazon. Das sind ganz andere Kostenstrukturen, die sich natürlich auch auf den Preis auswirken“, erklärt Bauhofer.

Während die Internet-Vergleichsseite trovaprezzi.it für dasselbe Gerät sogar ein Angebot von 5,96 Euro ausspuckt – mit Versandspesen in Höhe von 5,50 Euro –, kostet das Set in einer Online-Apotheke 31,63 Euro. In einer Apotheke in Bozen und in einer zweiten Apotheke im Eisacktal bezahlt man hingegen ebenfalls rund 72 Euro.

„Wir bestellen die Geräte nicht massenweise, sondern einzeln, da die Sanitätseinheit sie jenen Patienten gratis zur Verfügung stellt, die sie unbedingt brauchen“, betont die Apothekerin im Eisacktal.

VZS-Geschäftsführerin Gunde Bauhofer verweist auf den freien Markt. „Grundsätzlich obliegt die Preisgestaltung dem Händler und der Konsument sollte die Preise vergleichen. Kommt ein Verbraucher zum Schluss, dass er ein günstigeres Angebot der Nachhaltigkeit vorzieht, ist die Entscheidung nachvollziehbar“, sagt Bauhofer. In Zeiten galoppierender Inflation und allgemeiner Teuerungen gilt dieser Satz wohl umso mehr.

Von: mk

Bezirk: Bozen