Closing der Transaktion bis Ende 2025 erwartet

Erste Group steigt mit Milliarden-Deal in Polen ein

Montag, 05. Mai 2025 | 15:14 Uhr

Von: apa

Nach Jahren der Investitionszurückhaltung österreichischer Unternehmen in Osteuropa tätigt die Erste Group mit dem geplanten Markteintritt in Polen die größte Investition ihrer Firmengeschichte. Die österreichische Großbank erwirbt für rund 6,8 Mrd. Euro in bar einen “beherrschenden Anteil von 49 Prozent” an der börsennotierten Santander Bank Polska. Die geplante Anteilsübernahme ist einer der größten europäischen Banken-Deals der letzten Jahre.

Die Kaufvereinbarung mit der spanischen Banco Santander umfasse auch den Erwerb eines 50-Prozent-Anteils am Vermögensverwalter Santander TFI für 200 Mio. Euro, teilte die österreichische Großbank am Montag mit. Das Closing des 49-Prozent-Einstiegs wird um das Jahresende 2025 erwartet.

Erste-Group-Chef Peter Bosek bezeichnete die Transaktion in einer Telefonkonferenz mit Journalistinnen und Journalisten am Montagvormittag als “einmalige Chance” zum Einstieg in einen der “stärksten Wachstumsmärkte” in Zentral- und Osteuropa. Die Santander Bank Polska pries er als “gut gemanagtes” und “äußerst profitables” Geldhaus, das die Ertragskraft der Erste Group weiter stärken werde. Das heimische Finanzinstitut beabsichtigt, 49 Prozent der ausstehenden Stammaktien der Santander Bank Polska von der Santander Group für einen Barpreis von 584 Złoty (136,61 Euro) je Aktie zu erwerben.

Erste Group würde größte Aktionärin mit De-facto-Kontrolle

Mit der Anteilsübernahme würde die Erste Group zur größten Aktionärin der Santander Bank Polska werden und “die De-facto-Kontrolle” erhalten, hieß es von der österreichischen Großbank. Damit könne man das Geldhaus vollständig in die Bilanz der Erste Group konsolidieren sowie Aufsichtsrat und Management-Team bestimmen, erläuterte Bosek in dem Mediengespräch. Eine Übernahme von mehr als 50 Prozent sei für die Erste Group nicht erstrebenswert, da dies nach polnischem Recht ein verpflichtendes Angebot an alle übrigen Aktionäre auslösen würde. Darüber hinaus sei es in Polen “Marktstandard”, dass sich in so einem Fall ungefähr 20 bis 30 Prozent der Anteile im Streubesitz befinden. “Nachdem wir die volle Kontrolle bekommen, macht es für uns keinen Sinn, über die 49 Prozent zu gehen.”

Die Erste Group will den geplanten Einstieg in Polen vollständig aus eigenen Mitteln finanzieren, unter anderem durch die Streichung des am 28. Februar 2025 bekanntgegebenen Aktienrückkaufprogramms im Volumen von 700 Mio. Euro, einer temporären Reduzierung der Dividenden-Ausschüttungsquote auf maximal 10 Prozent des Nettogewinns für das Geschäftsjahr 2025 sowie verschiedene Maßnahmen zur Optimierung des Risikoprofils der Bilanz.

Nach Ende des Osteuropa-Hypes 2008/09 nun Rekord-Milliardeninvestition

Nach einem Boom der österreichischen Direktinvestitionen und Übernahmen in Osteuropa in den 1990er- und 2000er-Jahren brachte die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 einen abrupten Stopp der Expansionsambitionen. Den Einstieg bei der Banca Comercială Română (BCR) in den Jahren 2005/6 und die schrittweise Komplettübernahme ließ sich die Erste Group noch insgesamt 3,8 Mrd. Euro kosten. Damals war dies die bisher größte Auslandsdirektinvestition der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Teure Kreditabschreibungen in Ungarn und Rumänien brockten der Erste Group dann 2014 einen Milliardenverlust ein. Nach Jahren der Investitions- und Expansionszurückhaltung vergrößert der anvisierte Milliarden-Deal in Polen die Kundenbasis der österreichischen Großbank um rund ein Drittel auf etwa 23 Millionen Kundinnen und Kunden.

Polen-Einstieg soll Erste-Group-Gewinn deutlich steigern

Das heimische Finanzinstitut erwartet sich durch den Polen-Einstieg einen signifikanten Gewinnanstieg. Infolge der Transaktion soll der Gewinn je Aktie (EPS) der Erste Group im Jahr 2026 um mehr als 20 Prozent und die Verzinsung des materiellen Eigenkapitals (ROTE) auf etwa 19 Prozent steigen, im Vergleich zu den aktuellen Konsensprognosen von etwa 15 Prozent.

Mit dem geplanten Einstieg werden für die Erste Group auch Kredite in Schweizer Franken ein Thema. In Polen hatten in der Vergangenheit zehntausende Kreditnehmer bei verschiedenen Banken Hypotheken in Franken aufgenommen, um von niedrigeren Zinsen in der Schweiz zu profitieren. Doch der Franken gewann im Vergleich zum Zloty an Wert, die Kosten für die Kunden stiegen. Viele Polen klagten, um aus den letztlich teuren Krediten herauszukommen. Solche Kredite hat auch die Santander Polska Bank noch im Portfolio. Mögliche Risiken daraus seien aber gut bevorsorgt, betonte Bosek.

Santander-Tochter drittgrößte Bank in Polen

Die Bank Santander ist in Polen mit rund 7,5 Millionen Kunden die drittgrößte Bank des Landes, mit einem Marktanteil von 8 Prozent. Die polnische Santander-Tochter erzielte 2024 einen Rekordgewinn. Mit rund 2.000 Filialen in sieben Ländern betreut die Erste Group insgesamt 16 Millionen Kunden und zählt zu den größten Kreditgebern in Osteuropa.

Neben der heute bekanntgegebenen Transaktion kündigten die Erste Group und die Santander Group eine separate “strategische Kooperation” in den Bereichen Corporate und Investment Banking sowie Zahlungsverkehr an, die für ausgewählte Kernregionen gilt. Diese Kooperation ziele darauf ab, die lokale Präsenz, Produktkompetenz und Kundenbasis beider Banken zu nutzen, hieß es seitens der heimischen Bank. Die Expertise der Erste Group in Zentral- und Osteuropa und der Santander Group im Vereinigten Königreich, Europa sowie Nord- und Südamerika soll “kombiniert” werden.

Erste Group strebt Santander-Umbenennung in Polen an

Sollte die Transaktion genehmigt werden, strebt die Erste Group auch eine Umbenennung der Santander Bank Polska an. Man wolle mit der Marke “Erste” in den Markt gehen, für genauere Überlegungen in diese Richtung sei es aufgrund der ausstehenden Genehmigungen allerdings noch zu früh, sagte Bosek. Klar sei auch, dass “Santander aller Voraussicht nach ihren Namen behalten will”. Nach dem Erwerb würde die Banco Santander nach derzeitigem Stand noch gut 13 Prozent der Anteile besitzen.

Industriellenvereinigung erfreut

Erfreut über den geplanten Erwerb zeigte sich die Industriellenvereinigung (IV). Die Entscheidung stärke nicht nur die Position der Erste Group als führende Bankengruppe im CEE-Raum, sondern trage auch maßgeblich zur wirtschaftlichen Verankerung Österreichs in der “dynamischen Region” bei, wurde IV-Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Aussendung zitiert.

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