Abgestimmte Baukultur

Euregio-Tagung und Einvernehmensprotokoll zur Baukultur

Freitag, 25. November 2016 | 16:13 Uhr

Bozen – Wie eine abgestimmte Baukultur in den drei Territorien der Europaregion erreicht wird – über diese Frage hat sich eine Tagung in Bozen auseinandergesetzt.

Die Landesräte Richard Theiner (Südtirol), Johannes Tratter (Tirol) und Carlo Daldoss (Trentino) haben in Rahmen der heutigen Euregio-Tagung im Pastoralzentrum in Bozen ein Einvernehmensprotokoll unterzeichnet, das die künftige Zusammenarbeit der territorialen Verwaltungseinheiten und der Gestaltungsbeiräte in der Europaregion regelt.

Bei der Tagung wurde in erster Linie das Thema Baukultur und die Rolle der Gestaltungsbeiräte für die Gemeinden hinterfragt. Die Fragen, die es zu beantworten galt waren: Sind sie eine Hilfestellung für den Entscheidungsprozess? Wie kann man eine qualitative Verbesserung in der Baukultur der drei Länder erreichen?

Anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Beirates für Baukultur in Südtirol präsentierten die Referenten ihre Antworten auf diese Fragen – nicht zuletzt über einen Austausch mit den Teilnehmern und über ein ambitioniertes  Rahmenprogramm am Nachmittag zu interessanten Bauwerken in der Stadt Bozen.

Die Südtiroler Landesregierung hatte mit Beschluss Nr. 5104 vom 30. Dezember 2005 den Landesbeirat für Baukultur und Landschaft ins Leben gerufen. Zwei Ziele sollten damit verfolgt werden: die Förderung der Baukultur und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für ortsgerechtes und landschaftsbezogenes Bauen.

„Die Vorschläge des Beirates sind nicht bindend, und es ist auch niemand gezwungen, das Bauvorhaben dem Beirat vorzulegen“, betont der Landesrat für Raumentwicklung Richard Theiner. „Die Stellungnahmen sind vielmehr als Anregungen zu verstehen, wie das Projekt verbessert werden könnte. Außerdem kann die Beratung freiwillig und kostenlos in Anspruch genommen werden.“

Seit seiner Gründung hat der Beirat 463 Gutachten abgegeben. Ungefähr zwei Drittel der Projekte haben öffentliche Bauträger eingereicht; ein Drittel der Projekte kam von privaten Bauherren. Im Durchschnitt werden also pro Jahr in Südtirol 60 Projekte begutachtet.

Der Beirat berät Gemeinden, Bauherren und Planer bei heiklen Bauvorhaben – zum Beispiel aufgrund der Lage oder der Größe des Projektes – und setzt sich aus drei Architekten zusammen, die für ihre Bauten im alpinen Raum internationale Anerkennung genießen. Sie leben und arbeiten aber nicht in Südtirol. Auf diese Weise ist eine neutralere Sichtweise bei der Projektbewertung gewährleistet. Der Architekt Gion Caminada von der ETH Zürich, der dem Südtiroler Beirat für Baukultur viele Jahre lang angehörte, betonte in seinem Vortrag die Notwendigkeit, wie man mit Differenzen die Spannung in der Landschaft aufrecht erhalten könne.

Die Beratung des Landesbeirates werde von den Gemeinden zunehmend in Anspruch genommen“, bestätigt der Präsident des Gemeindenverbandes Südtirol, Andreas Schatzer. „Die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Stellungnahmen leisteten im Bestreben nach qualitativem und landschaftlich vertretbarem Bauen bereits wertvolle Dienste. So kam es, dass diese Art der Beratung weiter ausgebaut wurde, sich vermehrt auch privaten Bauherren öffnen und vielleicht bei ganz heiklen Projekten sogar verpflichtend werden sollte“, sagte Schatzer.

„Das ist das Modell, für das sich Südtirol vor zehn Jahren entschieden hat“, unterstrich Landesrat Theiner. In der Zwischenzeit haben auch die Nachbarprovinzen Trient und Tirol ähnliche Beiräte eingerichtet. „Darin kommt die gemeinsame Überzeugung zum Ausdruck, dass die alpine Landschaft einen besonderen Wert darstellt, für den wir Verantwortung tragen“, sagt Landesrat Theiner. „Wir stimmen außerdem darin überein, dass Veränderungen nur in engster Verbindung mit Natur, Landschaft und den Menschen erfolgen kann, die hier wohnen.“

Es war daher naheliegend, diese Ziele durch eine Gemeinsame Erklärung festzuhalten und durch gemeinsame Aktivitäten zu untermauern. Die Erklärung sieht deshalb vor, dass zwischen den Organisationseinheiten, die in den drei Ländern für die Baukultur verantwortlich sind, regelmäßige Treffen stattfinden. Auch sollen  gemeinsame Tagungen organisiert werden und Publikationen erscheinen, die beispielsweise die wirtschaftliche Bedeutung einer lebendigen Baukultur zum Inhalt haben.

In diesem Sinne bedeutet die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Baukultur für Tirols Landesrat Johannes Tratter ein Bekenntnis zu jenen traditionellen Stärken, die die drei Länder der Europaregion besonders auszeichnen, sowie Offenheit für die Anforderungen unserer Zeit. „Mit der Zielsetzung, einerseits Werte und Identität zu bewahren und andererseits aktuelle Anliegen wie nachhaltiges Wirtschaften sowie qualitätsvolles und leistbares Wohnen zu ermöglichen, kann die Weiterentwicklung der ganzen Region zukunftsorientiert gesteuert werden“, so Tratter.

 

Von: luk

Bezirk: Bozen