Von: APA/Reuters
Die Europäische Zentralbank (EZB) hält ihren Leitzins angesichts einer niedrigen Inflation und wachsenden Wirtschaft stabil. Der EZB-Rat um Präsidentin Christine Lagarde beließ den wichtigen Einlagensatz am Donnerstag zum vierten Mal in Folge bei 2,0 Prozent. “Das wurde einstimmig beschlossen”, sagte Lagarde in einer Pressekonferenz in Frankfurt. Von Mitte 2024 bis Juni 2025 war der Leitzins in acht Schritten von vier auf zwei Prozent halbiert worden. Seither ist er stabil.
Lagarde ließ sich nicht in die Karten schauen, wie es weitergeht. “Wir sind in einer guten Position”, sagte sie. Man halte sich alle Optionen offen – ohne im Voraus festgelegten Zinssatz, Pfad oder Zeitpunkt für eine Änderung. Auch wegen anhaltender Unsicherheiten – von der Handelspolitik bis hin zum russischen Krieg gegen die Ukraine – “können wir einfach keine Vorausschau bieten”, sagte Lagarde.
Inflation in der Euro-Zone niedrig
Im November lag die Teuerungsrate in der Währungsunion den zweiten Monat in Folge im Schnitt bei 2,1 Prozent – auch wenn er in Österreich den dritten Monat in Folge mit 4,0 Prozent hoch blieb. Die EZB strebt für die 20-Länder-Gemeinschaft einen Wert von 2,0 Prozent an, den sie als optimal für die Wirtschaft in der Euro-Zone ansieht. Gegen eine weitere Zinssenkung spricht allerdings die vergleichsweise hohe Kerninflation von aktuell 2,4 Prozent. Hier werden die stark schwankenden Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet. Gegen sie kann die Geldpolitik wenig ausrichten, da deren Weltmarktpreise eher von geopolitischen und klimatischen Bedingungen abhängen.
Für das kommende Jahr hoben die EZB-Volkswirte ihre Prognose für die Kernrate auf 2,2 Prozent an. “Für 2026 wurde die Inflation hauptsächlich deshalb nach oben revidiert, weil die Fachleute nun mit einem langsameren Rückgang der Teuerung bei Dienstleistungen rechnen”, erklärte die EZB zu ihren vierteljährlichen Projektionen.
Diskussionen über mittelfristige Zinserhöhung
Hinter den Kulissen dürfte es deshalb rege Diskussionen über den künftigen geldpolitischen Kurs geben. An den Finanzmärkten wird bereits über eine mögliche Zinserhöhung 2026 oder spätestens 2027 spekuliert. Preisdruck dürfte etwa von der expansiven deutschen Finanzpolitik ausgehen, die im kommenden Jahr viele Milliarden Euro für Infrastruktur und Verteidigung ausgeben will. Das könnte für neuen Inflationsdruck sorgen. EZB-Direktorin Isabel Schnabel hatte zuletzt signalisiert, dass der nächste Schritt eine Zinserhöhung sein könnte. Händler preisen jetzt eine etwa 20-prozentige Wahrscheinlichkeit für einen solchen Schritt bis Ende 2026 ein. Bis März 2027 sehen sie die Chance dafür auf 45 Prozent steigen.
Hinzu kommt, dass die Euro-Wirtschaft trotz Belastungen wie den hohen US-Zöllen robust wachsen dürfte. Auf neue Impulse durch billigeres Geld ist sie damit nicht so sehr angewiesen. “Das Wirtschaftswachstum dürfte höher ausfallen als in den September-Projektionen angenommen, getragen vor allem durch die Binnennachfrage”, betonte die EZB. Die Wachstumsprognose wurde für 2025 auf 1,4 Prozent, für 2026 auf 1,2 Prozent und für 2027 auf 1,4 Prozent nach oben revidiert. “Die Wirtschaft hat sich als widerstandsfähig erwiesen”, sagte Lagarde.
Viele Ökonomen raten deshalb von weiteren Zinssenkungen ab. “Hoffentlich bleibt die EZB weiter standhaft und senkt ihre Zinsen nicht, wenn die Inflation nach der Jahreswende wegen eines Basiseffekts vorübergehend unter das Ziel von zwei Prozent fällt”, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Der gegenwärtige EZB-Einlagensatz von zwei Prozent sei ohnehin bereits niedrig. Er schiebe die Konjunktur und langfristig auch die Inflation an.
Lagarde äußert keine Präferenz für Nachfolge
Lagarde äußerte in ihrer Pressekonferenz keine Präferenz für die Nachfolge an der Spitze der Europäischen Zentralbank. “Ich habe keinen Lieblingskandidaten”, sagte sie. Die Französin ist noch bis Ende Oktober 2027 Präsidentin der Notenbank in der Euro-Zone. Sie habe nicht gesagt, dass der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot “der gute Kandidat” sei. “Es gibt viele sehr gute Kandidaten.” Eine davon sei auch die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel. Diese hatte jüngst gesagt, sie stehe für den Posten bereit, sollte sie gefragt werden.
Lagarde sagte, sie sei sicher, dass es in Zukunft noch mehr Kandidaten oder Kandidatinnen geben werde. “Warum auch nicht? Ich finde es ungemein befriedigend, dass so viele Menschen meinen Job haben wollen.” Es sei ein großartiger Posten, bei dem man das Gefühl habe, wirklich etwas bewirken und das Leben der Menschen beeinflussen zu können und etwas für die Europäische Union und den Euro zu erreichen. “Aber wer es ist, welche Nationalität – dazu habe ich nichts zu sagen.” Das sei Sache des Europäischen Rates, und die Entscheidung werde außerhalb der EZB getroffen.




Aktuell sind 0 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen