Von: ka
Bozen – Am Donnerstagabend fand die Vollversammlung des Unternehmerverbandes Südtirol im MEC Sheraton in der Messe Bozen statt.
Zur Veranstaltung, die unter dem Motto “Innovationsland Südtirol – Proud to be industrious” stand, waren rund 300 Gäste gekommen.
Die Vollversammlung begann mit der Rede von Verbandspräsident Heiner Oberrauch. Anschließend erklärte Wirtschaftslandesrat Philipp Achammer, wie sich Südtirol als innovativer Industriestandort aufstellen will.
Wie Südtirol und der Nord-Osten Italiens für junge Talente attraktiv bleiben können erklärte Luca Paolazzi, wissenschaftlicher Direktor der Fondazione Nord Est.
Zum Abschluss zeigten die vier jungen Unternehmer:innen Niko Bagnara (Nikolaus Bagnara AG), Martin Gruber (Gruber Logistics AG), Daniela Niederstätter (Niederstätter AG) und Simon Thun (Thun AG) bei einem runden Tisch auf, wie innovative Lösungen zur Bewältigung von Krisen beitragen.
Rede des Präsidenten Heiner Oberrauch anlässlich der Vollversammlung des Unternehmerverbandes Südtirol im MEC Sheraton in der Messe Bozen:
Liebe Unternehmerkolleginnen, liebe Unternehmerkollegen! Sehr geehrte Ehrengäste, liebe Freunde!
Innovationsland Südtirol – Alto Adige, terra di innovazione – Proud to be industrious!
Proud to be industrious. Stolz, industriell organisierte Unternehmen zu sein, aber gleichzeitig auch stolz
„industrious“, also fleißig, innovationsfreudig, dynamisch und engagiert zu sein.
Den Titel zur heutigen Vollversammlung haben wir nicht zufällig gewählt, denn den Herausforderungen, den Krisen wie Pandemie, Klimawandel, Energieabhängigkeit, kann man nur mit Innovation begegnen. Und Innovation wird in den Betrieben gemacht.
Industrie ist in Südtirol, in Italien und in Europa nicht nur systemrelevant, sondern zukunftsrelevant. Um die notwendigen Veränderungen anzugehen, brauchen wir Innovation. Krisen bewältigt man nicht, indem man jammert oder polemisiert, sondern durch Innovation.
Die Inflation steigt, die Kaufkraft sinkt, Krieg ist vor der Haustür. Der Energiepreis ist im Verhältnis zum Jahr 2019 um das 10-fache gestiegen.
In die Zukunft schauen, Veränderung zulassen
Europa im Abseits, die USA beobachten aus der Ferne, China reibt sich die Hände. Ja, und schon vergessen sind die enormen Anstrengungen gegen die Pandemie, die der öffentlichen Hand und den Unternehmen bereits strategische Reserven aufgebraucht haben. Ganze Wirtschaftssparten haben Existenzangst. Unternehmer fragen sich: Soll ich den Betrieb schließen? Mitarbeiter und Kunden verlieren? Oder offenlassen und starke Verluste einfahren?
Sehr geehrter Herr Wirtschaftslandesrat: In anderen europäischen Ländern werden Steuern gesenkt und Preise gedeckelt. Wie soll ich in einer solchen Situation den Unternehmern und Unternehmerinnen erklären, dass sie mehr Steuern zahlen müssen, auch wenn sie Verluste machen?
Und doch, nicht aufgeben! Durchhalten, in die Zukunft schauen, Veränderung zulassen, neue Wege gehen. Mit Willenskraft und Innovation, den Krisen begegnen – proud to be industrious.
Wir haben die Pflicht, auf eine Rezession aufmerksam zu machen, die vor der Tür steht, und schnelles Handeln einzufordern, denn der Wohlstand, das Steuerkaufkommen und die sicheren Arbeitsplätze werden von diesen Unternehmen mit ihren MitarbeiterInnen wesentlich erwirtschaftet – proud to be industrious.
Der Beitrag der Industrie
Der Arbeitgeber Land Südtirol ist Spitzenreiter für unbefristete Arbeitsplätze. Das ist die landläufige Meinung. Doch was sagen die Zahlen? Es ist die Industrie mit 90% – der öffentliche Sektor liegt gerade mal bei 78% unbefristeter Beschäftigung. Proud to be industrious.
Hört man sich im Volk um und schaut auf die IDM-Werbung, dann ist der Apfel das Exportgut Nummer eins. Äpfel machen dabei 8 Prozent aus. 85 Prozent des Exports, das ist zehnmal so viel, leistet die Industrie: 85 Prozent! Proud to be industrious.
Um jedes Missverständnis zu vermeiden: Wir brauchen jeden Wirtschaftssektor, unsere Landwirtschaft, unseren Tourismus, unser Handwerk, unseren Handel und unsere Dienstleistungen. Und natürlich auch unseren öffentlichen Sektor, der gut funktioniert. Und jeder Wirtschaftssektor stützt sich gegenseitig, genauso wie lokale Kreisläufe nur dann wirklich gut funktionieren, wenn sie in globale eingebettet sind.
Die Bedeutung der Sozialpartnerschaft
Es braucht in den heutigen Zeiten mehr denn je klare Botschaften. Ich bedanke mich hier öffentlich für den Mut, den die Gewerkschaften mit der Unterzeichnung unseres gemeinsamen Grundsatzpapiers gezeigt haben. Darin sind Aussagen enthalten, die wir in dieser Klarheit, zumindest hier in Südtirol, vielleicht noch nie gehört haben.
Ich zitiere einige davon.
Das verarbeitende Gewerbe ist jener Wirtschaftssektor, der in unserem Land am stärksten zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Jener Sektor, der mehr als 70% der Investitionen in Forschung und Entwicklung schafft, der die sichersten Arbeitsplätze garantiert, der die besten Löhne zahlt. Im Durchschnitt 40% mehr als der Durchschnitt in Südtirol. Proud to be industrious. Auf diese Zahlen können wir, kann Südtirol stolz sein.
Die Politik scheint dies allerdings oft zu vergessen. In der Öffentlichkeit wird die Relevanz unserer Betriebe kaum wahrgenommen. In der Diskussion um die Energiekrise wird über jene, die es am meisten trifft, kaum gesprochen: Dies sind die energieintensiven Industriebetriebe.
Eine Politik, die Südtirol wettbewerbsfähig und attraktiv macht
Andere Regionen streiten sich um zukunftsfähige Technologien und deren Unternehmen. In Südtirol scheint dafür manchmal kein Platz zu sein. Beweisen wir das Gegenteil!
Zeigen wir es, indem wir die Ansiedlung und Erweiterung hochinnovativer Unternehmen erleichtern. By the way, wir besetzen mit der Industrie gerade mal ein halbes Prozent der Fläche Südtirols, diese trägt aber zu 23% zum BIP bei.
Zeigen wir es, indem wir Vereinfachungen einführen und Bürokratie abbauen. Konkrete Beispiele haben wir schon vorgelegt und sind gerne bereit hier weiter unterstützend einzuwirken.
Zeigen wir es, in schnellen Entscheidungen für Photovoltaikanlagen. Das ist mir besonders wichtig. Das Potenzial des sonnigen Südtirols mit durchschnittlich 300 Sonnentagen ist enorm. Heute deckt Südtirol gerade mal 10% seines Stromverbrauchs mit Photovoltaikanlagen ab. Wie aus einer Studie der EURAC hervorgeht, könnten es bis 2050 100% werden. Keine Frage, wir müssen die Landschaft schonen, aber mit Genugtuung haben wir vernommen, dass der Landeshauptmann angekündigt hat, dass auf öffentlichen und privaten Parkplätzen und nicht nur auf Dächern, sondern auch auf anderen Gebäudeteilen, Paneele montiert werden dürfen. Hier ist Eile geboten, denn Photovoltaikanlagen werden viel teurer werden, wenn sie überhaupt noch zu bekommen sind. Danke für den Einsatz der Landesregierung!
Unsere Exportquote hat sich von unter 20 auf mehr als 25% unseres BIP gesteigert. Damit hat Südtirols Industrie Krisenfestigkeit bewiesen. Proud to be industrious.
Trotzdem sind unsere benachbarten Regionen, wie das Veneto und Tirol hier weit voraus. Sie haben Exportquoten, die weit über 30% liegen. Deshalb brauchen wir nicht nur begabte und fleißige MitarbeiterInnen
und innovationsfreudige Unternehmen, sondern auch ein wettbewerbsfähiges Umfeld. Wir müssen ein wettbewerbsfähiges Umfeld schaffen, in dem sich Talente entwickeln können.
Wir haben in diesen Jahren gesehen, wie wichtig es ist, bei strategischen Produktionen möglichst unabhängig zu sein. Erst bei den Impfstoffen, dann bei den Rohstoffen und nun bei der Energie. Wir haben gesehen, wie wichtig Industrie im globalen Wettbewerb ist. Um für die besten Talente attraktiv zu sein, sind leistbares „Miet-Wohnen“, effiziente öffentliche Dienste, moderne Verbindungen ebenso wichtige Faktoren wie attraktive Arbeitgeber. Stichwort moderne Autobahn. Beim Glasfasernetz hinkt Italien in Europa noch weit hinterher und Südtirol hinkt in Italien hinterher.
Den Wert der Arbeit anerkennen
Wir müssen auch endlich den Wert der Arbeit anerkennen. Alle Leistungen der Industrie gründen auf einem wesentlichen Faktor, der Leistung und dem Wert unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dies ist der größte Wert. Proud to be part of the industrial system.
Ich wünsche mir, dass auch die Politik in Italien diesen Wert erkennt und endlich die Steuer auf Arbeit reduziert, wie in anderen europäischen Ländern. Mehr Netto vom Brutto ist gerade in dieser Zeit von ausschlaggebender Bedeutung. Mehr Netto vom Brutto ist das beste Mittel gegen Inflation.
Die Herausforderungen sind enorm. Wir UnternehmerInnen sind per Definition optimistisch, blicken trotz großer Sorge mit Zuversicht in die Zukunft. Aber alleine werden wir es nicht schaffen. Gerade deshalb ist das Grundsatzpapier mit den Gewerkschaftsorganisationen so wichtig. Ich habe den Eindruck, dass nur wenige den Ernst der Lage erkannt haben. Auch deshalb werden wir es nur miteinander schaffen.
Es ist die Zeit der Solidarität. Nur zusammen können wir Arbeitsplätze erhalten und eine gute Entlohnung garantieren, wie sie in unseren Kollektivverträgen verankert ist, die in unserem Sektor die allermeisten Unternehmen mit Betriebsabkommen freiwillig verbessert haben. Das ist gelebte Sozialpartnerschaft. Proud to be industrious – dankbar für die gelebte Sozialpartnerschaft.
Das Gemeinsame zu unterstreichen ist nicht nur Aufgabe der Sozialpartner: auch Politik und Medien haben einen wichtigen Auftrag, das Gemeinsame und nicht das Trennende hervorzuheben.
Weg vom Mehr, hin zum Besser
In all unserem Tun müssen wir auf Qualität setzen. Weg vom Mehr, hin zum Besser. Das muss in allen Bereichen unser Ziel sein. Darüber, wie wir für junge Talente attraktiv bleiben, wird nachher Luca Paolazzi, der wissenschaftliche Direktor der Fondazione Nord Est referieren – wir dürfen auf seine Ausführungen gespannt sein.
Die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes schaffen knapp ein Viertel des BIP und beschäftigen rund ein Viertel aller unselbstständig Beschäftigten. Dementsprechend tragen sie – grob geschätzt – zu rund einem Viertel zum Landeshaushalt bei. Von 6 Mrd. sind das 1,5 Mrd. Euro. Das ist mehr als der gesamte Haushalt für Sanität.
In den nächsten Wochen wird der Landeshaushalt verabschiedet: Dieser muss mutig neu gedacht werden. Die Energiekrise stellt Familien und Unternehmen vor Existenzschwierigkeiten. Die Landesregierung hat für Familien Gott sei Dank ein gutes Paket geschnürt. Wir unterstützen die getroffenen Maßnahmen voll. Vergessen wir aber
bitte den Mittelstand nicht, der bis jetzt bei allen Hilfeleistungen nicht berücksichtigt wurde. Haushaltseinkommen bis zu 45.000 Euro sind zu unterstützen.
Und was ist für Unternehmen vorgesehen? Hier besteht noch Handlungsbedarf. Das Land hat wenig Spielraum. Den Handlungsspielraum, den wir haben – die lokalen Steuern – müssen wir aber nutzen. Wann, wenn nicht jetzt?
Südtirol hatte in den letzten Wochen viele Gelegenheiten, auch international die Wichtigkeit und Bedeutung unserer Autonomie zu unterstreichen. Schafft es Südtirol auch in der Verwaltung ein Innovationsland zu werden, sich für enkeltaugliche und klimaschonende Investitionen freizumachen und sich schlanker aufzustellen, so ist dies der größte Beitrag, den wir zur Stärkung unserer Autonomie und unseres Landes geben können.
Die strategische Rolle Europas und unserer Jugend
Systemrelevant ist auch Europa – immer mehr. So wie wir nicht von der Industrie absehen können, so können wir auch nicht von Europa absehen. Nur auf gesamteuropäischer Ebene werden wir die großen Herausforderungen stemmen können. Die europäischen Werte müssen unser Polarstern bleiben, an dem sich nicht nur Südtirol, sondern ganz Italien orientieren muss. Aber Europa muss jetzt auch Stärke beweisen und Lösungen finden.
Wir können als Unternehmen unseren Beitrag leisten und werden dies auch tun. Aber die dramatische Explosion der Energiekosten, der durch den demographischen Wandel verursachte Fachkräftemangel oder die steigende Abhängigkeit von anderen Großmächten sind Herausforderungen, die wir nicht alleine angehen können.
Wir erleben in vielen gesellschaftlichen Bereichen Polarisierung, auch in Südtirol in der politischen Berichterstattung. Nicht das Trennende, sondern das Verbindende ist zu unterstützen. Hier haben auch die Medien gerade in dieser beginnenden Krisenzeit große Verantwortung. Durch Zusammenhalt hat Südtirol auch in der Vergangenheit Krisen gut meistern können.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme zum Abschluss. Wenn ich vorhin gesagt habe, dass ich zum ersten Mal auch in unseren Reihen Angst und Pessimismus wahrgenommen habe, so habe ich nicht übertrieben. Aber trotzdem bleiben wir unserem Wesen als Unternehmerinnen und Unternehmen treu. Wir jammern nicht, wir suchen Lösungen!
Auch und gerade in der Krise gibt es immer Lösungsansätze, auch und gerade in der Krise haben es mutige, innovationsbereite und fleißige Menschen immer wieder geschafft, jene Veränderungen herbeizuführen, die die gesamte Gesellschaft weiterbringen. Im Chinesischen hat man kein Alphabet, sondern Schriftzeichen und dort besteht das Wort für Krise aus den beiden Zeichen für Chance und Gefahr. Also nehmen wir die Chance der Veränderung wahr, es braucht mutige Schritte, die schnell umgesetzt werden müssen.
In diesem Sinne wollten wir heute auch ein Zeichen setzen, und die Bühne dieser Vollversammlung jungen Unternehmerinnen und Unternehmern überlassen, um gemeinsam mit ihnen über innovative Lösungsansätze in Bereichen wie Digitalisierung, Energiewende, Internationalisierung, Mobilität oder Personalmanagement zu sprechen. Daniela Niederstätter, Niko Bagnara, Martin Gruber und Simon Thun: vielen Dank im Voraus für eure Impulse!
Die Krise müssen wir gemeinsam tragen und auf die Krise müssen wir sofort reagieren. Dazu wollen wir einen wesentlichen Beitrag leisten.
Innovationsland Südtirol – Alto Adige, terra di innovazione – Proud to be industrious!
Danke!