Von: Ivd
Brixen – Vor 45 Jahren wurde in Brixen der erste Weltladen Italiens eröffnet. Frauen und Männer, die aus der Entwicklungszusammenarbeit in Afrika und Südamerika zurückkehrten, erkannten, dass sich die Lebensbedingungen der Menschen im Globalen Süden weder durch Geld- noch durch Sachspenden nachhaltig verbessern ließen. Die Handwerker und bäuerlichen Kleinbetriebe brauchten langfristige Abnehmer und faire Preise. Die Anfänge des fairen Handels in Südtirol waren schwierig, das Engagement aber groß. Von Brixen ausgehend entstand eine Weltladenbewegung in ganz Italien, die bis heute wächst.
Allein im vergangenen Jahr wurden in den Südtiroler Weltläden Produkte im Wert von zwei Millionen Euro verkauft. 13 Teilzeitkräfte stemmen gemeinsam mit rund 200 Freiwilligen Einkauf und Verkauf, Öffnungszeiten, Lager, Geschäftsdekoration und Mitarbeiterführung. Tausende Familien im Globalen Süden haben so seit 45 Jahren ein sicheres Einkommen. Der Südtiroler Bevölkerung werden Alternativen zum traditionellen, oft ausbeuterischen Handel angeboten.
Rudi Kiebacher, einer der zehn Gründungsmitglieder des Weltladens Brixen, erinnert sich an die Anfänge: „Ende der 1970er-Jahre entwickelte sich unter Gleichgesinnten die Idee, einen Weltladen zu gründen.“ Am 1. August 1980 war es dann so weit. Die Gruppe der Gründer war bunt gemischt, aber das Angebot an Produkten, die aus verschiedenen kleinen Projekten unterschiedlicher Länder des Gobalen Südens stammten, war zunächst spärlich. „Ich als gläubiger Mensch sehe im Evangelium den Auftrag, mich für Gerechtigkeit und damit für Frieden einzusetzen.“ Umso mehr freut sich Rudi Kiebacher, dass sich die Weltladen-Bewegung gut weiterentwickelt und Kreise gezogen hat. „Viele Freiwillige haben unsere kleine Idee im Lauf der Jahre mit großem Einsatz weitergetragen. Dafür bin ich dankbar.“
Eine dieser Engagierten ist Irmi Thaler. Die Eisacktalerin kennt den Weltladen Brixen genau. Sie gehört zwar nicht zu den Gründungsmitgliedern, arbeitet aber seit Beginn als Freiwillige mit. „In Brixen war man sehr skeptisch und prophezeite uns ein baldiges Ende des Ehrenamts“, erinnert sich Irmi Thaler. Doch die Freiwilligen hielten tapfer durch, unterstützten sich gegenseitig. Immer wieder meldeten sich neue Mitwirkende, das Sortiment wurde vielfältiger, die Kundschaft größer. So wurde der Brixner Weltladen zu einem festen Bestandteil der Stadt und fand bald Nachahmer. Mittlerweile gibt es in Südtirol 16 Weltläden.
2010 ist der Weltladen Brixen von der Brunogasse in die stärker frequentierte Stadelgasse übersiedelt. Das Angebot wurde erweitert und den Kunden-Bedürfnissen angepasst. Handelte es sich vorher hauptsächlich um handgefertigte Produkte, die vor allem in Kleinstprojekten entstanden sind, wird heute alles professioneller verarbeitet, verpackt und vermarktet. „So können wir den gestiegenen Ansprüchen der Kundinnen und Kunden gerecht werden“, berichtet die dienstälteste Freiwillige des ersten Weltladens Italiens Irmi Thaler.
Auch die Führung des Weltladens ist entsprechend arbeitsintensiver geworden und verlangt professionelle Abwicklung, insbesondere in der Verwaltung. In den vergangenen 45 Jahren haben viele Ehrenamtliche über Jahrzehnte hinweg mitgearbeitet und zum erfolgreichen Fortbestehen beigetragen: „Mir persönlich macht die Mitarbeit immer noch Freude – auch aus der Überzeugung heraus, dass es solche Alternativen mehr denn je braucht“, sagt Irmi Thaler: „Unser Weltladen wird heute von einem sehr engagierten und überzeugten Team geführt. Wir dürfen zuversichtlich in die Zukunft blicken.“
Monika Mondini ist seit drei Jahren die hauptamtliche Verantwortliche des Jubiläums-Weltladens in Brixen: „Wir sind herausgefordert, die Weltläden noch stärker als Fachhandel für fair gehandelte Produkte zu etablieren und den Konsumentinnen und Konsumenten eine kompetente Beratung anzubieten“, beschreibt sie ein zentrales Anliegen. Viele fair gehandelte Lebensmittel sind bereits in Bio-Qualität erhältlich. Umweltschutz ist eines der Kriterien des Fairen Handels, die Gesundheit wird den Kleinproduzenten ein immer größeres Anliegen.
Der Faire Handel habe herausragende Fähigkeiten im Aufbau von Süd-Nord-Handelsbeziehungen bewiesen, sagt Sara Vitroler, die Präsidentin der Sozialgenossenschaft. Das stärke auch die lokale und regionale Produktion und Wertschöpfung. Diese Erfahrungen gelte es künftig verstärkt zu nutzen, um jeweils vor Ort souveräne Märkte aufzubauen und sowohl im Süden als auch im Norden der Welt kleine Wirtschaftskreisläufe zu fördern. Das wird mit dem Begriff „Domestic Fair Trade“ umschrieben und bedeutet inländischer Fairer Handel. Auch deshalb bieten inzwischen viele Südtiroler Weltläden fair gehandelte biologische Produkte von kleinen Südtiroler Genossenschaften zum Verkauf an.
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