Von: luk
Ritten – Am 26. und 27. Jänner 2023 war die Biolandwirtschaft Thema beim Weiterbildungsseminar von Bioland Südtirol in Lichtenstern am Ritten. Die Kreislaufwirtschaft, eines der wichtigen Bioland Prinzipien, war den beiden Seminartagen als Motto vorangestellt, in den Fachbereichen und im allgemein einführenden Teil, den Vize-Obmann Walter Steger eröffnete. Am Biolandbau dranzubleiben, gerade in den aktuell verunsichernden Zeiten, sei nicht immer einfach, dafür umso wichtiger. Der Biolandbau erweise sich als resilient in der Produktion, in der Erbringung von Mehrleistungen zugute von Umwelt und Natur und am Markt, wo Biolebensmittel nicht so stark im Preis eingebrochen sind wie konventionelle Produkte. „Wir erwarten, dass die Politik die Biolandwirtschaft als Leitbild anerkennt und wertschätzt, jetzt wäre es an der Zeit diesen wichtigen Schritt zu machen.“
Das mediale Aufsehen rund um die Veröffentlichung der 600 Vinschger Spritzmittel-Hefte vonseiten des Umweltinstituts München blieb in der Begrüßungsrede von Landesrat Arnold Schuler nicht unkommentiert. Die Art und Weise dieser Veröffentlichung sei ein Angriff auf die Südtiroler Obstwirtschaft insgesamt, vonseiten des Amtes für Landwirtschaft sei ein offener Dialog angestrebt gewesen. „In Konfliktsituationen sind Vernunft und Hausverstand wirklich nachhaltig und nicht die Konfrontation,“ so Schuler. Unter diesem Aspekt schätze er Bioland Südtirol als offenen und wertschätzenden Kommunikationspartner: „Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, wie die verschiedenen Anbauverbände in Dialog kommen und bleiben können, das ist auch Verdienst von Bioland.“ Der nächste Schritt sei jener, landwirtschaftliche Betriebe als eingebundene Systeme in einen Lebensraum mit Wechselwirkungen auf Artenvielfalt, Tiere, Menschen stärker wahrzunehmen. Dem wolle die Politik Rechnung tragen, so Schuler.
Antonia Egger überbrachte die Grußworte der Südtiroler Bäuerinnen und des Bauernbundes; sie appellierte an die Offenheit und den guten Umgang innerhalb der Landwirtschaft, auch in Hinblick auf kommende Generationen. „Wir müssen auch verstärkt in die Offensive und in die Öffentlichkeit gehen, um uns und unsere Arbeit zu zeigen,“ so Egger. Es brauche Wissensvermittlung in den Schulen und in der Gesellschaft.
Anwesend war auch der Bioland e.V. und IFOAM Präsident Jan Plagge, der Südtirol als Vorzeigeregion beschrieb, in der intensive Auseinandersetzungen zwischen Bio und konventionell sowie den verschiedene gesellschaftlichen Gruppen auch als Chance begriffen werden können. „In einem derart dichten Raum können Lösungen und Best Practices als Vorbild auch für andere Regionen erarbeitet werden.“ Der Konsens, dass man die Grenzen im Ernährungs- und Landwirtschaftssektor überschritten habe, sei derzeit, angesichts der Krise ausgelöst durch den Ukrainekrieg wieder in Gefahr zu bröckeln. „Die großen Bauernverbände und Agrarkonzerne argumentieren wieder mit dem Schlagwort der Ernährungssicherheit und rufen verstärkt nach Intensivierung sowie Ertragsoptimierung,“ so Plagge. Man dürfe nicht Gefahr laufen, den ökologischen Umbau der Gesellschaft diesen Rufen unterzuordnen. Südtirol habe hier eine große Chance auf einen konstruktiven Dialog zwischen den Spannungsfeldern Bio und konventionell, Landwirtschaft und Gesellschaft.
Auch die neue Gentechnik CRISPR/Cas war Anlass für Diskussionen zwischen Jan Plagge und Arnold Schuler sowie Michael Oberhuber, dem Direktor des Versuchtszentrums Laimburg; Plagge verdeutlichte, dass die Kennzeichnung gentechnischer Produkte der wirksamste Außenschutz der europäischen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sei und es notwendig ist, eine gesellschaftspolitische Diskussion in Gang setzen, bevor der Gesetzgeber bzw. die EU ihre Entscheidungen treffen. Landesrat Schuler und Direktor Oberhuber hingegen sind von den Potenzialen der neuen Gentechnik überzeugt, daran führe kein Weg vorbei. Plagge konterte, es sei gefährlich sich in die Hände der Chemiebranche zu begeben: „In den Monsanto und Syngenta Zentralen Europas werden die Sektkorken knallen bei derlei Aussagen von landwirtschaflichen Verantwortungsträgern.“ Bioland habe gezeigt, wie Innovation und Weiterentwicklung auch ohne Gentechnik funktioniere.
Die weiteren Vorträge des Donnerstag vormittags, 26. Jänner waren dem Thema Klimakrise, Trockenheit und Klimaneutralität in der Südtiroler Landwirtschaft gewidmet. Georg Niedrist von der Eurac Bozen prägte den Sager vom noch „kühlen Sommer 2022 als Ausnahme für die zu erwartenden extremen Temperaturen“. Beispiele gebe es zuhauf, wie die von Jahr zu Jahr früher beginnende Apfelblüte, die Trockenheit im Gebirge und die von allen bedauerte Gletscherschmelze und damit die geringer werdenden Wasservorkommen. „Die Erwärmung verläuft schneller als erwartet,“ sagt Niedrist, „und der Trend zu extremen Wettererscheinungen lässt die landwirtschaftliche Produktion unsicherer werden.“ Es würden sogar weite Gebiete nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar sein. Niedrist erläuterte den Klimaplan der Landesregierung, in der erst seit kurzem die Landwirtschaft als Emissionsfaktor berücksichtigt wird: Viehhaltung, Treibstoff und Böden fallen hier ins Gewicht. Dementsprechend seien die Hebel zum Erreichen eines klimaneutralen Südtirol bis 2040 zu betätigen. Abseits der verschiedenen Produktionsbereiche seien jedoch wir alle, jeder und jede als Individuum gefordert, zur Klimaneutralität beizutragen. Denn die Frage laute nicht: Schaffen wir das?, sondern „Wollen wir das schaffen?“