Umwelt, Wirtschaft, Soziales

Landwirtschaft: Ein Report analysiert Komponenten für nachhaltige Entwicklung

Donnerstag, 06. Mai 2021 | 11:36 Uhr

Bozen – So einig wie jetzt waren sich Wissenschaft, Gesellschaft und Politik noch nie: die Zukunft gehört der Nachhaltigkeit. Die Landwirtschaft spielt dabei eine zentrale Rolle, auch darüber herrscht Einigkeit. Wie jedoch eine nachhaltige Entwicklung aussehen soll, darüber gehen die Ansichten weit auseinander. Mit dem „Landwirtschaftsreport zur Nachhaltigkeit“ wollen die Autorinnen und Autoren – ein 16-köpfiges Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von Eurac Research und den Universitäten Bozen und Innsbruck – eine Grundlage für sachliche Auseinandersetzung und informierte Entscheidungen anbieten.  „Häufig hat man den Eindruck, dass beim Thema Nachhaltigkeit Gefühle und Meinungen mehr Gewicht haben als Daten und Fakten“, betont die Herausgeberin des Reports, Ulrike Tappeiner von Eurac Research. Der nun vorgelegte wissenschaftliche Zustandsbericht will einen Beitrag zur Versachlichung dieser Diskussion leisten.

Die Datensammlung und ihre Analyse vermitteln ein Bild der ökologischen, sozialen und ökonomischen Säule der Landwirtschaft in Südtirol. Mit über 60 Abbildungen, die die Daten in Form von Karten, Grafiken und Tabellen aufbereiten, vermittelt der Report Informationen zu einem so breiten Spektrum an Themen wie Hofnachfolge, Tierwohl, Pflanzenschutz, die Rolle der Frau oder die wirtschaftliche Stabilität. Trotz dieser Fülle an Fakten ist der Report nur ein erster Analyseansatz: Viele Lücken sind noch offen; viele Aspekte müssen vertieft werden. Der Report möchte ein Hilfsmittel sein, sich auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten – sowohl für Bäuerinnen und Bauern als auch für die breite Öffentlichkeit.

Und diese Herausforderungen sind beträchtlich, auch weil die Ansprüche an die Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten vielfältiger und höher wurden: Sie soll uns mit gesunden Nahrungsmitteln versorgen, erneuerbare Energien erschließen, schonend mit Ressourcen umgehen, zum Klima- und Artenschutz beitragen, die Landschaft erhalten, und mehr. Gleichzeitig scheinen Gesellschaft und Landwirtschaft sich immer weiter zu entfremden. „Mit dem Report möchten wir auch zu einem verbesserten Dialog zwischen den beiden Seiten beitragen“, erklärt deshalb Ulrike Tappeiner.

Um ein möglichst genaues Bild des Sektors zu zeichnen, werden alle wichtigen Tätigkeitsbereiche einbezogen und die Situation der einzelnen Betriebe ebenso betrachtet wie Entwicklungen auf Landesebene. In vielen Bereichen fehlen für eine tiefergehende Analyse jedoch wesentliche Informationen und Daten, wie der Report aufzeigt. „Häufig haben wir festgestellt, dass gerade in sensiblen Bereichen wie dem Wasserverbrauch, dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder dem Zustand der Artenvielfalt nur wenige oder ungenaue Daten verfügbar sind“, erklärt der Ökologe Georg Niedrist. „Eine systematische und transparente Datenlage kann mit dazu beitragen, das gegenseitige Misstrauen zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft abzubauen.“

Fundierte Informationen fehlen auch zu zahlreichen sozialen Aspekten. Verfügbare statistische Daten lassen zwar einige Problemfelder erkennen – so ist zum Beispiel in einem Fünftel der Südtiroler Gemeinden die Hofnachfolge ein besonders wichtiges Thema, weil mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe von über 60-Jährigen geleitet werden. Jedoch müssten Faktoren wie Berufszufriedenheit, die Beziehungen zwischen den Generationen oder die Gefahr der Überlastung durch Nebenerwerb und neue Tätigkeitsfelder eingehender untersucht werden, wolle man das System Familienbetrieb wirkungsvoll unterstützen, so eine Forderung des Reports: Vor allem die sozialen Komponenten seien nämlich entscheidend für die Widerstandsfähigkeit des Sektors in Krisenzeiten.

Die jüngste Krise, die Covid-19-Pandemie, ist eingetreten, als der Bericht schon weitgehend fertiggestellt war, ihre Folgen konnten deshalb nicht mehr berücksichtigt werden. Besonders im wirtschaftlichen Bereich sind die Auswirkungen der Pandemie bereits spürbar. Die buchhalterische Datengrundlage entspricht somit nicht ganz der aktuellen Situation. Doch kommt das Autorenteam zu dem Schluss, dass die haupterwerblich geführten Betriebe in Südtirol solide finanziert sind und somit in Krisenzeiten durchaus resilient sein können. Die Einnahmen dieser Unternehmen lagen vor der Krise im Schnitt über denen der Nachbarregionen. Auch wenn die Ertragslage relativ niedrig war, brachten Finanzierungsstruktur und geringe ausgabenwirksame Kosten wirtschaftliche Stabilität – die in Krisenzeiten eine entscheidende Rolle spielen kann.

Abschließend zeigen die Autorinnen und Autoren Maßnahmen auf, die zu einer nachhaltigen Landwirtschaft beitragen können. Wichtige Ansatzpunkte sind dabei die Gestaltung der Förderpolitik, Ausbildung und Beratung – aber auch die Erfassung von Tierwohlindikatoren, neue Marketingkonzepte und die Sensibilisierung der Konsumenten: Wir alle sollten zum Beispiel lernen, nicht nur ästhetisch perfekte Lebensmittel zu akzeptieren, und bereit sein, einen fairen Preis für unsere Nahrungsmittel zu bezahlen.

 

Von: luk

Bezirk: Bozen