"Wir stehen aufgrund autonomer Politik gut da"

LH Kompatscher zieht Bilanz

Donnerstag, 10. August 2023 | 13:35 Uhr

Von: luk

Bozen – Der Lebens- und Wirtschaftsraum Südtirol und dessen Stärkung standen im Mittelpunkt der Bilanzpressekonferenz von Landeshauptmann Kompatscher.

Unter das Leitthema “Innovation”, das sich durch viele Bereiche zieht, hat Landeshauptmann Arno Kompatscher sein heutiges Mediengespräch #Bilanz18_23 zur auslaufenden Legislaturperiode gestellt. Zum Abschluss der Bilanzpressekonferenzen der Landesregierungsmitglieder blickte Landeshauptmann Kompatscher am heutigen Donnerstag im Noi Techpark in Bozen Süd auf die Arbeit der vergangenen fünf Jahre zurück.

Der Ort der heutigen Bilanzpressekonferenz von Landeshauptmann Arno Kompatscher war nicht zufällig gewählt: “Der Noi Techpark zeigt, was Wissenschaft, Forschung und Innovation konkret bedeuten“, hob Kompatscher hervor. Dies wurde durch Ausführungen von Sara Canali, Maicol Verzotto, Valeria Told und Ulrich Kager, Gründerinnen und Gründer innovativer Südtiroler Unternehmen, untermauert. Innovation betreffe alle Lebensbereiche, denn: “gerade wenn wir das, was wir lieben bewahren wollen, müssen wir uns weiterentwickeln”, unterstrich der Landeshauptmann. Nach einem Gedenkmoment für den vor kurzem verstorbenen Abteilungsdirektor Vito Zingerle ging der Landeshauptmann auf die wesentlichen Herausforderungen ein, im besonderen auch auf jene seiner Zuständigkeitsbereiche Außenbeziehungen, Europa, Gemeinden, Finanzen und Personal, Informationstechnologie, Breitband, Genossenschaften, Universität und Museen, Forschung und Innovation, Sport und Gesundheit.

Status Quo: “Wir stehen aufgrund autonomer Politik gut da”

Südtirol stehe wirtschaftlich betrachtet gut da, könne mit 49.100 Euro auf ein hohes Bruttoinlandsprodukt pro Kopf verweisen, führte der Landeshauptmann aus. Der Erfolg basiere auf der kleinteiligen Wirtschaft, auf “fleißigen, innovativen, tatkräftigen Menschen” und auf guten Rahmenbedingungen. Es sei beispielsweise gelungen, die Landflucht zu vermeiden, das sei das Ergebnis der Politik, die seit 50 Jahren betrieben werde. “Es gibt aber auch eine Kehrseite: Wir haben viel Verkehr”, sagte Kompatscher. Man sei sich dessen bewusst, arbeite an diversen Lösungen und Maßnahmen. Beispielhaft ging der Landeshauptmann auf die Verhandlungen zur A22-Konzession ein: “Wir haben jetzt einen Lösungsweg gefunden, der tatsächlich zum Ziel führen könnte: Es geht dabei nicht nur um die Führung einer Autobahn im klassischen Sinne, sondern um die Führung eines ‘Grünen Korridors’, sprich Autobahn und Eisenbahn. Diese Infrastrukturen sollen gemeinsam genutzt, vernetzt, digitalisiert werden. Es geht darum, Verkehr zu leiten und zu gestalten.”

Kompatscher ging in seiner Bilanzpressekonferenz auch auf die Coronapandemie ein, die er als ein “kein vergleichbares Ereignis” und als “unvorhergesehenen Stresstest für die Gesundheitssysteme” bezeichnete. Es sei eine, auch persönlich, sehr belastende Phase seiner Amtszeit gewesen, hielt Kompatscher fest. Man habe im Bewusstsein gehandelt, das Gesundheitssystem am Laufen zu halten. “Mit dem Wissen von heute würde ich nicht alles gleich machen. Wir würden vielleicht anders, früher, kürzer oder auch längere Maßnahmen setzen. Mit dem Wissen von damals würde ich jedoch gleich handeln”, führte Kompatscher aus. Im Südtiroler Gesundheitswesen seien die Nachwirkungen noch spürbar, doch man schaffe Voraussetzungen für Lösungen. Klar sei, dass das Gesundheitswesen eine große Zukunftsaufgabe bleiben werde.

Herausforderungen leistbares Wohnen, faire Löhne, demografischer Wandel

Südtirol sei zu einem der begehrtesten Lebensräume Europas geworden. Dies führe dazu, dass die Nachfrage nach dem knappen Gut Wohnraum und Bauflächen enorm gestiegen sei: “Es gilt, den Vorbehalt von Wohnraum für Ansässige durchzusetzen”, hob der Landeshauptmann dazu hervor. Dies erfolge beispielsweise über die Konventionierung von Wohnraum oder über die Super-Gis. “Solche Maßnahmen haben immer damit zu tun, dass der Übergang schwierig ist, es gibt auch noch nachzubessern. Aber die Richtung stimmt”, ist Kompatscher überzeugt.

“Die Südtiroler Gesellschaft ist sehr leistungsbereit”, unterstrich Kompatscher. Dies müsse sich auch in fairen Löhnen äußern – auch und vor allem, weil die Lebenshaltungskosten angestiegen seien, hielt der Landeshauptmann fest. Das Land Südtirol habe als Arbeitgeber in den vergangen drei Jahren 627 Millionen Euro bereit gestellt, um den täglichen Einsatz der Mitarbeitenden anzuerkennen. Auch private Arbeitgeber seien in der Pflicht: “Wer territoriale Zusatzverträge abschließt und damit die Löhne für die Mitarbeitenden fairer gestaltet, soll dafür einen steuerlichen Anreiz erhalten”, sagte Kompatscher.

Eine weitere Herausforderung sei der demografische Wandel: Die Gesellschaft wird älter, braucht mehr Gesundheitsleistungen, der Pflege- und Betreuungsbedarf steigt. Gleichzeitig bedeutet der demografische Wandel aber auch einen zunehmenden Arbeitskräftemangel, weil junge Menschen fehlen: “Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, dass all jene die arbeiten wollen, dazu zu befähigen und dass wir als Land attraktiv sind. Der Noi Techpark ist ein Hebel, um Braingain zu erzeugen, um Menschen nach Südtirol zurückzuholen und hier zu halten”, betonte Landeshauptmann Kompatscher.

Kompatscher: Finanzen gesichert, Autonomie stärken
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Die gelungene Absicherung der Finanzen bezeichnete Landeshauptmann Kompatscher bei der Bilanzpressekonferenz als Grundlage für die Autonomie und dessen Weiterentwicklung. Weiterentwickelt und dabei abgesichert werden soll auch Südtirols Autonomie. “Unser Zuständigkeitskatalog ist zwar angewachsen, aber der Gesetzgebungsspielraum wurde eingeschränkt”, unterstrich der Landeshauptmann. In diesem Zusammenhang hielt Kompatscher Rückblick: “Als ich vor zehn Jahren das Amt des Landeshauptmanns angetreten habe, habe ich zwei große Baustellen vorgefunden: die Finanzautonomie und die Einschränkung der Autonomie durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes.”

Die erste Baustelle, jene der Finanzen, sei von Ministerpräsdent Mario Monti eröffnet worden: “Der Staat hat in unsere Kassen eingegriffen und Südtirol in Milliardenhöhe einfach vorenthalten.” Durch intensive Verhandlungen konnte das Problem gelöst werden: Aufbauend auf das Mailänder Abkommen sei es mit dem Sicherungspakt von 2014 gelungen, die Einnahmen für den Landeshaushalt zu stabilisieren. Ein Notenwechsel zwischen Italien und Österreich sichert diese Regelung bilateral ab und garantiert, “dass wir unsere Autonomie finanzieren und unsere Zuständigkeiten wahrnehmen können”. Infolgedessen seien die Einnahmen für den Landeshaushalt deutlich gestiegen. “Allein durch die Finanzverhandlungen für den Zeitraum 2020 bis 2027 konnten Einnahmen von knapp zwei Milliarden Euro gesichert werden”, sagte heute der Landeshauptmann. Der Landeshaushalt sei stärker gewachsen als die Wirtschaftsleistung und die daraus folgenden Steuereinnahmen. “Wir haben 2023 mit 7,67 Milliarden Euro mehr Geld im Haushalt, ohne dass wir dafür die Steuern erhöhen mussten”, so Kompatscher, “und müssen weniger Geld nach Rom abgegeben.”

Als zweite Baustelle bezeichnete der Landeshauptmann die Autonomie generell: “Infolge der Verfassungsreform von 2001 – die ja substantiell positiv war – hat das Verfassungsgericht mit seiner Rechtsprechung unsere Autonomie wiederholt angegriffen und damit unsere Gesetzgebungsmöglichkeiten eingeschränkt. An der Lösung dieses Problems arbeiten wir. Verhandlungsansätze gab es mit mehreren Regierungen. Aktuell sind wir mit der Regierung von Giorgia Meloni im Gespräch, ganz im Sinne des Autonomiebezugs in der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin. Die notwendigen Schritte werden in enger Abstimmung mit der österreichischen Bundesregierung gesetzt.” Zumal Südtirol derzeit in einigen Bereichen unter dem Standard von 1992 liege, welcher seinerzeit zur Abgabe Streitbeendigungserklärung durch die Republik Österreich geführt habe, müsse zumindest dieser Standard wiederhergestellt werden, gab Landeshauptmann Kompatscher das Ziel vor.

Bezirk: Bozen