Welttag des Wassers

Lösungsansätze zur Wasserknappheit

Mittwoch, 22. März 2023 | 07:01 Uhr

Bozen – Den Welttag des Wassers wurde in Südtirol vielleicht lange wie sonst keine so große Aufmerksamkeit zuteil. Immerhin gibt es hierzulande seit 18 Monaten zu wenig Niederschlag, was uns langsam aber sich vor Herausforderung stellt. Die Uni Bozen sowie der Dachverband für Natur- und Umweltschutz haben sich Gedanken gemacht.

Vielfältige Forschung an zwei Fakultäten der unibz

Seit 1992 rufen die Vereinten Nationen am 22. März zum Weltwassertag auf. Noch nie schien es auch in Europa so dringlich, an den Wert von Wasser als essenziellste Ressource allen Lebens zu erinnern. Das Motto des diesjährigen Aktionstags „Accelerating Change” – den Wandel beschleunigen – wird an der unibz das ganze Jahr über hochgehalten. An gleich zwei Fakultäten, jener für Ingenieurwesen sowie für Agrar-, Umwelt- und Lebensmittelwissenschaften, wird an Lösungen zu aktuellen Herausforderungen im Zusammenhang mit Wasser geforscht.

Am diesjährigen Welttag des Wassers am 22. März 2023 soll die Wichtigkeit nationaler und internationaler Zusammenarbeit in Bezug auf die Einhaltung des “Sustainable Development Goal 6” in den Fokus gerückt werden. In diesem Ziel formulierten die Vereinten Nationen den Willen, bis 2030 sauberes Wasser und Sanitärversorgung für alle Menschen zu gewährleisten – der Zugang zu Wasser soll kein Privileg sein. Doch auch in einer bislang privilegierten Region wie Südtirol gibt es viele aktuelle Herausforderungen rund um das Thema Wasser, zu der an der unibz gleich an zwei Fakultäten geforscht wird.

An der neu gegründeten Fakultät für Ingenieurwesen wird im Thermo Fluid Dynamics Lab von Leiter Prof. Maurizio Righetti sowie Prof. Michele Larcher und einer Gruppe junger Forschender Grundlagenforschung sowie angewandte Forschung rund um die Thematiken Wassernutzung, Bevölkerungsschutz und Energie betrieben. Neben der Beteiligung an Forschungsprojekten der Europäischen Union und der Euregio werden im Labor auch Lösungen für aktuelle Herausforderungen regionaler Partner entwickelt. Beispielsweise die zunehmende Wasserknappheit, gegen die unter anderem Technologien und neue Methoden zur Vermeidung von Wasserverlusten in den Versorgungsnetzen entwickelt werden, oder das immer größere Risiko hydrogeologischer Instabilitäten. „In Südtirol sind wir bereits stärker von der Dürre betroffen als unsere deutschsprachigen Nachbarn, da dieser niederschlagsarme Winter in den Gebieten südlich der Alpen und im Westen Europas besonders ausgeprägt war“, so Prof. Maurizio Righetti. Obwohl es auch in der Vergangenheit Trockenheitsperioden gegeben habe, seien die heutigen angesichts des drastisch gestiegenen Wasserbedarfs weitaus gravierender, unterstreicht der Professor für Wasserbauten. „Wir müssen uns nur vor Augen führen, dass sich die weltweite Süßwasserentnahme im vergangenen Jahrhundert laut Daten von FAO-AQUASTAT versechsfacht hat und in den vergangenen 40 Jahren jedes Jahr um 1,0 Prozent gestiegen ist“, so Righetti. Schwerpunkt vieler Projekte sind laut Prof. Michele Larcher auch die Herausforderungen, die infolge immer heftigerer Niederschläge sowohl für die Sicherheit als auch für Infrastrukturen wie Stauseen und Bewässerungskanäle entstehen. Nicht zu trennen sei die Wasserthematik vom Thema Energie, sagt Prof. Righetti: „Allein schon deshalb, weil in Italien fünf Prozent des gesamten Energiekonsums in den Betrieb unserer Wassernetze fließen.“

An der Fakultät für Agrar-, Umwelt- und Lebensmittelwissenschaften werden solche Problematiken aus Perspektive der Hydrologie, der Geomorphologie und der Ökologie betrachtet. Besonders aktiv in diesem Bereich ist Prof. Francesco Comiti, der aktuell mit seinem Team in gleich mehreren Forschungsprojekten Fragestellungen in Zusammenhang mit Wasser und Klimawandel untersucht – wie beispielweise im Euregio-Projekt ROCK-ME , in dem der Frage nachgegangen wird, wie sich die Wasserqualität verändert, wenn der Permafrost im Hochgebirge abschmilzt. Im Forschungsprojekt ALTROCLIMA, das mit Mitteln des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Provinz Bozen finanziert wird, wird auf Basis von Daten von Wasserkraftproduzenten sowie numerischen Modellen untersucht, wie die Klimaerwärmung den alpinen Geschiebetransport seit den späten 1960-er Jahren verändert hat und künftig verändern wird. „Wichtig sind auch Kooperationsprojekte, die im Rahmen des PNRR finanziert werden, wie Agritech oder iNest. Darin befassen wir uns mit den Auswirkungen des Klimawandels auf den Oberflächenabfluss und die Bodenerosion und suchen gemeinsam mit italienischen Partneruniversitäten nach nachhaltigen Lösungen zur Eindämmung des Klimawandels“, so Comiti.

Im Bereich der Renaturierung von Ökosystemen, insbesondere von Feuchtgebieten, sowie der nachhaltigen Nutzung von Ressourcen wie Wasser forscht Prof. Stefan Zerbe. In einem aktuellen Artikel zur Renaturierung von Flüssen bringt er einen weiteren problematischen Aspekt zum Thema Wasser auf den Punkt: „Nur 40 Prozent der Oberflächengewässer in Europa sind im guten ökologischen Zustand bzw. Potenzial und nur 38 Prozent der Oberflächengewässer sind im guten chemischen Zustand“, zitiert er darin aktuelle Daten. Südtirol hinke bei der Erfassung solch kritischer Umweltdaten den europäischen Erfassungen hinterher, konstatiert der Professor für Ökologie. So gebe es auch keinen aktualisierten Kataster und keine ökologische Bewertung für Feuchtgebiete oder Moore und keine umfassenden Analysen der Schadstoffrückstände von Pestiziden oder Nitraten im Oberflächen- und Grundwasser. „Dazu kommt die maßlose Verschwendung von Wasser für Kunstschnee, Landwirtschaft und Tourismus“, konstatiert Prof. Zerbe. Umso wichtiger sei die umfangreiche Expertise an der unibz, die es ermögliche, in diesem Bereich Datenlücken zu schließen und Konzepte einer nachhaltigen Wassernutzung zu entwickeln.

Gute Planung statt Wasserknappheit

Südtirol ist reich an ausgezeichnetem Trinkwasser – zumindest bisher. Der Sommer 2022 und die ersten Monate 2023 zeigen mit aller Deutlichkeit, dass Wasser auch in Südtirol keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz bringt zum Internationalen Tag des Wassers drei Vorschläge, damit Südtirol auch weiterhin ein Wasserschloss bleibt.

Fließgewässer renaturieren

Wasser fließt im engen Korsett verbauter Flüsse schneller und verlässt damit auch in kürzerer Zeit Südtirol. Möglichst naturbelassene Gewässer in einem möglichst breiten Bachbett halten also ganz natürlich Wasser zurück und wirken sich zudem positiv auf den Grundwasserspiegel aus. „Wir fordern daher den Rückbau der verrohrten Abzugsgräben in den Talsohlen und Renaturierungen im großen Stil (ein), bzw. beim Bau neuer Infrastrukturen, wie etwa die teilweise neue Streckenführung der Bahnlinie zwischen Meran und Bozen, sind Flussaufweitungen mit einzuplanen“, so Josef Oberhofer, Präsident von Südtirols größter Umweltschutzorganisation.

Raumordnung: Verfügbarkeit von Wasser nachweisen

Für Beschneiungsanlagen ist der Nachweis (es ist inzwischen Standard), woher das notwendige Wasser kommt, um innerhalb von kurzer Zeit die Pisten künstlich zu beschneien, verpflichtend. „Wir sehen einen solchen verpflichtenden Nachweis für alle Umwidmungen von Wald in landwirtschaftliches Grün als unumgänglich (notwendig) an, (sowie) ebenso für alle wasserintensiven Projekte für touristische und industrielle Anlagen. Mit anderen Worten: Bereits bei der Planung muss nachgewiesen werden, wie die Äpfel bewässert und die privaten Schwimmbäder gefüllt werden“, so Madeleine Rohrer, Geschäftsführerin. “Ist Wasser nicht ausreichend vorhanden, kann das Vorhaben nicht bewilligt werden.”

Kostenwahrheit schaffen

Die Konkurrenz um das Wasser wird zunehmen. „Das Wasser als öffentliches und knappes Gut muss daher auch einen Preis haben, der sozial gerecht ist und die Kosten der Umwelt wiederspiegelt“, so Oberhofer und Rohrer. Das bedeutet, dass die Investitionen für Speicherbecken durch die Beiträge nicht der öffentlichen Hand angelastet, und die Gewinne hinterher privatisiert werden. Auch sei die Verordnung zur Regelung des Trinkwassertarifs mit dem Ziel der Kostenwahrheit zu überarbeiten, und die Verbräuche aller Kategorien offen zu legen.

Caritas: Ohne Wasser keine Zukunft

Es braucht starke Partnerschaften, wenn es um eine gerechtere Verteilung von Trinkwasser geht. Denn das wird infolge des Klimawandels zunehmend knapper. Die Südtiroler Caritas wirkt dem Wassermangel seit Jahren mit gezielten Projekten in besonders dürrebetroffenen Gebieten entgegen. Dazu arbeitet sie mit erfahrenen Partnerorganisationen vor Ort zusammen und wird gleichzeitig von privaten Spenderinnen und Spendern, aber auch von der Autonomen Provinz Bozen und der Region Trentino-Südtirol unterstützt.

Jeder 3. Mensch weltweit hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Mehr als die Hälfte der Erdbevölkerung hat laut Unicef und WHO (Weltgesundheitsorganisation) keine Möglichkeit, Sanitäranlagen zu benutzen. Diese Daten zeigen deutlich, wie ungleich der Zugang zu sauberem Wasser verteilt ist. Die Situation wird durch die weltweite Wasserkrise noch weiter verschärft. Die Folgen treffen die ärmsten Regionen am härtesten. Sie haben besonders stark unter den Folgen des Klimawandels zu leiden.

„In den ländlichen Gebieten in Afrika und Asien, aber auch in den Andengebieten in Südamerika ist die Situation besonders schlimm. Sauberes Wasser ist für die Menschen dort kaum zu bekommen und das wiederum bedroht besonders die Kinder. Ohne sauberes Wasser und sanitäre Anlagen sind sie den Krankheiten, die von verschmutztem Wasser herrühren, schutzlos ausgeliefert. Viele sterben an Krankheiten wie Durchfall, Cholera, Typhus und Hepatitis A bevor sie das fünfte Lebensjahr erreichen“, berichtet Sandra D’Onofrio, die Leiterin für Entwicklungszusammenarbeit in der Südtiroler Caritas.

Von: luk

Bezirk: Bozen