Von: mk
Bozen – Auch wer große Hoffnungen in die Euregio setzt, sieht aktuell die Beziehungen zwischen dem Bundesland Tirol und Südtirol nicht in Bestform. Dies betonen die Landtagsabgeordneten der Südtiroler Grünen, Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba. Die unterschiedliche Haltung beim Thema des sektoralen Fahrverbot, die chronisch offene Frage von Flüchtlingen und Grenzkontrollen und nun der Versuch des faktischen Importverbots für Vieh aus Tirol durch Bergmilch Südtirol seien Belastungen, die man nicht beschönigen könne.
Bergmilch und ihr Präsident Joachim Reinalter hatten angekündigt, dass Mila-Mitglieder Abschläge beim Auszahlungspreis der Milch hinnehmen müssten, falls der Anteil „ausländischer Kühe“ in ihren Ställen zehn Prozent übersteige. Diese drohende Kürzung richtete sich auch gegen den Viehverkauf aus Nord- und Osttirol, wo die Viehpreise wegen des abstürzenden Milchpreises in den Keller gefallen sind.
„Die bereits im Frühjahr 2016 geäußerte Drohung des Präsidenten mag betriebswirtschaftlich nachvollziehbar sein, um Milchüberproduktion und fallende Preise auch südlich des Brenners zu verhindern, sie belastet jedoch die Zusammenarbeit zwischen Tirol und Südtirol, die Euregio und ist ein krasser Verstoß gegen EU-Recht. Obwohl die Sanktion bisher nicht greift und nur dann eintreten soll, wenn die angelieferte Milchmenge von Oktober bis Dezember 2016 die der letzten beiden Jahre übersteigt, ist eine derartige Diskriminierung jedoch Gift für die Beziehungen. Zudem droht damit der Bruch von Unionsrecht – wie der auch südlich des Brenners geschätzte Europarechtsexperte Obwexer betont – und eine Beschwerde an die EU-Kommission in Brüssel wäre durchaus aussichtsreich“, erklären die Grünen.
Obwohl Landesrat Schuler abwiegle und im Gespräch mit seinem Kollegen, Landesrat Josef Geisler, ein Einvernehmen gesucht habe, sei die Verstimmung nördlich des Brenners jedoch ebenso mit Händen zu greifen wie von anhaltender Wirkung, zumal ja auch im Vinschgau seit geraumer Zeit ein faktisches Importverbot von Milch aus dem Tiroler Oberland bestehe. Der Verweis auf gute Zusammenarbeit im Bereich des Milchhofs Sterzing allein könne die Missstimmung nicht ausräumen, erklären die Grünen.
„Zudem ist bei einer Gesamtbetrachtung der Beziehungen zwischen Tirol und Südtirol unser Land in vieler Hinsicht – etwa im Studienbereich – Empfänger und Vorteilsnehmer, sodass der Bereich der Vieh- und Milchimporte bei weitem kein Detailproblem ist, sondern auf grundlegende Belastungen und dringende Verbesserung hinweis“, so die Grünen.
Sie richten folgende Fragen an die Südtiroler Landesregierung: „Wie beurteilt die Landesregierung den Versuch der Bergmilch Südtirol, den Import von „ausländischem Vieh“ durch Festlegung von Obergrenzen zu stoppen? Liegt hier nicht – über die Störung der Beziehungen zwischen Tirol und Südtirol – ein Verstoß gegen EU-Recht vor? Welche genaue Botschaft enthält der Appell von Landesrat Geisler und Tirols Bauerbundpräsident Hechenberger an die Landeshauptleute Platter und Kompatscher (um Aushändigung einer Kopie wird ersucht)? Wäre es nicht an der Zeit, in einer grundlegenden Aussprache zwischen den Landesregierungen zu versuchen, offene Fragen und Probleme auf vielen Ebenen (Transit, Flüchtlinge, Landwirtschaft) auf lange Sicht abzuklären?“
STF: „Viehklausel der Bergmilch ist Erpressung und Wettbewerbsverzerrung“
Von einem Skandal spricht hingegen die Junge Süd-Tiroler Freiheit. „Viele Südtiroler Bauern beziehen ihr Vieh aus Nordtirol. De facto würde dies bedeuten, dass den Nordtiroler Tierzüchtern ein großer Absatzmarkt wegbrechen würde. Diese Art der Erpressung und Wettbewerbsverzerrung darf es in einem gemeinsamen Europa nicht geben“, kommentiert die Junge Süd-Tiroler Freiheit.
„Etwas Kontraproduktiveres für die Vernetzung zwischen den Landesteilen hätte man nicht tun können“, so Christoph Mitterhofer, Mitglied der Landesjugendleitung. „Durch diese ständige Rosinenpickerei kann man die Europaregion Tirol sowieso gleich auflösen. Wenn hier einige immer noch meinen, den Schlauen spielen zu müssen, wird dies irgendwann ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen“, merkt Mitterhofer an.
In Krisenzeiten müsse man zwischen den Landesteilen zusammenstehen und sich nicht gegenseitig ein Bein zu stellen. Grundsätzlich seien in der gesamten Landwirtschaftsbranche die Preise am Boden. Aber durch gegenseitiges Ausstechen werde sich die Situation sicher nicht verbessern. Die Landwirtschaft in Nord- und Südtirol kämpfe mit den gleichen Problemen: niedrige Mechanisierung aufgrund der landschaftlichen Gegebenheiten und hohe Fixkosten. „Es bedarf hier eines Umdenkens in der Bevölkerung und der Wertschätzung der heimisch produzierten Lebensmittel“, so abschließend die Junge Süd-Tiroler Freiheit.