Von: luk
Innsbruck – In einer aktuellen Studie der Joanneum Research Forschungsgesellschaft mbH wird ein „positiver Klimaeffekt durch künstliche Beschneiung“ festgestellt. Eine Überprüfung der Studie durch die Universität Innsbruck hat ergeben, dass diese Erkenntnis aus der Studie nicht ableitbar ist, weil wesentliche Faktoren zur Beantwortung der Fragestellung nicht berücksichtigt wurden.
In einem Pressegespräch beleuchteten heute Wissenschaftler der Universität Innsbruck offene Fragen zu der Studie, deren Ergebnis am 26. Mai 2017 präsentiert wurde. Sie stellten jene Faktoren vor, die zur seriösen Beantwortung der Fragestellung, welchen Effekt die künstliche Beschneiung auf das Klima hat, zu klären sind und zeigten kooperative Handlungsoptionen auf, die – koordiniert durch das Schneezentrum Tirol – dazu beitragen können, die noch offenen Fragen zu beantworten.
Georg Kaser, Professor am Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften, übt nach eingehender Auseinandersetzung mit der Studie des Joanneum Kritik an der Vorgehensweise: „Besonders kritisiere ich das Fehlverhalten im wissenschaftlichen Arbeiten. Wissenschaft hat keine Gesetze, die man einfordern kann, wohl aber existiert ein Kodex des wissenschaftlichen Arbeitens, der in der vorgelegten Studie nicht eingehalten wurde. Ergebnisse müssen vor der Veröffentlichung durch Begutachtungen geprüft werden, um dann in weiterer Folge auch fachlichen Kontrollen standhalten zu können. Dazu müssen Datengrundlagen und Berechnungsmethoden der wissenschaftlichen Gemeinde nachvollziehbar zugänglich gemacht werden. Dieser Schritt wurde in der besprochenen Studie leider nicht unternommen. Wir sind offen für den wissenschaftlichen Dialog, allerdings nur unter Einhaltung der wissenschaftlichen Standards auf allen Seiten.“
Wolfgang Gurgiser, Koordinator des Forschungsschwerpunkts „Alpiner Raum – Mensch und Umwelt“, führt die inhaltlichen Kritikpunkte an der Joanneum-Studie näher aus: „Die Autoren der Studie machen einen kühlenden Effekt fest – den Albedo-Effekt, also die Reflektion der Schneedecke – und einen wärmenden – den Stromverbrauch bzw. dessen CO2-Bilanz. Den Albedo-Effekt schätzen sie vier Mal so hoch ein wie den der Stromproduktion und kommen so zum vermeintlichen Schluss, dass Schneekanonen für das Klima positiv seien. Aber nicht nur ist die Basis dieser Aussage völlig unklar, die Steirer Kollegen berücksichtigen auch weder den langfristigen Effekt, den der CO2-Ausstoß auf das Klima hat, noch weitere Faktoren, die mit der Beschneiung unmittelbar zusammenhängen: Etwa, dass Infrastruktur errichtet und gewartet werden muss, damit man überhaupt beschneien kann – das stößt alles CO2 aus –, oder die Energieabstrahlung der Erdoberfläche, die bei Schneebedeckung einen kühlenden Effekt auf die Umwelt hat. Welche Auswirkung die Beschneiung auf das Klima hat, kann deshalb derzeit niemand seriös beantworten.“
Laut Michael Rothleitner, dem Leiter des Schneezentrums Tirol, ist es im Interesse vieler, zu wissen, wie es mit dem Wintersport weitergeht. Aus diesem Grund zeigte er sich erfreut über den Anstoß, den die Studie der Joanneum Research Forschungsgesellschaft mbH gegeben hat, denn dadurch wurde seiner Ansicht nach eine wertvolle Diskussion in Gang gesetzt. „Noch dankbarer bin ich dafür, dass diese Fragestellungen nun von Wissenschaftlern seriös untersucht werden und wir uns gemeinsam darüber Gedanken machen können, wo die Handlungsoptionen für die Zukunft liegen“, so Rothleitner. Als Beispiele nannte er die Verbesserung des Schneemanagements sowie die Grundlagenforschung auf technischer Ebene.