Ein Vergleich

Pflege: Landesverband blickt nach Österreich und in die Schweiz

Mittwoch, 24. Mai 2023 | 12:41 Uhr

Bozen – Der Landesverband der Sozialberufe wirft einen Blick Südtirols Grenzen hinaus nach Österreich und in die Schweiz. Das sind jene Länder, in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Sozial- und Gesundheitsberufen abwandern. Laut aktuellen Daten des Arbeitsmarktservices wandern nämlich jährlich rund 1000 Menschen unter 30 aus Südtirol ab, weil sie im Ausland attraktivere Jobs finden. „Bleibt die Frage, wie lange wir uns das noch leisten wollen und können“, so der Landesverband.

In Österreich präsentierte vor rund einem Jahr Sozialminister Johannes Rauch, am Internationalen Tag der Pflege die Pflegereform als erfolgreichen ersten Schritt. Die Pflegereform enthält 20 Maßnahmen und umfasst ein Budget von einer Milliarde Euro. Inzwischen sind alle 20 Maßnahmen umgesetzt. Im Finanzausgleich will Rauch die Finanzierung der Pflege langfristig sichern. Eine nachhaltige Gehaltslösung für Pflegebedienstete sei das Ziel.

Im ausgearbeiteten Modell anspruchsberechtigt sind laut Vorgaben des Bundes alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pflegeberufen (Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz, diplomierte Gesundheits- und Krankenpflege) und Sozialbetreuungsberufen (Diplom-Sozialbetreuer, Fach-Sozialbetreuer, Heimhelfer), die in Krankenanstalten, in Alten- und Pflegeheimen, bei mobilen Betreuungs- und Pflegediensten, Einrichtungen der Behindertenarbeit, sowie in Kureinrichtungen Dienst verrichten und für Auszubildende gibt es zumindest 600 Euro pro Monat bzw. pro Praktikumsmonat.

In der Schweiz wurde am 28. November 2021 die Initiative „Für eine starke Pflege“ von Volk und Ständen mit einem Ja-Anteil von 61 Prozent angenommen. 61 Prozent der Stimmbürgerinnen und -bürger, mit Ausnahme von Appenzell Innerrhoden, stimmten mit Ja. Als Konsequenz der Initiative, wird ein neuer Verfassungsartikel geschaffen, der die Situation in den Pflegeberufen verbessern soll. Das Parlament hat vier Jahre Zeit, um einen Gesetzesartikel für die Umsetzung der Initiative zu erlassen. „Keine Frage, die Schweiz hat ein deutliches Zeichen der Solidarität für eine strake Pflege gesetzt“, erklärt Marta von Wohlgemuth von der Geschäftsführung des Landesverbandes der Sozialberufe.

Zurück nach Südtirol

In Südtirols Sozialdiensten arbeiten laut Angaben des Verbandes in den 568 sozialen Diensten und Einrichtungen 8.915 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Davon sind 7.558 Frauen und 1.357 Männer. In Südtirol sind über 15.000 Menschen pflegebedürftig. Für diese Menschen wurden im Vorjahr 245,4 Millionen Euro bereitgestellt, rund 123 Millionen davon gingen an Pflegebedürftige, die zu Hause betreut wurden.

Dies seien durchaus beachtliche Beträge, die hier investiert werden. Deshalb sei es notwendig, die Stellung des Sozialbereiches im Wirtschaftskreislauf wahrzunehmen, so der Landesverband der Sozialberufe: „Eine zentrale Rolle in dieser Branche nehmen die Berufe ein und das sind im Wesentlichen die Sozial- und Gesundheitsberufe. Es sind dies zukunftsorientierte Berufe und dennoch fehlen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an allen Ecken und Enden.“

Sie würden gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen erbringen, die eine unabdingbare Voraussetzung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt seien, aber sie stünden immer noch im Schatten der Profite. „Zudem können diese Berufe für sich in Anspruch nehmen, dass viele Menschen nur deshalb einer eignen Erwerbstätigkeit nachgehen können, weil Sozial-, Gesundheits- und Bildungsberufe täglich für Menschen mit Unterstützungsbedarf tätig sind. Soviel zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, erklärt der Landesverband.

Der monetäre Wert der Sozialberufe mit Fach- Berufsausbildung in Südtirol

Die Südtiroler Landesregierung hat mit der Haushaltsänderung 2022 für einen Dreijahreszeitraum für die Pflege- und Betreuungsberufe in den Sozialdiensten der Bezirksgemeinschaften, den Seniorenwohnheimen und ähnlichen Diensten insgesamt 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Diese wurden wie folgt aufgeteilt: 20 Millionen Euro im Jahr 2022, 15 Millionen Euro im Jahr 2023 und 15 Millionen Euro im Jahr 2024.

Wie wurden diese Gelder 2022 eingesetzt? Im Jahr 2022 wurde der Teilvertrag zum Bereichsabkommen für die Bediensteten der Gemeinden, Bezirksgemeinschaften und Ö.B.P.B. im August 2022 unterschrieben.

„Dabei wurden die verschiedenen Zulagen wie Aufgabenzulage, Zulage für Turnus-, Feiertags- oder Nachtdienst, Vergütung für Aufrechterhaltung des Dienstes, Koordinierungszulage, Stellvertreter-Zulage sehr unterschiedlich verteilt. Mit diesem Schachzug hat man den Wert der Sozialberufe in zwei Kategorien eingeteilt, einmal in jene, die in den Seniorenwohnheimen arbeiten, und dann in jene, die in teilstationären und ambulanten Einrichtungen tätig sind. Vom Landeshauptmann wurde dann in Aussicht gestellt, dass sehr bald im Nachtragshaushalt ‚neue‘ Gelder für die Vertragsverhandlungen zur Verfügung stehen werden, welche die Jahre 2023-2024 betreffen sollen. Damit sollten endlich, die Einstufungen und Funktionsebenen der Sozialberufe mit Fach- bzw. Berufsausbildung verhandelt werden, dazu gab es verbindliche Zusagen des Landeshauptmannes. Wenn man die derzeitigen Vertragsverhandlungen mit verfolgt, scheint es diese Zusagen nie gegeben zu haben“, so der Landesverband.

Die Ausbildung

Mit der Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen Land, Verband der Seniorenwohnheime und dem Bildungshaus Lichtenburg wurde die rechtliche Basis für den neuen Ausbildungslehrgang geschaffen, welche es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ermöglicht, als Privatisten die Prüfung an den beiden Landesfachschulen für Sozialberufe abzulegen. „Mit diesem Abkommen hat man eine neue Kategorie von Pflegehelfern und Sozialbetreuern, bzw. eine weitere Abspaltung geschaffen. Der Vergleich: Die Schweiz hat als Konsequenz der Initiative einen neuen Verfassungsartikel geschaffen, der die Situation in den Pflegeberufen verbessern soll“, erklärt der Landesverband der Sozialberufe.

Ausgehend von der am 7. September 2022 von der Europäischen Kommission veröffentlichten „Europäischen Strategie für Pflege und Betreuung“ sei es das Ziel, hochwertige, bezahlbare und leicht zugängliche Pflege- und Betreuungsdienste in der gesamten Europäischen Union zu gewährleisten. Ein weiteres Ziel seien bessere Arbeitsbedingungen bei Betreuungs- und Pflegediensten, bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben.

„Diese Zielsetzung gilt auch für Südtirol: Deshalb brauchen diese Berufe die Rahmenbedingungen, die ihrer wichtigen Bedeutung für den Zusammenhalt in der Gesellschaft entsprechen, denn kompetente Menschen ergreifen nur dann einen Sozialberuf, wenn sie entsprechend bezahlt werden. Wir brauchen ein Landesgesetz nach dem Vorbild des oberösterreichischen Sozialberufgesetzes“, so Marta von Wohlgemuth von der Geschäftsführung des Landesverbandes der Sozialberufe. Dieses regelt die Ausbildung, das Berufsbild und die Tätigkeit der Angehörigen der Sozialberufe, um eine fachgerechte und an den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtete Berufsausübung bei der Mitgestaltung der Lebenswelt von Menschen, die aufgrund von Alter, Behinderung oder anderen schwierigen Lebenslagen in ihrer Lebensgestaltung benachteiligt sind oder deren persönliche und soziale Entwicklung gefährdet erscheint, sicherzustellen.

„Für die Ausbildung zum Sozialberuf müssen grundsätzlich finanzielle Anreize geschaffen werden, z.B. sollte es in Zukunft für die notwendigen Praktika dieser Berufe eine faire Entlohnung geben, und nicht nur ein Taschengeld“, heißt es vom Verband. Wie für Auszubildende in Österreich solle es zumindest 600 Euro pro Monat bzw. pro Praktikumsmonat geben.

„Auch in Südtirol müssen wir Betreuung und Pflege umfassend denken, denn das ganze System befindet sich in einer Transformationsphase. Denn durch den demografischen Wandel wird der Bedarf an Pflegeleistungen weiterhin steigen, während gleichzeitig weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt nachrücken. Denn einzelne Initiativen, welchen von Partikularinteressen einzelner Verbände und Organisationen ausgehen, werden uns nicht aus der Sackgasse führen, im Gegenteil“, erklärt Marta von Wohlgemuth von der Geschäftsführung des Landesverbandes der Sozialberufe abschließend.

Von: mk

Bezirk: Bozen