Von: mk
Völs – Wohnen wird in Südtirol immer teurer. Neue Wohnraummodelle könnten das Wohnen leistbarer und nachhaltiger machen. Welche Modelle für Südtirol infrage kommen und warum die Wohnkultur neu gedacht werden muss, waren Themen der Jahrestagung der Plattform Land in Völs.
Preise von 7.000 bis 8.000 Euro und mehr für einen Quadratmeter Wohnfläche sind auch in Südtirol keine Seltenheit mehr. Viele, vor allem junge Familien, aber auch Alleinerziehende, tun sich immer schwerer, eine Wohnung zu erwerben bzw. zu mieten – auch im ländlichen Raum. „Wenn wir wollen, dass die Dörfer lebendig und attraktiv bleiben und besonders junge Familien auf dem Land bleiben sollen, müssen wir leistbare Wohnungen schaffen“, sagte Andreas Schatzer, der Präsident der Plattform Land. „Zusammen mit attraktiven Arbeitsplätzen, Geschäften, Gasthäusern, Arztpraxen, Kitas und Spielplätzen sowie funktionierenden Diensten und schnellem Internet machen sie den ländlichen Raum lebenswert und verhindern Abwanderung.“ Einen großen Vorteil für den ländlichen Raum sieht Schatzer in der zunehmenden Digitalisierung. „Immer mehr Menschen arbeiten zum Teil von zu Hause aus. Wenn schnelles Internet vorhanden ist, macht es keinen Unterschied, ob jemand in der Stadt oder auf dem Land lebt.“ Auch hob er die kürzlich beschlossene Regelung zu Wohnungen mit Preisbindung hervor, die dazu beitragen kann, das Wohnen günstiger zu machen.
Leistbares und nachhaltiges Wohnen ist auch in Baden-Württemberg ein Thema, bestätigte Peter Hauck, Minister für den Ländlichen Raum in Baden-Württemberg. Um den Wohnraum günstiger zu machen, hat das Land eine Wohnraumoffensive für leistbares Wohnen gestartet Damit werden Gemeinden unterstützt, die bezahlbaren Wohnraum schaffen wollen. „Kaufen Gemeinden ein Grundstück für den Wohnungsbau, kann der Kauf über diesen Fonds vorfinanziert werden“, so Hauk. Zudem gibt es im Land ein „Kompetenzzentrum Wohnen“, das die Gemeinden berät. Forciert werden in Baden-Württemberg auch das gemeinschaftliche Wohnen, wie Mehr-Familien-Häuser, die Nutzung von Leerständen dank finanzieller Anreize und die Umwidmung von Gewerbeimmobilien in Wohnimmobilien. Auch die Innenverdichtung spielt eine immer größere Rolle.
Hauk stellt in Baden-Württemberg fest, dass sich der Blick auf das Wohnen ändert. „Besonders junge Menschen denken nicht sofort an ein Eigenheim, sondern gehen zuerst in Miete. Und ältere Menschen ziehen in kleinere Wohnungen, statt in ihren großen Wohnungen meist etwas außerhalb der Zentren zu bleiben. Auch das könne dazu beitragen, die Wohnungssituation zu entschärfen und die Preise zu drücken. Um das Klima zu schützen, würden immer mehr Häuser in Holzbauweise errichtet. „Wir müssen bei der Planung neu denken und mehr Vielfalt bei den Wohnmodellen zulassen“, appellierte Hauk.
Gute Erfahrungen mit gemeinschaftlichem Bauen und Wohnen, wie Baugruppen, Wohngemeinschaften, Clusterwohnungen, betreutes oder Generationenwohnen, hat man in Vorarlberg gemacht, berichtete Peter Steurer von der Regionalentwicklung Vorarlberg. „Gemeinschaftliche Wohnbauprojekte haben einen sozialen, ökonomischen und ökologischen Mehrwert. Sie schaffen leistbaren Wohnraum, weil die Bau- und Erhaltungskosten geringer sind, sorgen für eine soziale Durchmischung und Wohnungsgrößen, die jederzeit an den Bedarf angepasst werden können. Zudem sind beim gemeinschaftlichen Wohnen vielfältige Wohnformen möglich.“ Vor allem aber seien der Flächenverbrauch geringer und die Ressourcen- und Energieeinsparung größer.“ Steurer appellierte daher an die politisch Verantwortlichen, alternative Wohnbauformen zu fördern und Leerstände zu reduzieren.
Dass auch in Südtirol neue Wohnformen langsam im Kommen sind, zeigte Michael Epp, der Bürgermeister von Truden, auf. Ziel sei auch hier, das Wohnen leistbarer zu machen. „In Truden entsteht ein Mehrgenerationenhaus mit einer Tagesstätte, fünf Wohnungen für betreutes, begleitetes Wohnen, mit einer Künstlergalerie und Wohnungen für junge Menschen und Singles.“ Das Mehrgenerationenhaus solle neben dem Wohnen ein Ort der Begegnung sein. Bürger konnten sich mit ihren Ideen im Vorfeld einbringen. Eine große Herausforderung ist nun die Finanzierung.
Für Daria Habicher von LIA-Collective brauche es ein Umdenken bei der Wohnkultur. Themen wie der Flächenschutz oder der Klima- und Ressourcenschutz durch Null-Energie-Häuser oder CO2-neutrales Bauen müssten zukünftig eine größere Rolle spielen.
Interessant könnten sog. Tiny-Häuser (Kleinsthäuser) werden. Habicher berichtete über ihre Erfahrungen mit dem „Tiny FOP MOB“, einem Forschungsprojekt unter anderem der EURAC, das zum Nachdenken über die Nachhaltigkeit in der Baubranche anregen sollte.
Zum Abschluss der Tagung diskutierten Landesrätin Waltraud Deeg, Daria Habicher, Gerlinde Haller von Cohousing Südtirol, Christine Pfeifer von Vivius und Sylvia Dell`Agnolo von der Architektenkammer über die Nutzung von Leerständen, um das Wohnen leistbarer zu machen. Landesrätin Waltraud Deeg sprach sich für eine gezielte Nutzung von Leerständen aus. Das könne durch Anreize gelingen. Es sei aber auch über Vorkaufsrechte für Gemeinden bei Gebäuden, die seit langem leerstehen, zu diskutieren. Sylvia Dell`Agnolo forderte mehr Mut, neue Wohnbauformen anzudenken. Um das Bauen günstiger zu machen, sollte Überflüssiges weggelassen werden. Ein großer Kostenpunkt seien immer die Tiefgaragenplätze für Autos.
Gerlinde Haller sieht ebenfalls in neuen Wohnformen eine Möglichkeit, die Kosten für das Wohnen zu reduzieren. Es brauche Alternativen zum freien, geförderten und sozialen Wohnbau in Südtirol. Christine Pfeifer unterstrich, dass nachhaltiges Bauen und leistbares Wohnen gleichzeitig möglich seien. Es dürfe nicht vergessen werden, dass neben den Baukosten auch die Wartungskosten zu berücksichtigen sind. Wer nachhaltig baut, habe in der Regel nach dem Bau deutlich geringere laufende Ausgaben. Das müsse in der Planung mehr berücksichtigt werden.