„Omnibusgesetz“ soll Landesverbraucherschutzgesetz ändern

Qualitätschartas: VZS wehrt sich gegen „Einschränkungen“

Montag, 15. Juli 2019 | 14:05 Uhr

Bozen – Mit einem Artikel des Omnibusgesetzes sollen die Kompetenzen der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) beschnitten werden. Aus dem Landesverbraucherschutzgesetz soll ein Buchstabe gestrichen werden, der festlegt, dass es Aufgabe der Verbraucherzentrale ist, bei der Festlegung der Qualitätsstandards jener örtlichen öffentlichen Dienstleistungen mitzuwirken, die von privaten Rechtsträgern erbracht werden, sowie die Anwendung dieser Qualitätsstandards zu überwachen. Damit werde eine grundlegende europäische und nationale Aufgabe des Verbraucherschutzes für Südtirol in Frage gestellt, erklären die VZS-Vorsitzende Priska Auer und Geschäftsführer Walther Andreaus in einem offenen Brief an den Landeshauptmann und die Landtagsabgeordneten.

Dieser Buchstabe im Landesverbraucherschutzgesetz überträgt eine nationale Norm aus dem Jahr 2007 nach Südtirol: Der nationale Gesetzgeber hat vorgegeben, dass bei der Vergabe von öffentlichen Diensten durch örtliche Körperschaften an Private in Abstimmung mit den Verbraucherschutzvereinen eine Qualitätscharta zu erarbeiten ist, welche die Qualitätsstandards der Dienste festlegt, und dass die Vereine in die periodische Überprüfung und Überwachung dieser Standards einzubeziehen sind. Die Tätigkeiten der Verbrauchervereine sind dabei vom Vertragsnehmer – also jenem Subjekt, das den Dienst ausführt – zu vergüten, und es entstehen keine Kosten für die öffentliche Hand.

„Eine Streichung dieses Absatzes hätte zur Folge, dass in Südtirol, wie im restlichen Staatsgebiet, alle 20 anerkannten Verbrauchervereine für diese Aufgabe zuständig wären. Erfahrungsgemäß ist es nahezu unmöglich, zwischen so vielen Akteuren einen Konsens für einheitliche Inhalte zu finden – oder aber das Ganze verwandelt sich in ein ‚Abnicken‘ von vorgelegten Dokumenten, die wenig zur Qualität beitragen“, warnt die Verbraucherzentrale in dem Brief.

Die Festlegung und fortwährende Überprüfung von Qualitätsstandards in ausgegebenen öffentlichen Diensten – das sind unter anderem der öffentliche Nahverkehr, die Dienste in Frauenhäusern für Frauen in Notsituationen, der Transport von Schülerinnen und Schülern mit eingeschränkter Mobilität sowie vielfach Dienste an benachteiligten Personen – dürfe jedoch weder eine Plattform für die Profilierung einzelner Vereine noch eine leere Routinezustimmung sein, sondern müsse konkret für jede einzelne Situation erarbeitet und umgesetzt werden können, so die VZS.

„Führt man hier mit dieser geplanten Streichung Zustände wie im restlichen Staatsgebiet herbei, verheißt das wenig Gutes für die Nutzer und Nutzerinnen dieser Dienste“, so die VZS.

Die verpflichtenden Qualitätschartas wurden vor zwölf Jahren per Gesetz eingeführt. „Nach sehr mühsamen Anfängen beginnt sich sowohl bei den vergebenden Körperschaften als auch bei den übernehmenden Subjekten endlich das Bewusstsein zu bilden, dass diese ein Instrument sind, von dem alle Beteiligten nur profitieren können. Dank unseres jahrelangen Einsatzes zeigen sich die ersten konkreten Ergebnisse – der europaweit einzigartige Pendlerbonus als Ersatzleistung für Verspätungen im öffentlichen Nahverkehr, der 2019 erstmals an die Südtiroler Pendlerinnen und Pendler ausbezahlt wurde, sei hier nur als Beispiel genannt“, fährt die Verbraucherzentrale fort.

Auch anhand dieser Ergebnisse sei es absolut nicht nachvollziehbar, „warum durch solche Querschüsse an der bestehenden Norm herum gesägt werden soll – noch dazu, ohne die betreffende Institution auch nur um eine Stellungnahme zu bitten“.

Die vorgebrachte Begründung, dass dieser Buchstabe überflüssig sei, weil durch einen Beschluss der Landesregierung bereits abgedeckt, entspricht laut VZS nicht den Tatsachen. Zitiertem Beschluss der Landesregierung fehle ohne den entsprechenden Teil des Landesverbraucherschutzgesetzes die spezifische Rechtsgrundlage.

Dabei werde der öffentliche Beitrag als „überholt“ bezeichnet, als wolle man eine „doppelte“ öffentliche Finanzierung derselben Tätigkeit verhindern, heißt es in dem Brief weiter. „Dabei war und ist eine solche öffentliche Doppelfinanzierung überhaupt nicht gegeben: Der Absatz im Landesverbraucherschutzgesetz betrifft nicht die Finanzierung, sondern er verankert allein die sachliche Zuständigkeit der Verbraucherzentrale Südtirol für die Qualitätschartas in Südtirol. Streicht man aber diese Zuständigkeit weg, verzichtet man auf eine autonome Regelung für Südtirol – ein Rückschritt, der seinesgleichen sucht“, warnt die VZS.

Eine öffentliche Finanzierung der Verbraucherzentrale für die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Qualitätscharta sei ohnehin seit jeher ausgeschlossen, da bereits das Haushaltsgesetz 2008 eine Finanzierung durch die öffentlichen Haushalte ausschließe, und festlege, dass die Qualitätscharta von den Auftragnehmern zu finanzieren sei. Zur Klärung der Angelegenheit ersuchen die Vertreter der Verbraucherzentrale den Landeshauptmann um eine dringende Aussprache.

Von: mk

Bezirk: Bozen