Von Eurac Research analysiertes Modell wird getestet

Start für neue Fernwärme-Technologie mit Niedertemperatur

Montag, 22. Oktober 2018 | 12:16 Uhr

Bozen – Durch Fernwärmenetze kann die Abwärme von Industrieprozessen genutzt werden, um Gebäude zu heizen und mit Warmwasser zu versorgen. In traditionellen Fernwärmeanlagen wird mit der Abwärme Wasser auf hohe Temperaturen erhitzt und anschließend durch ein Rohrsystem gepumpt; die Wärmequelle sind hier Heizkessel, Heizkraftwerke oder Abwärme von großen Industrieanlagen. Energieexperten von Eurac Research haben analysiert, wie Fernwärmenetze auch mit niedrigeren Temperaturen funktionieren können. Damit ist es möglich, sehr viel mehr Wärmequellen als bisher zu nutzen – etwa Kühlanlagen von Supermärkten, deren Abwärme bislang ungenutzt verpufft, oder Serverräume von großen Büros, die sogar aufwändig gekühlt werden müssen. Ein weiterer Vorteil: Durch die niedrigere Temperatur geht beim Transport weniger Wärme verloren.

Drei Jahre lang untersuchten Forscher von Eurac Research im Energy Exchange Lab im NOI Techpark mittels Tests und Simulationen, wie Fernwärmenetze mit Niedrigtemperaturen funktionieren können. „Die neuen Fernwärmemodelle transportieren die Wärme bei 10 – 30 Grad Celsius, also bei weit niedrigeren Temperaturen als den bisher üblichen 70-90 Grad. Für die Nutzung der Wärme sind dann dezentrale Wärmepumpen nötig, aber es können viele neue Wärmequellen genutzt werden, mit wirtschaftlichen und ökologischen Vorteilen: Überschüssige Abwärme verpufft nicht mehr in der Atmosphäre, und die Betriebe könnten sie sogar ans Fernwärmenetz verkaufen“, erklärt der Projektverantwortliche Roberto Fedrizzi. Durch die niedrigeren Temperaturen geht auch weniger Wärme beim Transport verloren und es können einfachere und kostengünstigere Rohre verwendet werden.

Nachdem die neue Technologie in Bozen untersucht wurde, testen die Wissenschaftler und Projektpartner sie nun an vier Orten unter realen Bedingungen. In Ospitaletto bei Brescia wird die Abwärme eines Stahlwerks genutzt (30 Grad), in der deutschen Stadt Wüstenrot die Abwärme des Abwassersystems (mittlere Jahrestemperatur 15 Grad), im holländischen Heerlen dient eine Waschmittelfabrik als Wärmequelle (40 Grad) und in Rotterdam ein Krankenhaus (30 Grad).

„Niedertemperaturnetze können herkömmliche Netze nicht direkt ersetzen, doch sie können interessante Erweiterungen und Ergänzungen sein. Nachdem in solchen Netzen die Kunden sowohl heizen als auch kühlen können, d.h. Wärme abnehmen aber auch einspeisen, ändert sich das Geschäftsmodell. Damit die erprobten Lösungen verwirklicht werden, arbeiten wir auch an Investment- und Führungsmodellen“, ergänzt Wolfram Sparber, Leiter des Instituts für Erneuerbare Energie von Eurac Research.

Das Projekt wird von Eurac Research geleitet und von einem Konsortium aus zehn öffentlichen und privaten Partnern umgesetzt; dabei arbeiten Energie-Unternehmen, Forscher und Verwaltungen zusammen. In Italien setzt COGEME SpA Maßnahmen im Fernwärmenetz von Ospitaletto um, und ALPERIA und Linea Group Holding entwickeln Modelle, um Anwendungsmöglichkeiten in den eigenen Netzen zu evaluieren.

Die Testphase beginnt in den nächsten Monaten und wird von der Europäischen Kommission im Rahmen des Programms Life+, Projekt Life4HeatRecovery, kofinanziert.

Von: luk

Bezirk: Bozen