Für das AFI sind die Eckdaten ok

Stimmung bei Südtirols Arbeitnehmern etwas eingebremst

Donnerstag, 28. Juli 2016 | 12:16 Uhr

Bozen – Die Eckdaten für die Südtiroler Wirtschaft sind zu Jahresmitte recht zufriedenstellend, doch die Stimmung hat sich bei Südtirols Arbeitnehmern leicht eingetrübt, weiß das Südtiroler Arbeitsförderungsinstitut zu berichten. Internationale Schreckensmeldungen von Terroranschlägen, das unischere Szenario nach dem Brexit-Referendum sowie Meldungen betreffend strauchelnde Banken färben scheinbar auch auf das Stimmungsbild in Südtirol negativ ab. „Im Unterschied zur Handelskammer haben wir unsere Wachstumsprognose schon zu Jahresbeginn äußerst konservativ formuliert, was uns nun erlaubt, an der Wachstumsprognose von einem Prozent für die Südtiroler Wirtschaft im Jahr 2016 festzuhalten“, erläutert AFI-Direktor Stefan Perini.

Brexit, Attentate und Terrorakte, Stresstests bei systemrelevanten europäischen Banken: in den letzten Wochen haben vor allem Themen wie diese das internationale Umfeld mitgeprägt. Gleichzeitig blieben viele der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der EU weitgehend positiv: Niedrigzinsen, geringe Inflation, schwacher Euro. Der Internationale Währungsfonds hat im Juli seine Wachstumsprognosen leicht nach unten revidiert. Die erwarteten Wirtschaftswachstumsraten für 2016 sind: USA +2,2 Prozent, Eurozone +1,6 Prozent, Deutschland +1,6 Prozent und Italien +0,9 Prozent. In Italien hat sich die Stimmung sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Verbrauchern mit Jahreswechsel von hohem Niveau aus deutlich eingetrübt. Politische Beobachter sehen in der Abstimmung zum Verfassungsreferendum im September die definitive Bewährungsprobe für die italienische Regierung.

Südtirol: Die Lage ist besser als die Stimmung

“In Südtirol haben sich die Stimmungsindikatoren der Arbeitnehmer mehrheitlich abgeschwächt, allerdings nicht in dem Maße, wie auf nationaler Ebene.” Positiv hervorzuheben sei für Südtirol die wahrgenommene Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes (zu 93 Prozent als sicher empfunden) sowie die Perspektive, einen gleichwertigen Job zu finden (der höchste Wert seit Beginn der Erhebung im Sommer 2013). “Doch es gibt auch Schattenseiten: Die Rückbildung der Zahl an Arbeitslosen könnte in den nächsten Monaten ins Stocken geraten. Der Anteil der Südtiroler Arbeitnehmer der angibt, nur mit Schwierigkeiten über die Runden zu kommen, weil das Geld nicht bis ans Monatsende reicht, steigt wieder auf 36 Prozent an. Schließlich wird eine gewisse Verunsicherung bei den Arbeitnehmern deutlich, was ihre Sparfähigkeit in den nächsten zwölf Monaten anbelangt. Meldungen über strauchelnde Banken, die allgemeine Unsicherheit an den Finanzmärkten und niedrige Sparzinsen bilden hierfür kein förderliches Umfeld”, so das AFI.

AFI-Wachstumsprognose für Südtirols Wirtschaft unverändert

“Zu Jahresmitte 2016 präsentieren sich die Eckzahlen zu Südtirols Wirtschaft durchaus zufriedenstellend: Der Positiv-Trend am Südtiroler Arbeitsmarkt hat sich im 1. Halbjahr 2016 gefestigt (Beschäftigung: +2,5 Prozent, Zahl an Arbeitslosen: -2,1 Prozent, Arbeitslosenrate: 3,8 Prozent). Die Erholung ist nun auch im Baugewerbe in aller Deutlichkeit sichtbar. Die Exporte konnten im 1. Quartal 2016 gesteigert werden (+4,7 Prozent), ebenso die Importe (+0,9 Prozent). Die touristische Wintersaison schloss mit einem Nächtigungsplus von +6,2 Prozent ab – berücksichtigt man nur die ersten vier Jahresmonate waren es +5,7 Prozent. Des Weiteren ist anzumerken, dass die Aussichten für Südtirol gerade wegen der vergleichsweise geringen Terrorgefahr auch für das zweite Halbjahr besonders gut sind. Die Inflation bleibt mit +0,3 Prozent im Schnitt der ersten sechs Jahresmonate knapp im positiven Bereich. Besondere Aufmerksamkeit gilt in dieser Phase dem Kreditmarkt. Zwar ist das Kreditvolumen in den ersten vier Jahresmonaten insgesamt um +2,6 Prozent angestiegen, aber die Kreditvergabe an Unternehmen ist in den Monaten März und April eingebrochen. Die AFI-Wachstumsprognose für Südtirols Wirtschaft von +1,0 Prozent im Jahr 2016 bleibt nichtsdestotrotz aufrecht”, heißt es weiter.

“Entlohnungen und Ungleichheit: Arbeitnehmer sehen in Südtirol großen Nachholdarf”

“Die Ergebnisse der Umfrage sprechen für sich: Gemessen an den Lebenshaltungskosten in Südtirol sprechen sich 58 Prozent der Arbeitnehmer unzufrieden mit ihrem Gehalt aus. In Bezug auf die wahrgenommene Ungleichheit geben 85 Prozent der Befragten an, dass die Unterschiede zwischen jenen, die viel haben und jenen, die wenig haben, in Südtirol „sehr groß“ oder „eher groß“ seien. Den Hauptgrund für die Kluft zwischen Arm und Reich sieht Südtirols Arbeitnehmerschaft im Steuersystem, in der Lohnpolitik und in der Wirtschaftspolitik. Um in Südtirol die Nase vorne zu haben, brauche es vor allem eine gute Schulbildung, Glück, die richtigen Netzwerke und harte Arbeit. Internationale Studien zeigen eine andere Reihung: „harte Arbeit“ steht hier an zweiter und „Glück“ an vierter Stelle. Die Interventionsschienen, um Ungleichheit entgegenzuwirken, entsprechen jenen, die von der OECD vorgeschlagen sind: die Garantie einer soliden Bildungsbasis, eine aktive Beschäftigungspolitik, ein progressives Steuersystem mit Transferleistungen und die Förderung der Beteiligung von Frauen am Wirtschaftsleben.” Das AFI-Barometer erscheint viermal im Jahr (Winter, Frühjahr, Sommer, Herbst) und wiedergibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmerschaft. Die telefonisch geführte Umfrage betrifft 500 Arbeitnehmer und ist für Südtirol repräsentativ. Die nächsten Umfrage-Ergebnisse werden Mitte Oktober 2016 vorgestellt.

Stellungnahme von AFI-Präsident Toni Serafini

“Wir stellen fest, dass sich der mäßige Aufschwung in Südtirol fortsetzt, sehen aber trotzdem eine Reihe von Problemen, wie die voranschreitende Prekarisierung und „Voucherisierung“ am Arbeitsmarkt. Darüber hinaus halten die Entlohnungen nicht mit den Lebenshaltungskosten in Südtirol Schritt, insbesondere in jenen Sektoren, in denen der Kollektivvertrag nicht erneuert wurde (Metall und Großverteilung). In dieser Phase ist es mehr denn je wichtig, die soziale Kohäsion als Wert wiederzuentdecken.“

Stellungnahme von Landesrätin Martha Stocker

„Die vielfältigen und wachsenden Herausforderungen der europäischen Gemeinschaft wie Flüchtlingskrise und Brexit werden gerade in Südtirol im Herzen Europas genauestens beobachtet. Denn für unser Land an der Brücke zwischen deutschem und italienischem Sprach-, Kultur- und Wirtschaftsraum waren und sind die europäischen Werte der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit entscheidend. Trotz einer tendenziell steigenden Verunsicherung in Europa hält sich die Stimmung bei den Südtiroler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weitestgehend, das ist durchaus positiv hervorzuheben.“

Von: luk

Bezirk: Bozen