Potentialanalyse

Studie: Chancen für heimisches Geflügelfleisch

Donnerstag, 18. März 2021 | 22:58 Uhr

Bozen – Geflügel wird in Südtirol vor allem für die Eierproduktion gehalten. Mastgeflügel ist dagegen nur eine kleine Nische. Im Rahmen des Projekts „INNOGeflügel“ ist das Potential einer bäuerlichen nachhaltigen Mastgeflügelhaltung untersucht worden. Die Studie zeigt, dass das Interesse von Produzenten und Konsumenten für heimisches Huhn, Pute und Wassergeflügel groß ist. Einige Herausforderungen gilt es aber zu berücksichtigen.

Etwa 3,5 Millionen Hähnchen und knapp über 200.000 Truthähne werden in Südtirol jährlich von Einheimischen und Gästen nachgefragt. Davon kommen aber nur knapp 1.600 Masthühner und einige Hundert Puten aus Südtirol. Lediglich etwas mehr als ein Dutzend heimischer Betriebe hält Mastgeflügel für den Verkauf, während es bei den Legehennenbetrieben immerhin über 120 sind. „Die Nachfrage nach Geflügelfleisch übersteigt das Angebot um ein Vielfaches und wird weiter steigen. Eine Verbraucherumfrage bestätigt, dass das Interesse an regionalem Qualitätsfleisch von Seiten der Abnehmer durchaus gegeben ist“, sagt Dr. Thomas Zanon, Nutztierwissenschaftler an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik der Freien Universität Bozen und Mitautor der Studie. Besonders Masthühner und Truthähne scheinen nachgefragt zu sein, während bei Suppenhühnern, Enten, Weidegänsen und Wachteln das Interesse saisonal begrenzt ist. Zudem zeigt die Corona-Pandemie, wie wichtig es ist, die lokale Wertschöpfung und den Selbstversorgungsgrad mit landwirtschaftlichen Produkten zu steigern.

Groß ist auch das Interesse bei den Produzentinnen und Produzenten. „Immer mehr Bäuerinnen und Bauern könnten sich vorstellen, Geflügelfleisch, vor allem Puten und Masthühner, aber auch Legehennen bzw. Suppenhühner, auf ihren Betrieben zu halten und zu vermarkten.“ Ein Grund dafür ist, dass die Masthähnchenerzeugung vergleichsweise geringe Anforderungen an das Management und die Haltung stellen. Zudem sind auch die Investitionen für einen Einstieg in die Geflügelmast überschaubar, da keine besonderen baulichen oder haltungstechnischen Anforderungen erfüllt werden müssen. Auch die Schlachtung und die Verarbeitung sind bei Geflügel einfacher als z. B. bei Rindern. Zudem bietet Geflügel die Chance, die Produktion zu diversifizieren und das Sortiment an landwirtschaftlichen Produkten zu erweitern. Ein weiterer Vorteil: Die Geflügelhaltung kann bereits mit kleinen Beständen – 30 bis 40 Puten sowie ca. 800 Masthühner – gewinnbringend betrieben werden.

Zusätzlich zur Direktvermarktung können sich die Befragten auch eine Vermarktung über Genossenschaften oder Metzger vorstellen.

Neben den Chancen sowie praxistauglichen Produktions- und Geschäftsmodellen zeigt die Potentialanalyse, die im Rahmen des ELER-geförderten Projektes „INNOGeflügel“ von der Freien Universität Bozen erstellt wurde, auch die Herausforderungen. Die Konsumenten legen Wert auf eine hohe Qualität des Geflügelfleisches, eine artgerechte Haltung und eine ganzjährige Lieferung sowie einfache, kurze Lieferketten und standardisierte Qualitätsprüfungen. „Gerade eine ganzjährige Lieferung setzt mehr Betriebe und eine größere Zahl an im Land gehaltenen Tieren voraus“, sagt Dr. Thomas Zanon.

Zudem bevorzugen die befragten Abnehmer zertifizierte Produktionsbetriebe. Ebenfalls genannt wurde in der SBB-Umfrage die Notwendigkeit eines zentralen Ansprechpartners für das Geflügelfleisch und somit eine zentrale Vermarktungsorganisation, die neben ganzen Tieren auch zerlegte und gekühlte Ware sowie veredelte Produkte, wie etwa Wurstwaren, im Angebot hat. Viele Konsumentinnen und Konsumenten sind bereit, einen höheren Preis für heimisches Fleisch zu bPotentialanalyseezahlen, sofern die Qualität passt.

Auf Produzentenseite wurde die Notwendigkeit einer fachlichen Beratung sowie EU-zertifizierte Schlachthöfe mit genügend Kapazitäten oder ein Ausbau der mobilen Schlachtung gesehen. Ein schwer zu lösendes Problem ist die Abhängigkeit von externen Ressourcen, wie etwa den Futtermitteln. Hier liegt der Fokus auf Zulieferer aus der näheren Umgebung. Was die Herkunft der Küken betrifft, soll verstärkt auf die „Elterntierhaltung“ gesetzt werden.
Alles in allem aber überwiegen die Chancen einer nachhaltigen bäuerlichen Mastgeflügelhaltung in Südtirol, wie aus der Potentialanalyse klar hervorgeht. Daher dürfte die Zahl der Betriebe und Tiere in den nächsten Jahren kontinuierlich zunehmen. Letztlich hängt es aber auch von den Konsumentinnen und Konsumenten ab, wie viel heimisches Geflügelfleisch auf den Markt kommt.

 

Von: bba

Bezirk: Bozen