Von: mk
Bozen – Mit der Südtirol Wein Agenda 2030 hat die Weinwirtschaft ihren Weg in Richtung einer rundum nachhaltigen Produktion eingeschlagen – „unseren Weg in die Zukunft“, wie das Konsortium Südtirol Wein betont. Am Donnerstag hat das Konsortium darüber aufgeklärt, wie die nächsten Schritte zur Umsetzung der Strategie ausschauen, welche Systeme als besonders nachhaltig gelten und was die EU für die Weinwirtschaft bereithält.
Das Webinar zur Nachhaltigkeits-Strategie hat das Konsortium Südtirol Wein mit dem Verband der Kellermeister Südtirols und der Südtiroler Sektion der Önologenvereinigung „Assoenologi“ auf den Weg gebracht und dafür eine Reihe renommierter Referenten gewonnen: vom Nachhaltigkeits-Experten Alfred Strigl über Hans Reiner Schultz, Professor an der Hochschule Geisenheim, bis hin zu Europaparlamentarier Herbert Dorfmann. Sie alle sollten den Rahmen abstecken, in dem sich die Südtirol Wein Agenda 2030 und deren Umsetzung in den kommenden Jahren bewegen wird.
„Mit der Agenda setzen wir uns ambitionierte Ziele, um sie zu erreichen, müssen wir alle Beteiligten, allen voran die Weinbauern mitnehmen, sie aufklären und nicht von oben herab neue Regeln diktieren“, so Andreas Kofler. Der Präsident des Konsortiums Südtirol Wein unterstrich die Verpflichtung die mit der Strategie einhergehe: „Wir sind es den nächsten Generationen schuldig“, so Kofler. Dass die Umsetzung nicht aufgeschoben werden könne, betonte auch Hans Terzer, Präsident des Verbands der Kellermeister: „Obwohl auf unserer Agenda 2030 draufsteht, ist es höchste Eisenbahn, das Projekt anzugehen“, so Terzer. Dies auch, weil – wie Önologen-Präsident Stephan Filippi betonte – die Nachhaltigkeit bei den Konsumenten immer stärker präsent sei. „Die Agenda 2030 ist ein Meilenstein, um uns noch besser zu positionieren“, so Filippi.
Von der Strategie zur zertifizierbaren Richtlinie
Den Ball von Kofler, Terzer und Filippi nahm Alfred Strigl auf, der als Nachhaltigkeits-Experte einer der Autoren der Südtirol Wein Agenda 2030 ist. „Die Welt will nicht länger warten, alles zieht in Richtung Nachhaltigkeit, sie wird von allen Seiten gefordert: vom Weinmarkt bis zur Politik“, so Strigl. Er erläuterte am Donnerstag die fünf großen Teilbereiche der Agenda – Boden, Rebe, Wein, Mensch und Land – ebenso wie den weiteren Fahrplan und das Ziel, das man mit der Strategie anstrebe. „Wir wollen die Agenda in eine zertifizierbare, mit Land und Ministerium abgestimmte Richtlinie gießen“, so Strigl.
Dafür würden noch heuer „intern die Hausaufgaben gemacht“, die Arbeit in den einzelnen Arbeitsgruppen abgeschlossen und ein Kontrollplan genehmigt. „So können wir ab 2022 Selbstkontrollen durchführen und ab 2024 erste Betriebe zertifizieren“, so Strigl. Dazu komme die Schulung der Weinbauern und Betriebsleiter. Schließlich, so der Nachhaltigkeits-Experte aus St. Pölten, sei die Südtirol Wein Agenda 2030 „kein Alleingang des Konsortiums, sondern eine breite Bewegung“.
Sauerstoff für 110.000 Menschen
Als „den Fachmann für Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Weinbau“ stellte Moderatorin Barbara Raifer vom Versuchszentrum Laimburg am Donnerstag Hans Schultz, Professor an der Hochschule Geisenheim, vor. Er warf im Webinar einen Blick auf Anbautechnik und Wirtschaft und betonte dabei, wie wichtig der Lebensmittelmarkt für die Durchsetzung einer nachhaltigen Produktion sei. „Billige Lebensmittel sind eigentlich teuer, sie machen einen bewussten Umgang mit Ressourcen unmöglich“, so Schultz. „Wir brauchen einen wahren Preis, der alle – auch die versteckten – Kosten des Anbaus widerspiegelt“, erklärte der Professor.
Wolle man eine nachhaltige Produktion durchsetzen, seien neben dem wahren Preis neue Technologien, neue Anbaumethoden, neue Bio-Pflanzenschutzmittel, pilzresistente Sorten und bessere Prognosesysteme gefragt. „Wir brauchen Innovation, eine systematische und international abgestimmte Politik und Subventionen, die Maßnahmen fördern, mit denen Kohlenstoff-Emissionen reduziert werden“, so Schultz.
Er betonte allerdings auch, welchen Beitrag der Weinbau bereits für den Klimaschutz leiste. So produziere ein Hektar Weinberg rund 10 Millionen Liter Sauerstoff im Jahr. Das reiche für 20 Menschen. „Bei einer Anbaufläche von 5500 Hektar wie jener in Südtirol entspricht dies der Sauerstoffversorgung von 110.000 Menschen“, so der Geisenheimer Fachmann, der den Südtiroler Weg lobte. „Dass sich eine ganze Anbauregion dazu entschließt, in die gleiche Richtung zu ziehen, finde ich einen sehr, sehr guten Ansatz“, so Schultz. „Ich würde mir wünschen, in Deutschland wäre man so weit wie man in Südtirol schon ist.“
Qualität heißt auch ökologische Produktion
Darüber, was die EU plane, um die europäische Landwirtschaft nachhaltiger auszurichten, berichtete am Donnerstag Europaparlamentarier Herbert Dorfmann. Er betonte, dass die wichtigste Gesetzgebungsmaßnahme in Form des Europäischen Klimagesetzes bereits verabschiedet worden sei. „Die EU gibt damit verbindliche Ziele vor, es ist also weit mehr als nur eine Absichtserklärung“, so Dorfmann.
Derzeit noch ein „Nachdenkpapier“ sei dagegen die „Farm to Fork“-Strategie, die Wege vorsehe, die gesamte Kette von der landwirtschaftlichen Tätigkeit bis auf den Teller gesünder, nachhaltiger und ausgeglichener zu machen. „Diese Strategie ist eine Chance, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, den gesamten Lebensmittelsektor auf eine höhere Stufe zu hieven“, so der Europaparlamentarier. In den nächsten Monaten stünden weichenstellende Entscheidungen in der EU an: von der Einigung über die gemeinsamen Agrarpolitik bis 2027 über die Bindung von einem Viertel der Agrargelder für die Nachhaltigkeit bis hin zu einer Verdoppelung der EU-Investitionen in Forschung und Entwicklung in der Landwirtschaft.
„Wir können die Herausforderungen, die der Übergang mit sich bringt, nur schaffen, wenn es uns gelingt, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden“, so Dorfmann. Der Markt müsse ein ökologisch produziertes Gut zu schätzen wissen und bereit sein, einen höheren Preis dafür zu bezahlen. Die Weichen dafür seien schon gestellt: „Ich bin überzeugt, dass wir in ein Zeitalter kommen, in dem Lebensmittel nur dann als hochwertig erachtet werden, wenn sie auch ökologisch sinnvoll hergestellt wurden“, so Dorfmann.