"Ja zu Modernisierung, nein zu Überdimensionierung"

Südtiroler Bergführer gegen Trend zu Ausbau und Übererschließung der Berge

Donnerstag, 15. Juni 2023 | 07:30 Uhr

Bozen – Auf den Trend hin zu einem massiven Ausbau der Infrastruktur in Südtirols Bergen, vor allem in den Dolomiten, macht der Verband der Südtiroler Berg- und Skiführer aufmerksam. „Wir verstehen, dass es eine Modernisierung braucht“, so Präsident Thomas Zelger, „es gibt aber keinen Grund, Hütten und Aufstiegsanlagen weit über den Bedarf hinaus zu vergrößern – auch und vor allem, weil unsere Bergwelt ein mehr als sensibler Raum ist“. Zudem seien die Gründe für Neubauten in den meisten Fällen vorwiegend privater Natur, „sie dürfen dann aber zu einem großen Teil von der Allgemeinheit finanziert werden“, so der Bergführer-Präsident.

„Der Trend hin – um nicht zu sagen: zurück – zu den Bergen und in die Natur ist offensichtlich und im Grunde auch positiv zu bewerten; auch für uns Bergführer und Wanderleiter, die wir gewissermaßen davon profitieren“, betont Zelger. Aber auch hier seien dem Wachstum Grenzen gesetzt und auf den Outdoortrend mit größeren Hütten, neuen Liftanlagen und Klettersteigen zu antworten, sei der falsche Weg und ziehe lediglich noch mehr, teils sehr unerfahrene Menschen in die Berge. „Die Schattenseiten sind dann überfüllte Parkplätze, Hütten, Klettersteige und Wanderwege“, so der Bergführer-Präsident, der in Aussicht stellt, dass es an den Hotspots irgendwann Maßnahmen zur Zugangsregulierung kommen werde. „In den Nationalparks der USA wird uns das schon vorgemacht und es funktioniert“, erklärt Zelger.

Dass die Infrastruktur in die Jahre komme und aktuellen Erfordernissen angepasst werden müsse, sei auch für die Südtiroler Bergführer klar. „Schließlich schätzen und nutzen auch wir Hütten und Aufstiegsanlagen“, so Zelger. Deshalb sei es wichtig, dass etwa für Hüttenwirte optimale Voraussetzungen geschaffen würden, damit diese ihrer Arbeit nachgehen könnten.

Aktuelle Beispiele etwa im Rosengartengebiet oder die Diskussion rund um die Erneuerung des Lifts auf die Langkofelscharte zeigten allerdings, dass der Trend in eine andere Richtung gehe. „Es geht nicht an, dass unter dem Deckmantel einer Renovierung Hütten massiv ausgebaut und mit allem Luxus versehen werden und technische Erneuerungen an Aufstiegsanlagen zum Vorwand genommen werden, gänzlich neue, immer größere und massivere Anlagen zu errichten“, so der Verbandspräsident. Zelger bricht die Haltung der Südtiroler Bergführer daher auf eine einfache Forderung herunter: „Sanfte Modernisierung ja, aber nein zu Überdimensionierung und Luxus! Die Berge sind ein Allgemeingut und gehören nicht in private Hände.“

Die neuesten Infrastrukturprojekte in Südtirols Bergen zeigten zudem, dass bei der Genehmigung weder Wert auf die alpinistische Notwendigkeit noch auf die Folgewirkungen gelegt werde. „Ständig wird von Nachhaltigkeit geredet, bei massiven Eingriffen in die alpine Landschaft scheint das allerdings kein Thema zu sein“, so Zelger. Mit Sprengungen, Bohrungen und massiven Erdbewegungen werde die alpine Landschaft dauerhaft umgestaltet, Hunderte Hubschrauberflüge seien während des Baus und danach zur Versorgung notwendig, die Infrastruktur ziehe zusätzliche Massen in einen sensiblen Lebensraum, der im Umbruch ist, und der zunehmende Wassermangel sei ein Problem, das ausgeblendet werde.

Selbst die Überbleibsel der Bauarbeiten seien mittlerweile zum Problem in den Bergen geworden. „Auch wenn versichert wurde, dass er beseitigt wird, sind etwa der Fuß der Laurinswand und auch die Wand selbst immer noch durch Müll und Bauabfälle verschmutzt, die beim Neubau der Schutzhütte im Gartl von Wind und Wetter verblasen wurden“, erklärt der Präsident der Südtiroler Bergführer. Er fordert deshalb, bei der Genehmigung von Infrastrukturprojekten in den Bergen die – alpinistische wie ökologische – Nachhaltigkeit zum wichtigsten Kriterium zu machen. „Tun wir das nicht, richten wir dauerhaften und nicht wiedergutzumachenden Schaden an unseren Bergen an“, so Zelger. „Erhalten und erneuern, aber nicht ausbauen“, ist daher sein Fazit. „Die Ressourcen und die Landschaft sind begrenzt belastbar, wir sind längst am Limit angelangt.“

Von: luk

Bezirk: Bozen