Von: sr
Bozen – Über die Herausforderungen im Bankensektor und die Reform der italienischen Genossenschaftsbanken sprachen am Freitag der Generaldirektor der italienischen Bankenvereinigung ABI Giovanni Sabatini und Federcasse-Generaldirektor Sergio Gatti auf Einladung des Raiffeisenverbandes bei einer Tagung im Raiffeisenhaus Bozen.
„Nicht Stabilität, sondern mangelnde Rentabilität sei die größte Herausforderung für die Banken. Europa fange aber an zu begreifen, dass das wahre Problem im geringen Wachstum liege und es vor allem Investitionen brauche, um die Wirtschaft anzukurbeln“, betonte ABI-Generaldirektor Giovanni Sabatini bei der Tagung für die Raiffeisenkassen.
In Bezug auf die italienische Wirtschaft sagte Sabatini, dass sowohl der private Konsum als auch die Investitionstätigkeit rückläufig seien, die Industrieproduktion weiter an Schwung verliere und die Wachstumserwartungen für Italien 2016 bei mageren 0,6 Prozent liegen würden. Mit diesen Bedingungen und aufgrund der Niedrigzinspolitik, der steigenden Reglementierung und neuer, von Basel IV geforderten Eigenkapitalanforderungen sei es für die Banken schwierig, eine dauerhafte Trendwende zu schaffen.
Sabatini: Italienische Banken nicht so schlecht
Dabei stünden die italienischen Banken an und für sich gar nicht so schlecht da, betonte Sabatini. So konnten sie in den Krisenjahren 2008 bis 2015 ihre Ausleihungen um sieben Prozent von 1.330 auf 1.421 Mrd. steigern, die Kapitalausstattung von acht Mrd. Euro auf 55 Mrd. Euro ausweiten und die Kernkapitalquote von 7,1 Prozent auf 12,3 Prozent erhöhen. Als positiv merkte Sabatini zudem an, dass der Anstieg der zahlungsunfähigen Kredite seit Jahresbeginn eingebremst werden konnte. Von 2008 bis 2015 hätten die italienischen Banken im Schnitt jährliche Wertberichtigungen von 20 Mrd. Euro ausgewiesen. Als ermutigend bezeichnete Sabatini die Tatsache, dass der Anteil der notleidenden Kredite von 5,4 Prozent im Jahr 2014 auf 3,3 Prozent im Jahr 2015 gesenkt werden konnte. Dabei verwies Sabatini darauf, dass der Großteil, nämlich rund 80 Prozent, der notleidenden Kredite des italienischen Banksystems in den letzten Jahren nicht der Bankgebarung sondern der schlechten Wirtschaftsentwicklung zuzuschreiben seien. Zu schaffen mache aber weiterhin die europäische Überreglementierung des Bankensektors, welche häufig zum Vorteil der spekulativen Finanzwirtschaft gereiche. Zudem würden die neuen Vorschriften von Basel IV eine weitere Erhöhung der Eigenkapitalausstattung der Banken vorsehen. Als Folge könnte erneut die Kredittätigkeit der Banken insgesamt beeinträchtig werden, meinte Sabatini. Als Präsident des Europäischen Bankenverbandes EBF sei er deshalb gegenüber den europäischen Institutionen für eine „Denkpause“ bei Basel IV eingetreten.
Gatti: wettbewerbsfähiger werden
Sergio Gatti, Generaldirektor der Federcasse (Italienischer Zentralverband der Raiffeisenkassen Italiens) skizzierte die Schritte zur Bildung der nationalen Bankengruppen im Rahmen der Reform der italienischen Genossenschaftsbanken. Ebenso erläuterte er das Positionspapier von Federcasse zu den Durchführungsbestimmungen der Banca d’Italia, die im Oktober veröffentlicht werden sollen. Dabei verwies er vor allem auf die Berücksichtigung des genossenschaftlichen Mutualitätsprinzips in den zukünftigen Geschäftsmodellen der Bankengruppe, was im neuen Einheitstext der Banken entsprechend gesetzlich verankert werden konnte. Ziel der genossenschaftlichen Bankengruppe sei es, die kleinen Genossenschaftsbanken wettbewerbsfähiger zu machen und sie in ihrer Geschäftstätigkeit zu stärken, meinte Gatti. Die äußeren Rahmenbedingungen zwingen dazu, auch das genossenschaftliche Bankgeschäft neu zu interpretieren und neu auszurichten.
Parisotto: Bankengruppe positiv sehen
Luigi Parisotto, Direktor der Banca d’Italia Filiale Bozen, verwies auf das radikal veränderte Bankenumfeld, bedingt durch die europäisierte Bankenaufsicht, neue Compliance- und Geldwäschebestimmungen sowie die rasante Umgestaltung des Bankgeschäfts. Die normativen Veränderungen, die Digitalisierung und die Niedrigzinspolitik zwingen zu neuen Geschäftsmodellen, wobei es darum gehe, die genossenschaftlichen Kernelemente in neue und moderne Formen des Bankgeschäfts zu gießen. Er betonte bei der Tagung mit Nachdruck, die Zeichen der Zeit rechtzeitig zu erkennen und ermutigte dazu, die neue Raiffeisen Bankengruppe vor allem positiv zu sehen. Die Südtiroler Raiffeisenkassen seien bei der Bildung der Raiffeisen Bankengruppe einen wichtigen Schritt voraus und könnten dabei ihre große Erfahrung in der gegenseitigen, jahrzehntelangen Zusammenarbeit positiv nutzen.
Herbert Von Leon, Verbandsobmann des Raiffeisenverbandes, und Generaldirektor Paul Gasser dankten den Tagungsreferenten Giovanni Sabatini, Sergio Gatti und Luigi Parisotto für ihre Ausführungen und hoben die bisher enge und gute Zusammenarbeit in einer auch für die Südtiroler Raiffeisenkassen historischen und herausfordernden Phase der Neuaufstellung hervor.