Von: mk
Bozen – Auf der Landesversammlung des KVW stand das soziale Südtirol im Mittelpunkt. Sowohl in den Grußworten als auch im Gespräch mit Sepp Kusstatscher wurde mehr Menschlichkeit gefordert, die Bedürftigkeit soll das Kriterium für die Vergabe von sozialen Leistungen sein. Der Angstmacherei und das Ausspielen der Schwachen gegen Schwache solle Einhalt geboten werden. Zur Landesversammlung sind rund 300 Ehrenamtliche des KVW aus dem ganzen Land nach Bozen gekommen.
KVW Landesvorsitzender Werner Steiner ging in seiner Rede der Frage nach, wie ein soziales Südtirol aussehen soll und was es dazu braucht. Am Beispiel des barmherzigen Samariters erklärte er, wie wichtig die schnelle und unmittelbare Hilfe sei. „Als nächstes ist es aber wichtig, die Straße von Jericho nach Jerusalem sichererer zu machen“, sagte Steiner. Hilfe und Solidarität sind zu organisieren, sie brauchen eine Struktur. Darin sieht der Sozialverband KVW seine Aufgabe. „Mit diesem Anliegen wenden wir uns immer wieder an die Politik, bringen Wünsche vor, zeigen auf, was nicht so gut läuft, weisen auf Ungerechtigkeiten hin, sticheln und haken nach“, erklärte Steiner.
Der KVW hat mit seinen Dienstleistungsbetrieben ein gutes Bild von der sozialen Situation in Südtirol. „Dieses Wissen kann für die Verbesserung mancher Situation zielführend eingesetzt werden“, sagte Steiner. Hier helfe eine gute Vernetzung mit der Politik, sei es auf Landesebene alsauch auf Ortsebene.
Dafür bekam der KVW auch ein großes Lob von Landeshauptmann Arno Kompatscher. Er räumte Diskussionsbedarf ein. Deshalb sei er froh über die sachliche, nüchterne Art, mit der der KVW sich einbringe, wenn es irgendwo unsolidarisch wird. Mit Vehemenz bringe der KVW Vorstand die Themen vor, ohne dabei polemisch zu sein. Kompatscher versprach, dass die Regierungsarbeit von einem christlichen Menschenbild geprägt sei – und für ihn werde bei den sozialen Leistungen weiterhin die Bedürftigkeit als Kriterium gelten.
Landesrätin Waltraud Deeg bedankte sich für die kritische und stets konstruktive Mitarbeit des KVW. Beim Landeshaushalt gehe es in den nächsten Jahren darum, zu schauen, was noch auf uns zukommt und nicht nur darauf, was wir heute brauchen.
Obwohl das Wort Solidarität in der Bibel nicht vorkommt, ist es doch das Thema, das sich durchs Alte und Neue Testament zieht. Bischof Ivo Muser erklärte, dass die Armen, Schwachen, Waisen, Witwen und Fremden immer wieder genannt werden. „Die ist leicht ins Heute zu übersetzen. Wer kann heute mit diesen Personen in Verbindung gebracht werden?“, regte Bischof Muser zum Nachdenken an. Das K im Namen des KVW steht für ein weltweites Denken. Es geht nicht darum, Nabelschau zu betreiben, sondern lokal und konkret zu handeln. „Dies ist das Markenzeichen“, erklärte Bischof Muser.
Um ein soziales Südtirol ging es im Kamingespräch von Karl H. Brunner mit Sepp Kusstatscher, Präsident der Kommission für Arbeit und soziale Gerechtigkeit. Brunner, Mitglied des KVW Vorstands, konfrontierte Kusstatscher mit Slogans der vergangenen Monate wie „Das Boot ist voll“, „Südtiroler zuerst“ oder „Dazu darf die Kirche nichts sagen“.
Kusstatscher warnte davor, den Zorn auf jene abzuwälzen, denen es noch schlechter geht. „Es ist genug für alle da, auch weltweit gesehen“, sagte Kusstatscher, „zu wenig ist es für den Neid und den Geiz einiger weniger.“ Wer arm ist, braucht Unterstützung. Es gehe also nicht darum, die Armen zu bekämpfen. „Und die paar Ausländer sind auch nicht das Problem“, so Kusstatscher.
Für Kusstatscher ist es nicht zufällig, dass sich die vielen negativen Meldungen über Gewalt häufen. Dies mache Angst und Angst mache Menschen leichter manipulierbar. Er regte an, darüber nachzudenken, wer dahinterstecke, warum die Medien da mitmachen würden. Tatsache sei, dass Gewalt nicht zunimmt. Im Gegenteil: In den 70-er Jahren habe es mehr Kriminalität als heute gegeben. „Mut tut gut, lasst euch nicht verängstigen von den ständig schlechten Nachrichten“, so Kusstatscher in Richtung der über 300 Anwesenden.
Josef Stricker, geistlicher Assistent des KVW, sprach in den Schlussworten von einem sozialen Klimawandel in Europa, in Italien und auch in Südtirol. Der Ton der Auseinandersetzung in der Gesellschaft werde rauer, das soziale Klima werde kälter, die Egoismen würden zunehmen und es sei Mode geworden, sich auf sozial Schwache einzuschießen, analysierte Stricker die aktuelle Situation. Es werde der Eindruck geweckt, dass gerade unter Schwachen die größten Ungerechtigkeiten passieren und die Forderung stehe im Raum, die Politik solle durchgreifen – zum Beispiel beim Wohngeld, Familiengeld oder bei der sozialen Mindestsicherung. „Dies ist jedoch ein großes Missverständnis, denn Härte hat nichts mit Größe zu tun. Im sozialen Bereich hat Größe mit Menschlichkeit und mit Mitgefühl zu tun“, so Stricker. Neben den Steuer- und Wirtschaftsexperten brauche es Armutsexperten, die die Schicksale hinter den Zahlen und Statistiken kennen. Es brauche Menschen, die klar und differenziert von der sozialen Wirklichkeit erzählen können. Wer nur mit Ängsten spielt, schade unserem Land, so Stricker abschließend.