Felbermayr: Obergrenze bei EZB-Leitzinsen erreicht

Wifo-Chef: Signa dürfte kein Einzelfall bleiben

Sonntag, 26. November 2023 | 22:23 Uhr

Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr glaubt, dass nicht nur der Signa-Konzern von René Benko durch die gestiegenen Zinsen in Schwierigkeiten geraten ist. Wahrscheinlich werde man solche Probleme, wie sie jetzt bei Signa bestehen, in den nächsten Monaten und Jahren auch in anderen Unternehmen in ganz Europa sehen, sagte Felbermayr am Sonntag in der ORF-“Pressestunde”. Das Wifo gehe aber “nicht davon aus, dass es zu einer Finanzmarktkrise mit den Banken im Zentrum kommen könnte”.

Es habe “viele Analysten überrascht, dass dieser starke Zinsanstieg nicht zu mehr Turbulenzen auf den Finanzmärkten und auch am Immobilienmarkt geführt hat”, sagte der Wifo-Chef. Durch höhere Zinsen werde nicht nur das Aufnehmen von Geld teurer, was für hoch verschuldete Konzerne ein Problem sei, sondern auch der Wert der Immobilien sinke stark. Das sei problematisch, wenn man langfristige Vermietungsverträge habe, die man nicht an das Zinsniveau und die Inflation anpassen könne. “Wenn man jetzt etwas umschulden oder neu finanzieren muss, dann ist der Wert der Immobilie, um die es geht, deutlich kleiner geworden.”

Wichtig wäre es, die Baukonjunktur nicht ganz erlahmen zu lassen, warnt Felbermayr – darum sei es gut, den Wohnbau anzuschieben und Sanierungsprojekte voranzutreiben. Die Abwärtsrisiken für die Konjunkturprognosen seien größer als früher. “Aber nach wie vor ist unsere wahrscheinlichstes Szenario dieses, dass im nächsten Jahr aufgrund der deutlichen Zuwächse bei den Reallöhnen eine konsumgetriebene Erholung einsetzt.”

Bei den EZB-Leitzinsen dürfte die Obergrenze bereits erreicht sein, meint Felbermayr. “Das war eine sehr schnelle, sehr starke Anhebung. Die hat es in der Euro-Geschichte so noch nie gegeben.” Es werde 12 bis 18 Monate dauern, bis diese Zinsschritte in der Realwirtschaft ankommen. Weitere Maßnahmen der EZB werde es aber wohl noch beim “Quantitative Tightening” geben. Die EZB habe vor der Teuerung sehr viele Aktien, Anleihen und andere Wertpapiere in ihre Bilanz genommen und dafür Liquiditätsspritzen in die Wirtschaft gepumpt, was neben den niedrigen Zinsen ebenfalls preistreibend gewirkt habe – das werde jetzt zurückgefahren, “es bleibt geldpolitisch eng”.

Bei den Maßnahmen gegen die Inflation habe die österreichische Regierung “nicht alles falsch gemacht”, so der Wifo-Chef. So wäre ohne die Strompreisbremse wäre die Inflation um einen Prozentpunkt höher. Aber in Österreich habe man weniger als in anderen Ländern direkt in die Preise eingegriffen, etwa mit Tankrabatten oder eine Senkung der Mehrwertsteuer. Dafür sei das Budgetdefizit in Österreich geringer als in anderen Ländern. Da hätte man mehr tun können oder sollen, aber “das hätte das Problem in das Budget verlagert und dann sozusagen auf die nachkommenden Generationen übergewälzt”.

Jetzt sollte man doch stärker in die Preisentwicklung selbst eingreifen, empfiehlt der Wifo-Ökonom. “Es gibt ja eine Vereinbarung in der Koalition zu einer Mietpreisbremse, die gehört umgesetzt.” Auch sollte man im öffentlichen Sektor die Gebühren und Abgaben unten halten. “Immerhin 9 Prozent des Warenkorbes sind sogenannte administrierte Preise.” Auch könnte man überlegen, ob es auch in Österreich ähnlich wie in Deutschland eine Monopolkommission geben sollte, “vielleicht sogar eine, wie es Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund verlangen, auch so etwas wie eine Preiskommission”.

Von Mehrwertsteuer-Senkungen hält der Wifo-Chef nicht viel. Es sei nicht klar, wie das bei den Menschen ankommen und ob das Geld nicht zum Teil in den Betrieben verbleiben würde. Die Mehrwertsteuer werden von manchen Ökonomen als “Gießkanne on Steroids” bezeichnet. “Das wäre die Ultima Ratio – falls alles andere nicht funktioniert, würden wir auch das nicht ausschließen. Aber es gibt doch reichlich andere Instrumente, die weniger Nebenwirkungen haben.” Man müsse sich auch überlegen, wie mit auslaufenden preissenkenden Instrumenten umzugehen sei, also etwa der Strompreisbremse und der Senkung der Steuern auf Strom und Gas. “Wenn man diese Absenkung wieder rückgängig macht, dann gibt es wieder einen Preisauftrieb.”

Die Inflation mache heuer auch die Kollektivvertragsverhandlungen besonders schwierig, weil es vor allem in der metallverarbeitenden Industrie eine Rezession gebe, erklärte Felbermayr. Die Industrie leide unter hohen Energie- und Materialkosten und könne den Arbeitnehmern die Inflation schwer abgelten, was aber aus volkswirtschaftlicher Sicht gut wäre. Dass der Staat mit einer Pensionserhöhung von 9,7 Prozent und einer Erhöhung der Beamtengehälter um deutlich mehr als 9 Prozent “vorgeprescht”, hält Felbermayr nicht für hilfreich. Dass man im öffentlichen Dienst das vom Staat angebotene Modell der sozialversicherungsbefreiten Bonuszahlungen nicht genutzt habe, findet er “eigenartig”.

Von: apa