Spuren am Tatort werden weiter gesichert

Amoklauf in Graz – Täter schoss sieben Minuten lang

Donnerstag, 12. Juni 2025 | 16:13 Uhr

Von: apa

Gut 48 Stunden nach dem Amoklauf an einer Grazer Schule haben Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag ihre Ermittlungen präsentiert. Der Mann (21) war mit den Waffen in einem Rucksack in die Schule gekommen und hatte sich auf einem WC vorbereitet. Die Tat selbst hatte sieben Minuten gedauert. Alle Verletzten sind schon oder kurz vor der Normalstation der Spitälern, teilte die KAGes mit. Der Täter war beim psychischen Test beim Bundesheer als untauglich eingestuft worden.

Die Polizei gab am Donnerstag den Stand der Tatrekonstruktion und ihrer Ermittlungen bekannt: Der 21-jährige ehemalige Schüler des BORG Dreierschützengasse war um 9.43 Uhr mit einem Rucksack, in dem sich seine Waffen und Munition befanden, über den Haupteingang ins Haus gekommen. In einem Raum im dritten Stock stattete er sich mit Kampfgürtel, Messer, Schießbrille und Headset aus und begann seinen siebenminütigen Amoklauf. Zu dem Zeitpunkt befanden sich 350 bis 400 Schülerinnen und Schüler in dem Gebäude, wie Michael Lohnegger, Leiter des Landeskriminalamts Steiermark, bei einer Pressekonferenz ausführte.

Polizeilich bisher nicht aufgefallen

Der Mann war polizeilich bisher nicht aufgefallen, sagte Lohnegger. Mit einer Pistole vom Typ Glock 19 und einer Jagdwaffe, einer Bock-Doppelflinte mit abgesägtem Lauf, ging er ins zweite Obergeschoss und feuerte in einer fünften Klasse wahllos auf Menschen. Dann ging er wieder in das dritte Obergeschoß, um dort in einer siebenten Klasse, die im Raum einer achten Klasse war, weiter zu töten. Dort hatten sich die Schüler aber bereits eingesperrt. Der Täter schoss daraufhin mehrmals auf das Türschloss, um in die Klasse zu gelangen und dort wieder wahllos auf Menschen zu schießen, erklärte der LKA-Leiter. Am Ende waren zehn Menschen tot, neun Schülerinnen und Schüler und eine Lehrerin, die ihn damals unterrichtet hatte.

Der junge Mann hatte vor drei Jahren die Schule abgebrochen, nachdem er die sechste Klasse wiederholen musste. Um 10.07 Uhr ging er wieder auf das WC und schoss sich dort in den Kopf. Die erste Polizeistreife war gegen 10.06 Uhr in die Schule gelangt. Lohnegger betonte, dass der Täter wahllos auf die Schüler geschossen hat. Es handelte sich offenbar nicht um ehemalige Klassenkameraden und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass er gezielt auf Mädchen oder Schüler mit Migrationshintergrund geschossen hat.

Minutiöser Ablaufplan gefunden

Laut Arnulf Rumpold, Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz, liege der Fokus darauf, herauszufinden, ob der Täter über das Headset mit möglichen Komplizen in Kontakt gestanden sein könnte. Die bei einer Hausdurchsuchung an der Adresse des Täters sichergestellten Datenträger würden ausgewertet. Bei der Durchsuchung wurde auch ein minutiöser Ablaufplan gefunden. Der Fund lasse aber keinen Rückschluss zu, warum der 21-Jährige genau am Dienstag die Tat vollzog.

Der Täter hatte laut Lohnegger ausreichend Munition bei sich und hätte sein Vorhaben noch viel länger ausführen können. Bei der Hausdurchsuchung wurden ein Abschiedsbrief und ein Abschiedsvideo für seine Familie gefunden. Die gefundene Rohrbombe hatte laut den Ermittlern alle Komponenten eines funktionierenden Sprengsatzes.

Waffen legal erworben

Lohnegger zufolge hatte der Mann im März den psychologischen Test für den Erhalt einer Waffenbesitzkarte absolviert. Anfang April kaufte er sich bei einem Waffenhändler in Graz legal die Schrotflinte, Ende Mai dann bei einem anderen Grazer Händler die Glock. Mitte Mai hatte er die Waffenbesitzkarte erhalten. Ab Mitte März sei der 21-Jährige fünf Mal mit einer Leihwaffe legal für Schießübungen bei einem Sportschützenverein gewesen, sagte Lohnegger. Servus TV berichtete in diesem Zusammenhang, dass der 21-Jährige beim psychologischen Test des Bundesheeres bei seiner Stellung als untauglich eingestuft wurde. Das Bundesheer habe aber aus Datenschutz-Gründen keine Möglichkeit, dies an andere Behörden weiterzugeben. Ausgenommen sei der Fall, wenn eine Behörde sich gezielt erkundige, so ein Heeressprecher zur APA. Laut einem Freund soll der 21-Jährige introvertiert und extrem zurückgezogen gelebt und online Ego-Shooter-Spiele gespielt haben.

Lohnegger betonte, dass die Schule beziehungsweise das Schulpersonal vorbildlich reagiert habe – “wie vorgesehen”. Es gab Anweisungen nach den ersten Schüssen und es sei sofort professionell reagiert worden. So wurden beispielsweise die Klassenzimmer versperrt und verbarrikadiert. Auch die Evakuierung sei gut verlaufen. “Ohne die Hilfe der Schule wären wir langsamer gewesen”, unterstrich der LKA-Leiter. Auch am Donnerstag ist die als Ort der Begegnung und der Hilfeleistung bereitgestellte Helmut-List-Halle geöffnet. Am Mittwoch wurden dort laut Bildungsministerium bis zum späten Nachmittag über 200 Kinder und Jugendliche sowie Eltern psychologisch betreut. Wann das BORG Dreierschützengasse wieder geöffnet wird, ist noch nicht klar – keinesfalls aber noch in dieser Woche. In der Steiermark gab es auch am Donnerstag weiterhin eine Fülle von Absagen von vor allem Kulturveranstaltungen, speziell von Oper und Schauspielhaus. Das große USI-Fest der Uni Graz wurde um eine Woche auf 20. Juni verschoben.

Spitalsmitarbeiter kamen aus Urlaub zurück

Die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) hat am Donnerstagnachmittag Details über den Zustand der Verletzten nach dem Amoklauf an einer Grazer Schule bekannt gegeben. Allen Patientinnen und Patienten mit Schussverletzungen geht es den Umständen entsprechend gut. Laut dem Ärztlichen Direktor des LKH-Universitätsklinikums Graz, Wolfgang Köle, sollen noch am Donnerstag oder spätestens am Freitag die letzten drei Verletzten von der Intensiv- auf die Normalstation verlegt werden. Laut Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl (ÖVP) waren infolge des Amoklaufs über 240 Menschen aus dem medizinischen Bereich im Einsatz – Sanitäterinnen und Sanitäter, Ärztinnen und Ärzte sowie Mitglieder der Krisenintervention. 65 Fahrzeuge standen bereit, davon drei Notarztwagen und drei Hubschrauber. So wurde ein Patient in die Kinderchirurgie geflogen. Bis auf eine Person überlebten alle Patientinnen und Patienten.

Aufgrund des sogenannten “Massenanfalls von Verletzten” wurden viele KAGes-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter aus der Freizeit oder aus dem Urlaub geholt, sagte Primar Christian Kammerlander vom UKH Graz. Operationssäle wurden für die Akutversorgung freigemacht. Die Opfer trugen Schussverletzungen an Extremitäten und im Gesicht davon. Michael Lehofer, der Ärztliche Direktor des LKH Graz II, zeigte sich “sehr berührt von der ganzen Situation”. Besonders tragisch: Zwei der Eltern von verstorbenen Kindern sind bei der KAGes tätig.

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