Nahe der Schule in der Dreierschützengasse in Graz

Amokschüsse in Graz fielen während Matura

Mittwoch, 11. Juni 2025 | 17:16 Uhr

Von: apa

Nach dem Amoklauf eines 21-Jährigen in seiner ehemaligen Schule in Graz mit zehn Todesopfern am Dienstag werden weitere Details bekannt. Demnach wurde der Täter nach dem Angriff während der mündlichen Maturaprüfungen in dem Gymnasium 13 Minuten nach den ersten Notrufen gefunden. Wie die Landespolizeidirektion am Mittwochnachmittag zudem berichtete, seien am Wohnsitz des Verdächtigen neben einer nicht funktionstüchtigen Rohrbombe auch Pläne für einen Anschlag gefunden worden.

“Maturantinnen und Maturanten, deren Prüfungen unterbrochen oder ausgesetzt wurden, können selbst entscheiden, ob sie einen Ersatztermin noch vor dem Sommer wahrnehmen möchten oder ob sie erst im Herbst zu ihren Prüfungen antreten wollen”, erklärte die Bildungsdirektion auf Anfrage der APA. Unter den Todesopfern und Verletzten des Amoklaufs seien jedoch keine Maturantinnen und Maturanten.

Verletzte im Alter zwischen 15 und 26 Jahren, alle stabil

Die Verletzten sind laut Polizei im Alter von 15 bis 26 Jahren. Bis auf zwei Personen mit rumänischer Staatsbürgerschaft sowie eine aus dem Iran handelt es sich bei allen von ihnen um Österreicherinnen und Österreicher. Alle waren laut Auskunft der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) gegen 16.00 Uhr weiter stabil. Es seien jedoch Folgeoperationen “bei einem Opfer mit Gesichtsverletzungen und einem weiteren mit Knieverletzung notwendig”, hatte es am Vormittag geheißen.

Bei den jugendlichen Todesopfern handelt es sich um Schülerinnen und Schüler im Alter von 14 bis 17 Jahren. Auch eine Lehrerin wurde getötet. Ihr Alter wurde aus Datenschutzgründen nicht von der Polizei bekanntgegeben. Bis auf einen Jugendlichen mit polnischer Staatsbürgerschaft handelt es sich bei den Toten laut der Landespolizeidirektion ausschließlich um Österreicherinnen und Österreicher.

Streifen sechs Minuten nach Notrufen vor Ort

Der bewaffnete Täter hatte am Dienstagvormittag – während der seit Dienstag laufenden Prüfungswoche zur mündlichen Matura – mit einer Schrotflinte und einer Pistole die Schule gestürmt. Nach ersten Notrufen gegen 10.00 Uhr “wegen Schüssen und Schreien”, wie es am Dienstag geheißen hatte, trafen nur sechs Minuten später die ersten Streifen mit schwerer Schutzausrüstung an dem Gymnasium ein, eine Minute später auch die Schnelle Interventionsgruppe (SIG), die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) des Landeskriminalamts und 54 schwer bewaffnete Polizisten der Sondereinheit Cobra.

Wie der Standortkommandant der Cobra Süd, Kurt Kornberger, der APA am frühen Nachmittag in einem Hintergrundgespräch erklärte, seien die Beamten der Spezialeinheit bereits um 10.08 bzw. 10.09 Uhr im Gebäude gewesen, hätten jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt keine Schüsse mehr wahrgenommen. Nach Kontakt mit einem Lehrer im Foyer eilten die Beamten in den dritten Stock, stießen dort in einem Klassenzimmer zuerst auf zahlreiche Verletzte und Tote und um 10.13 Uhr in einer Toilettenanlage auf den in Folge eines Suizids toten 21-Jährigen. Vier Minuten später konnte das Cobra-Team die Sicherheit für die Rettungskräfte herstellen, die nur wenig später in der Schule eintrafen. Um 10.28 sei letztlich das gesamte Gebäude freigegeben worden.

Anschlagspläne richteten sich ebenfalls gegen Schule

Noch am Dienstagnachmittag erfolgte eine Durchsuchung der Polizei am Wohnsitz des Täters in Graz-Umgebung. Dabei wurden ein Abschiedsvideo, das der Täter an seine Mutter geschickt hatte, zusammen mit einem analogen Abschiedsbrief entdeckt, sowie offenbar verworfene Pläne für einen Sprengstoffanschlag gefunden. Der Anschlag habe sich dabei ebenfalls auf das Gymnasium bezogen, wie es von der Landespolizeidirektion auf APA-Nachfrage hieß. Zum Sprengstoff selbst erteilte die Polizei keine Auskunft.

Die verwendete Schrotflinte sowie die Pistole hatte der 21-Jährige legal besessen. “Er hätte sie jedoch unter keinen Umständen führen dürfen”, sagte Polizeisprecher Sabri Yorgun zur APA. Die Tatwaffen werden nun kriminaltechnisch untersucht. Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins “Profil” war der 21-Jährige in einem Grazer Sportschützenverein aktiv und lernte dort den Umgang mit Waffen. Das bestätigte jedenfalls der Leiter des namentlich nicht näher genannten Vereins dem Magazin. Ein Sprecher der Landespolizeidirektion wollte das weder bestätigen noch dementieren, man könne lediglich auf Basis des derzeitigen Ermittlungsstandes Auskunft geben.

Eltern von Amokläufer lebten getrennt

Medienberichte darüber, dass der Mann in der Vergangenheit gemobbt worden sein soll, wollte die Landespolizeidirektion auch am Mittwoch weiter nicht bestätigen. Auch Details zur Schulkarriere des 21-Jährigen blieben auf Nachfrage vorerst unklar, ebenso wurden Berichte über den AMS-Status des 21-Jährigen nicht von der Polizei bestätigt. Als gesichert gilt laut Polizei nur, dass der 21-Jährige den Wohnsitz bei seiner alleinerziehenden Mutter in Graz-Umgebung hatte. Sein aus Armenien stammender Vater hatte nach der Trennung nicht mehr im Haushalt gelebt.

“Derzeit läuft eine Tatrekonstruktion in der Schule”, sagte Yorgun am Mittwochvormittag. Die Ermittler erhoffen sich davon weitere Erkenntnisse. Auch zur Anzahl der gefallenen Schüsse und den Orten der Schussabgabe innerhalb des Gebäudes verwies Yorgun auf die laufende Rekonstruktion. Mehrere Hundert Personen müssten in diesem Rahmen befragt werden. Die Auswertung von Spuren und Datenträgern könnte über die nächsten Tage und Wochen hinweg andauern.

Trittbrettfahrer nahmen Amoklauf zum Anlass für Drohungen

Wie der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, am Mittwoch in der Früh im Interview mit dem Ö1-Morgenjournal sagte, hätten in der Zwischenzeit mehrere Nachahmungstäter den Fall für weitere Drohungen zum Anlass genommen. “Mehrere Nachahmungstäter”, wie Ruf erklärte, seien festgestellt worden. “Es gibt Verdächtige, die sich nun darauf stürzen, dass ein Amoklauf stattgefunden hat”, so Yorgun gegenüber der APA.

Konkret sei bereits am Dienstag unter anderem eine Bombendrohung gegen den Grazer Hauptbahnhof eingegangen sowie am Mittwoch auch ein Drohschreiben gegen eine weitere Grazer Schule. “Natürlich haben wir Vorsichtsmaßnahmen getroffen”, sagte Yorgun. Die Ermittlungen gegen derartige Trittbrettfahrer werden parallel geführt. Die Bundespolizeidirektion verstärkte den Kontakt mit Bildungseinrichtungen und ordnete die verstärkte Bestreifung der Einrichtungen an.

Kriseninterventionsexperten weiter gebraucht

Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krisenintervention des Roten Kreuzes waren am Mittwoch weiter gefordert. “In den nächsten Tagen werden täglich rund zehn Kollegen an den Trauerorten sein und für die Begleitung der betroffenen Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie Schüler zur Verfügung stehen”, teilte Sprecher Stefan Loseries mit. Auch die gemeinsam mit Ö3 betriebene Kummernummer (116 123) sei aufgestockt worden. Zudem fänden noch immer laufend Nachgespräche statt, hieß es vom Roten Kreuz.

Der schulpsychologische Dienst der Bildungsdirektion Steiermark betreut gemeinsam mit dem Kriseninterventionsteam des Landes Steiermark (KIT) die rund 300 unverletzten Schüler und Schülerinnen, deren Eltern sowie das pädagogische Personal des BORG Dreierschützengasse. “Wir werden von Schulpsychologen aus ganz Österreich unterstützt, wodurch wir auf ein Team von 30 geschulten Personen zurückgreifen können”, sagte dessen Leiter, Josef Zollneritsch im Gespräch mit der APA.

Man werde jedenfalls bis Freitag in der nahe gelegenen Helmut-List-Halle sein, ob der Schulbetrieb am kommenden Montag wieder starten kann, sei “noch in Diskussion”. Neben der Betreuung vor Ort können und werden die Schulpsychologen auch von weiteren Grazer Schulen angefordert: “Es gibt große Betroffenheit. Und es gibt vor allem auch vonseiten der Eltern große Sorge, was Wiederholungstaten anbelangt. Hier ist es wichtig, dass die Betroffenen über ihre Gefühle und Ängste sprechen können, um nachhaltige Traumatisierungen zu verhindern.” In den Schulen werden Einzel- und Gruppengespräche angeboten.

Krisen-Sprechstunden auf Ambulanz

Zur Krisenversorgung von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern haben die steiermärkischen Krankenanstalten KAGes tägliche Sondersprechstunden in der Ambulanz für Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) am LKH Graz II, Standort Süd eingerichtet. Bei Ängsten, Schlafstörungen, Reizbarkeit, schulmeidendem Verhalten, Depressionen, Trauer-Reaktionen, Gefühlen des Betäubtseins, innerer Leere oder auch andere Veränderungen können sich betroffene, besorgte, symptomatische Jugendliche und deren Eltern melden, um zeitnah niederschwellig Hilfe und Entlastung zu finden, teilte die KAGes mit. Jugendlichen, Eltern und Bezugspersonen wurde geraten, “lieber zu früh als zu spät” einen Termin zu vereinbaren.

Mehr zu diesem Thema
Tote bei möglichen Amoklauf in Grazer Schule
Elf Tote nach Amokschüssen in Grazer Schule
11. Juni 2025 | 07:22
65
Kommentare

Aktuell sind 24 Kommentare vorhanden

Kommentare anzeigen