Überlebende des Unglücks werden in Kalamata an Land gebracht

Bootsunglück vor Griechenland mit zahlreichen Toten

Mittwoch, 14. Juni 2023 | 19:55 Uhr

Bei einem schweren Bootsunglück südwestlich von Griechenland sind am Mittwoch nach offiziellen Angaben mindestens 79 Menschen ums Leben gekommen. Die griechischen Behörden gingen jedoch von weitaus mehr Opfern aus. Medien berichteten von 500 bis 700 Passagieren. Gerettet wurden 104 Menschen. Die umfangreiche Suche sollte auch über Nacht weiterlaufen.

“An Deck des Schiffes waren die Menschen zusammengepfercht, das Gleiche vermuten wir auch für den Innenraum”, sagte ein Sprecher der Küstenwache dem Staatssender ERT. “Die Zahl ist in jedem Fall sehr hoch”. Die Behörden hatten zunächst unter Berufung auf Überlebende des Unglücks von gut 400 Menschen gesprochen. Die griechische Staatspräsidentin Ekaterini Sakellaropoulou, die am Vormittag in die Hafenstadt Kalamata zu den Rettungsarbeiten gereist war, sagte: “Wir werden wohl nie erfahren, wie viele Menschen wirklich an Bord waren.”

Griechische Medien veröffentlichten am Mittwochabend erstmals Bilder der griechischen Küstenwache von dem mit Migranten überfüllten Unglücksboot. Sie zeigen, dass sich allein schon an Deck des verrosteten Fischkutters bis zu 200 Menschen drängten. Auszumachen sind ein weiteres Zwischendeck und der Rumpf. Griechische Medien berichteten, bei den 104 geretteten Menschen handle es sich ausschließlich um Männer. Die übrigen Passagiere, darunter nach Angaben der Überlebenden auch schwangere Frauen und viele Kinder, sollen sich unter Deck aufgehalten und beim schnellen Sinken des Bootes keine Chance gehabt haben, sich nach draußen zu retten.

Nach Angaben der Geretteten war das Boot von der libyschen Stadt Tobruk aus in See gestochen. Unter den Passagieren seien Menschen aus Syrien, Pakistan, Afghanistan und Ägypten gewesen. Schon am Dienstag hatten italienische Behörden die griechischen Nachbarn über ein voll besetztes Fischerboot im griechischen Such- und Rettungsbereich informiert. Die Küstenwache und vorbeifahrende Frachter hätten den Passagieren per Funk wiederholt Hilfe angeboten. Diese hätten jedoch abgelehnt, sagte ein Sprecher der griechischen Küstenwache. Stattdessen hätten sie angegeben, nach Italien weiterreisen zu wollen.

Als Ursache des Unglücks vermuten die Behörden eine Panik an Bord. Die Küstenwache habe das Boot nach der Kontaktaufnahme weiterhin beobachtet und plötzlich abrupte Bewegungen wahrgenommen, sagte der Sprecher. Dann sei der Kutter gekentert und schnell gesunken. Am Wetter habe es nicht gelegen. Das sei verhältnismäßig ruhig gewesen, hieß es.

Die Unglücksstelle liegt nahe der tiefsten Stelle im Mittelmeer, dem sogenannten Calypsotief, das rund fünf Kilometer bis zum Meeresboden reicht. Eine Bergung des Wracks dürfte damit so gut wie ausgeschlossen sein.

Die Hafenstadt Kalamata auf der Halbinsel Peloponnes wurde zum Krisenzentrum: Ins dortige Krankenhaus und andere Unterkünfte wurden die Überlebenden gebracht. Manche mussten wegen Unterkühlung behandelt werden.

Griechenland hat die Kontrollen seiner Gewässer in den vergangenen Jahren bereits massiv verschärft, um illegale Migration abzuwehren. Deshalb wählen Schlepper und Migranten zunehmend gefährliche, lange Routen von der Türkei und Staaten des Nahen Ostens südlich an Griechenland vorbei direkt nach Italien, um in die EU zu gelangen.

Seit 2014 sind nach UNO-Angaben mehr als 20.000 Migranten auf dem Mittelmeer gestorben. Ende Februar 2023 kam es in Italien vor der Küste Kalabriens zu einem Bootsunglück mit mindestens 90 Toten.

Von: APA/dpa